EIN GESPENST AUF FREIERSFÜSSEN - Joseph L. Mankiewicz

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Percy Lister
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EIN GESPENST AUF FREIERSFÜSSEN - Joseph L. Mankiewicz

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"Ein Gespenst auf Freiersfüßen" ("The Ghost and Mrs. Muir") (USA 1947)
mit: Gene Tierney, Rex Harrison, George Sanders, Edna Best, Natalie Wood, Vanessa Brown, Anna Lee, Robert Coote, Isobel Elsom, Victoria Horne, Whitford Kane, William Stelling, David Thursby u.a. | Drehbuch: Philip Dunne nach dem Roman "Der Geist des Captain Gregg" von Josephine A. C. Leslie | Regie: Joseph L. Mankiewicz

Lucy Muir ist seit einem Jahr verwitwet und beschließt, sich nun endlich von der Familie ihres verstorbenen Mannes zu lösen und sich ein eigenes Leben in einem Dorf an der englischen Küste aufzubauen. Sie zieht mit ihrer kleinen Tochter Anna und einem Dienstmädchen nach Whitecliff-by-the-Sea, wo sie ein Cottage mietet, das oben auf den Klippen thront. Das gemütliche Haus und die wunderbare Aussicht haben es ihr sofort angetan, obwohl der Makler davon abrät, die einsam gelegene Immobilie zu mieten. Bereits am ersten Abend hat Lucy das Gefühl, dass das Porträt des früheren Besitzers, des Seekapitäns Daniel Gregg, sie beobachtet. Als sie sich allein in der Küche befindet, steht der Kapitän plötzlich neben ihr und erklärt ihr, dass er wünsche, sie solle das Haus wieder verlassen. Doch Lucy Muir hat längst Gefallen an dem Cottage gefunden und widersteht den Versuchen Daniels, sie zur Abreise zu bewegen. Bald schon verliebt sich der Kapitän in sie, obwohl er weiß, dass es aussichtslos ist, denn er ist bereits seit vielen Jahren tot....

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Der Wunsch nach Unabhängigkeit und Abkehr von Konventionen hat schon immer dazu geführt, dass sich Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung lösen, um ihr eigenes Leben zu führen. Dennoch bleibt das Bedürfnis nach einem gleichgesinnten Charakter bestehen, der die eigenen Gedanken und Überlegungen spiegelt und ein psychologisches Schutzschild gegen das Unverständnis, die Gleichgültigkeit und die Ablehnung der anderen bietet. Mrs. Lucy Muir wagt einen mutigen Schritt, als sie mit den Erwartungen ihrer Familie bricht und sich nicht nur finanziellen Risiken aussetzt, sondern auch die Einsamkeit in der Fremde erwählt. Der Reiz des Hauses an der Steilküste wird durch die Warnungen des Maklers nicht gemindert, im Gegenteil. Das Gefühl, nun endlich nach dem eigenen Urteilsvermögen entscheiden zu können, signalisiert ihr, dass dieser Ort nicht nur ein gelungenes Beispiel für atmosphärische Architektur ist, sondern ein Ambiente mit persönlicher Note. Die Anwesenheit eines Mannes, der ihr nahe ist und dennoch unerreichbar bleibt, vermittelt ihr eine Verbundenheit, die durch die Exklusivität seiner Erscheinung ermöglicht wird. Die Tatsache, dass sie eine Zweisamkeit mit einem Menschen eingeht, der mit gesundem Abstand auf die Gegenwart blickt und trotzdem an ihren Gedanken, Sorgen und Wünschen teilhat, erhöht den Stellenwert, den diese Situation für Lucy darstellt. Das Arrangement, das die beiden miteinander treffen, versprüht sehr viel Sympathie und lässt die Beziehung mit einem Erfolgsschriftsteller aus dem Verlagshaus schal und langweilig wirken. Es scheint die übliche abgeschmackte Masche zu sein, die der Autor wohl schon mehrfach angewandt hat, um Frauen zu beeindrucken. Die Besetzung der Rollen stellt unter diesen Voraussetzungen eine treffsichere Auswahl dar, die sowohl auf das Image, als auch auf die Ausstrahlung der Schauspieler zurückgreift, um die Charaktere lebendig werden zu lassen. Die Verlässlichkeit ihrer Figurenzeichnung erhöht die Güte ihrer Performance, die wie eine Visitenkarte auf dem Silbertablett gereicht wird und sich durch jene Facetten auszeichnet, die man vom jeweiligen Darsteller gewohnt ist.

Gene Tierney, deren Physiognomie gleichzeitig attraktiv, stolz und liebenswert erscheint, vermittelt eine charmante Eigensinnigkeit, die von Sehnsüchten, Wehmut und Ehrgeiz angetrieben wird und die sie stets zur anziehenden Projektionsfläche für den Wunsch nach Abenteuer macht, den der Zuschauer in ihr verkörpert findet. Die bildschöne Schauspielerin schöpft aus einer Tiefe, die sie für romantisch geprägte Charaktere prädestiniert, weil sie nicht nur den Glanz des Lebens kennt, sondern auch dessen grausame Schattenseiten. George Sanders trägt sein hintergründig-süffisantes Lächeln wie eine Visitenkarte stets bei sich und kann sich des Vorwurfs nicht erwehren, mit dem Schicksal Komödie zu spielen, weil er selten hinter die Fassade blicken lässt und Avancen und Angriffe gleichermaßen mit Ironie und Souveränität pariert. Das hat den Vorteil, dass er in seinen eleganten Porträts zu überzeugen vermag, es sorgt allerdings auch für eine gewisse Vorhersehbarkeit seiner Figuren. Rex Harrison tarnt sich mit maskuliner Raubeinigkeit, hinter der ein reflektierter, toleranter Charakter steckt, dessen Schrullen aus der Summe seiner Erfahrungen erwuchsen und wenig Platz für unangebrachte Konventionen und Vorurteile lassen. Seine sympathische Darstellung des heimlichen Hausherrn vermag durch Humor, Weisheit und Energie zu überzeugen und sorgt in Summe selbst für Momente der Rührung, die nicht nur ihn, sondern das aufgeschlossene Publikum ergreifen. "The Ghost and Mrs. Muir" erteilt so kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Lektion in Humanität und spricht sich gegen emotionale Restriktionen ebenso aus wie sie einen (Frei-)Geist zum Lehrer einer gelassenen Philosophie werden lässt, das Leben mutig am Schopf zu packen und es nicht länger nach jenen Regeln auszurichten, die andere für einen ersonnen haben. Das geistreiche Spiel der Akteure, die klassisch-stimmige Schwarzweiß-Fotografie, die dezente Musikuntermalung und die traumhaften Schauplätze sorgen für ein Innehalten im hektischen Alltag und entführen den Zuschauer in eine untergegangene Welt, die sich nur in jenen Augenblicken zeigt, in denen das große Hollywood-Kino der alten Schule den Vorhang hebt.

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