ANGELIQUE 4 (UNBEZÄHMBARE ANGELIQUE) -

Von Herkules bis zu den drei Musketieren: Italienische Geschichtsstunden der abenteuerlichen Art
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Sid Vicious
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ANGELIQUE 4 (UNBEZÄHMBARE ANGELIQUE) -

Beitrag von Sid Vicious »

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Originaltitel: Indomptable Angélique
Regie: Bernard Borderie
Produktionsland: Frankreich, Italien, Deutschland
Originalsprache: Französisch
Erscheinungsjahr: 1967
Darsteller: Michèle Mercier, Robert Hossein, Roger Pigaut, Christian Rode, Ettore Manni, Bruno Dietrich, Pasquale Martino, Sieghardt Rupp, Poldo Bendandi, Omero Capanna, Renato De Carmine, Arturo Dominici, Alberigo Donadeo, Mino Doro, Paolo Giusti, Rico Lopez, Gaby Mesée

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Jeoffrey de Peyrac lebt! Ergo begibt sich Angélique auf die Suche nach ihrem von ganzem Herzen geliebten (ersten) Ehemann. Um ihre Reise zu beschleunigen muss Angélique einen Schiffseigner finden, der sie auf seinem Schiff willkommen heißt und fortan nach ihrer Pfeife tanzt. Ihre Wahl trifft den Herzog de Vivonne, ein Blutsverwandter von Madame de Montespan, deren okkultistische Präferenzen Angélique bekannt sind. Das ist bereits ein ausreichendes Argument (kraft einer Bekanntmachung würde de Vivonne nämlich in erhebliche Erklärungsnöte geraten), um den Herzog zu ihrem neuen Hampelmann zu deklarieren. Ergo feiert Angélique einen weiteren Erfolg. Doch ihre Glückssträhne wird schon bald enden, denn nachdem das Schiff von dem geheimnisvollen Rescator und seinen Getreuen angegriffen und vernichtet wird, landet die Schiffsbrüchige ausgerechnet in den Fängen von Kapitän d'Escrainville. Ein verbannter Adliger, der mittlerweile die Rolle eines skrupellosen Menschenhassers angenommen hat. Nachdem Angélique dem passionierten Misanthropen nicht zu Willen ist, nimmt er die Verweigerin mit Gewalt und stellt sie anschließend einigen gefangenen und ausgehungerten Piraten zur sexuellen Befriedigung zur Verfügung. Doch bevor die bestialische Massenvergewaltigung zur grausamen Wirklichkeit wird, kann Coriano den Kapitän davon überzeugen, dass (eine unbeschädigte) Angélique auf dem Sklavenmarkt etliche goldene Taler in die schäbige Kapitänskajütenschatulle spülen könnte. Wird Angélique dennoch dem Sklavenmarkt und somit seinen unansehnlichen, aber finanzkräftigen wie liebestollen Bietern, den Wüstenscheichs, entkommen? Und wer verbirgt sich eigentlich hinter der Maske des gefürchteten Rescator? Ein Freund? Ein Feind? Ein Edelmann? Oder gar ein Ehemann?

Schluss mit Intrigen am königlichen Hofe. Schluss mit Tanz im feinen Zwirn. Auf hoher See dient keine Zofe, doch Angie bietet - unbezähmbar - auch weiterhin die blasse Stirn. Ahoi, unbezähmbare Angélique!

Der vierte Angélique-Film führt uns fort von Versailles, fort von Okkultisten und Giftmischern, weit hinaus auf die Hohe See. Dort wo harte Kerle die Ruder der Galeeren schwingen und lediglich die Peitsche als ihr tägliches Brot empfangen. Dort wo ein verbannter Adeliger seinem Menschen- und Frauenhass freien Lauf lässt. Dort wo ein Goldstück deutlich mehr wiegt als ein jämmerliches Menschenleben.

Als das Interesse für Hollywood-Piratenfilme beim Kinopublikum verebbte und man die Produktion selbiger einstellte, machte man sich in Europa daran, das Genre allumfassend auszubeuten. Diese zumeist als Gemeinschaftsproduktionen (Italien, Frankreich, Spanien) inszenierten Filme entwickelten mit den Jahren einen Härtegrad, der mit einer rezidivierenden Depressivität einherging. So entstand eine düstere, von Idealisten als auch swashbuckers befreite Seewelt. An ihre Stellen traten nun Mörder, Zyniker und Ausgestoßene, die allesamt eines gemein hatten: Sie konnten und wollten nicht in die Gesellschaft zurückkehren. Die See war von Stund an ihr zukünftiges zuhause. Und der kalte Hauch des Todes blähte die Segel der Totenkopffregatten auf und spendierte den Antrieb für ihre Reise durch die Hoffnungslosigkeit.

Jene europäischen Piratenfilme entstanden in der ersten Hälfte der 1960er. UNBEZÄHMBARE ANGÉLIQUE ging 1967 an den Start und offeriert(e) dem Zuschauer neben Sex and Violence eine geballte Ladung Misanthropie. Mag Angélique die Zügel zu Beginn noch fest in ihren zarten Händchen halten (was der Herzog de Vivonne mittels einer Erpressung und manch beiläufiger Erniedrigung am eigenen Leibe erfährt), so entgleiten ihr diese mit zunehmender Spieldauer. Denn nachdem Angélique von d'Escrainville aus dem Meer gezogen wird, ist bis auf weiteres Schluss mit Lustig, denn d'Escrainville kann ihr das lose Mundwerk rasch stopfen. Doch wer ist dieser Dompteur? Nun, der opiumsüchtige D'Escrainville ist ein produktiver Fabrikant von Hass und Gegenhass. Er ist unerbittlich! Und sollte sich eine Frau diesem Scheusal nicht hingeben, dann nimmt er sie mit Gewalt. Was die Verweigerung allerdings nicht vergessen macht und somit hart gestraft werden muss. Und hätte sein engster Vertrauter, Coriano, nicht das überzeugende Argument in petto, dass man für Angélique auf dem Sklavenmarkt unermesslichen Reichtum einfahren könnte, dann wäre Frankreichs begehrtester Rotschopf zur Hauptdarstellerin einer Massenvergewaltigung geworden. Die Hohe See lässt sich halt nicht mit dem allegorischen Puppenstübchen namens Versailles vergleichen.

Aber wer könnte die Meere von diesem Scheusal als auch von den Piraten und den Sklavenhändlern befreien? In der Inhaltsangabe steht bereits die Lösung: Der Rescator! Ein Idealist, der Ludwig XVI verachtet und sich seine Antipathie gegen Frankreichs amtierenden König auf die Segel seines schwimmenden Untersatzes schrieb. Ein Mann, der streng an seiner Mission festhält und die Behauptung, dass er der Einzige sei, der gegen den König aufbegehrt, mit der Antwort: „Nein! Ich bin nur der Erste!“ entkräftet. Sein Domizil hat der tapfere Idealist unter Wasser errichtet. Dieses erreicht er mittels einer Tauchglocke aus Holz, was vermutlich als Konnotation (Jules Verne) zu verstehen ist. Im Kontext Jules Verne und Piraten kommt mir notabene dieser tolle Film mit Kirk Douglas, Yul Brynner und Aldo Sambrell in denn Sinn: DAS LICHT AM ENDE DER WELT, wo sich schmuddelige Seeräuber an Jules Vernes Romanvorlage orientieren und in wie um einen Leuchtturm herum ihr fieses Unwesen treiben.

Angélique ist freilich alles andere als schmuddelig. Sie trägt u. a. ein fesches Outfit, das an die coole Schale der Titelheldin (Gianna Maria Canale als Consuelo) auf dem bundesdeutschen Kinoplakat zu Luigi Capuanos TIGER DER MEERE erinnert. Weißes Rüschenhemd, enge schwarze Hose und kniehohe Stiefel. Angélique macht nicht nur eine gute Figur, sondern präsentiert sich mittels dieses Stylings - zumindest meines Erachtens - als die bis dato attraktivste aller Angéliques.

Es ist übrigens auffällig, wenn auch minder überraschend, dass in den italienischen Piratenlichtspielen sehr selten kesse Mädels mit Haaren auf den Zähnen und Männerhosen an den Beinen ins jeweilige Geschehen unter der wacker wehenden Totenkopffahne eintraten. Neben genanntem TIGER DER MEERE fallen mir noch Mario Costas VENUS DER PIRATEN, Mario Soldatis LUCRETIA, DIE ROTE KORSARIN und Umberto Lenzis PIRATENKAPITÄN MARY ein.

Nebst ihrer Kleider- und Dekolletéshow konnten wir in den vorangegangenen drei Filmen immer wieder Angéliques nackten Rücken beäugen. In UNBEZÄHMBARE ANGÉLIQUE wird die Textilfreiheit gar etwas nach oben geschraubt. Denn während des Sklavenmarkts muss die Titelheldin deutlich mehr ablegen, um den anwesenden Lustmolchen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Diese Taktik fruchtet natürlich, sodass der Auktionator ein astronomisches Gebot nach dem anderen registrieren kann. Angélique ist halt auch außerhalb Frankreichs über die Maßen begehrt und gefährdet die Nähte eng geschneiderter Hosen.

Es macht eh den Anschein, als hätten sich die männlichen Pro- und Antagonisten der Angélique-Filme Unmengen Aphrodisiakum einverleibt, da sich Angélique fortwährend sexueller Angriffe erwehren muss. Georg Seeßlen hat sich dito zu diesem Thema Gedanken gemacht und schreibt: „So spiegeln die Angélique-Filme das problematische Verhältnis der 60er Jahre zur Sexualität wieder, eine aufkeimende Lust am Skandalträchtigen, am leicht Perversen und am Sensationellen, welche bürgerliche Schwierigkeiten mit der Erotik in Überdimensionale projiziert.“

Angélique-Stammregisseur Bernard Borderie hat mit UNBEZÄHMBARE ANGÉLIQUE den bis dato „härtesten“ Film der Angélique-Reihe inszeniert. Inmitten rauer Sitten und niedrig positionierten Hemmschwellen kann Angélique diesmal auch nicht so mir nichts, dir nichts mit flinker Zunge prekären Situationen entrinnen. Schließlich ist mit Eintritt von d'Escrainville, Coriano und einigen sexhungrigen Piraten erst einmal Schluss mit Lustig und das rothaarige Kätzchen muss vorerst seine Krallen einfahren…

…ach so, haben Sie eigentlich jemals was von den Katzen von Candia gehört? Angélique auch nicht, aber nach ihrem Zusammentreffen mit den Biestern darf man nicht von einer unbezähmbaren, sondern von einer handzahmen Angélique reden. Ja, ja, so ist das nun mal und irgendwie war es auch wieder ganz toll, was mir Borderies vierter Angélique-Film so alles lieferte.
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Prisma
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Re: ANGELIQUE 4 (UNBEZÄHMBARE ANGELIQUE) -

Beitrag von Prisma »



"Unzähmbare Angélique" muss ich mir genau wie den Nachfolger bei Gelegenheit wieder anschauen, da meine Erinnerung hier nicht so gut ist, wie bei den ersten drei Teilen. Vermutlich habe ich mir die einfach häufiger angesehen und dann zwischendrin aufgehört.

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Sid Vicious
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Re: ANGELIQUE 4 (UNBEZÄHMBARE ANGELIQUE) -

Beitrag von Sid Vicious »

Prisma hat geschrieben:
Sa., 11.05.2024 21:38


"Unzähmbare Angélique" muss ich mir genau wie den Nachfolger bei Gelegenheit wieder anschauen, da meine Erinnerung hier nicht so gut ist, wie bei den ersten drei Teilen. Vermutlich habe ich mir die einfach häufiger angesehen und dann zwischendrin aufgehört.
UNBEZÄHMBARE ANGELIQUE habe ich als den exploitativsten in Erinnerung behalten. Fiesere Charaktere, mehr Nacktheit, der Härtegrad wurde auch raufgeschraubt. Alles super, alles gut.
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