DIE HERREN MIT DER WEIẞEN WESTE - Wolfgang Staudte

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DIE HERREN MIT DER WEIẞEN WESTE - Wolfgang Staudte

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● DIE HERREN MIT DER WEIẞEN WESTE (D|1969)
mit Martin Held, Walter Giller, Sabine Bethmann, Agnes Windeck, Hannelore Elsner, Heinz Erhardt, Rudolf Platte, Siegfried Schürenberg,
Rudolf Schündler, Willy Reichert, Herbert Fux, Norbert Grupe, Tilo von Berlepsch, Friedrich Schoenfelder, Max Nosseck und Mario Adorf
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Verleih der United Artists
ein Film von Wolfgang Staudte

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»Dandys gibts wie Sand am Meer!«


Jahrelang konnte Obergerichtsrat Zänker (Martin Held) den Ganoven Bruno Stiegler (Mario Adorf) alias Dandy nicht dingfest machen, da es stets an Beweisen fehlte. Mittlerweile pensioniert, ist der Wunsch nach Gerechtigkeit ungebrochen, doch Zänker bedient sich ab sofort der Mittel seiner Gegenspieler und kommt der Ganovenbande bei ihren geplanten Einbrüchen zuvor, allerdings mit nicht ganz legalen Mitteln. Gemeinsam mit seiner Schwester Elisabeth (Agnes Windeck) und seinen ebenfalls betagten Freunden, wird ein Ding nach dem anderen gedreht. Dandy wird langsam aber sicher nervös und nimmt Zänkers Informanten Pietsch (Rudolf Platte) in die Zange...

Wirklich gelungene und mit geistreichem Humor ausgestattete Gaunerkomödien wirken in der Filmlandschaft der Bundesrepublik auf den ersten Blick etwas rar gesät, doch es lassen sich zahlreiche Produktionen ausfindig machen, die auch heute noch mit Leichtigkeit punkten können, auch im TV-Bereich. Wolfgang Staudtes "Die Herren mit der weißen Weste" wurde seinerzeit mit dem Prädikat "wertvoll" ausgezeichnet und kann mit Dynamik und Leichtfüßigkeit überzeugen. Die Geschichte rund um eine alte Herrenriege, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, einen bislang nicht verurteilten Verbrecher endlich dingfest zu machen, verfügt über einen cleveren Inhalt und lässt sich neben der Hauptaufgabe etwas Zeit, auf Nebenschauplätzen zu spielen, was vor allem heißt, die beteiligten Charaktere etwas genauer vorzustellen; ein Luxus, der nicht immer zu finden war. Martin Held als Obergerichtsrat a. D. glänzt ebenso wie in dem einige Jahre zuvor von Alfred Vohrer inszenierten "Lange Beine - Lange Finger" mit Bravour. In nahezu weltmännischer Manier und mit völlig integrer Fassade dominiert er diesen Fall nach Belieben. Da der lange und gewünscht strenge Arm der Justiz seinerzeit zu kurz war, wechselt er kurzerhand die Seiten und bedient sich prompt derselben Maßnahmen wie sein Gegenspieler Dandy, der soeben aus den USA zurückgekehrt ist, von Mario Adorf bei dieser Gelegenheit einen bemerkenswerten Anstrich bekommt. Obergerichtsrat Zenker scheinen seine täglichen Spielchen, seinen Schwiegersohn aufs Glatteis zu führen, nicht auszufüllen, sodass der Zeitpunkt gekommen scheint, zum Angriff überzugehen. Da er und seine Kollegen, die jeweils wichtige Funktionen bei den Operationen übernehmen, die Zeit und Muße zur Ausarbeitung der Pläne und einen V-Mann haben, wird das unbeschwerte und vor allem unbehelligte Leben für Dandy und seine Bande zusehends schwerer.

Minutiös ausgearbeitet sind die Pläne beider Seiten, doch unterscheiden sich in einem wichtigen Aspekt bei der Durchführung: Die Herren mit der noch weißen Weste sind den Gaunern immer einen entscheidenden Schritt voraus, obwohl sie einige Jahre mehr auf dem Buckel haben. Regisseur Staudte inszeniert seine Entourage klassisch und in weiten Teilen prominent, sodass ein großer Spaß an der Sache zu bemerken ist. Hierbei lassen sich ausgewiesene Komödianten finden, wie etwa Heinz Erhardt, dessen Rolle allerdings diejenige bleibt, die am wenigsten in die eigenwillige Kombination passen will, da seine zitierend wirkenden Passagen aufgesetzt wirken. Die meisten seiner Kollegen haben sich aus dramaturgischer Sicht ohnehin zurückzuhalten, da das komödiantische Feld Martin Held, Agnes Windeck oder Mario Adorf gehört, doch es gibt zahlreiche Zubringer, die ihre Sache wirklich ausgezeichnet machen. Hier zu nennen sind Rudolf Platte, Hanelore Elsner, Walter Giller oder Siegfried Schürenberg. Etliche Darsteller gehören zur langjährigen Rialto-Entourage und es ist gut, zu sehen, dass die Produktionsfirma in ihrer Wallace-Pause nicht untätig war, um neue oder gewohnte Territorien zu erschließen. Unter Wolfgang Staudtes Regie bekommt das Publikum einen klaren, wenn nicht sogar episodenhaften Aufbau geboten, dessen laute und subtile Töne vieles im Bereich gelungener Dialogarbeit, pointierten Humors, treffgenauer Darstellkunst und durchgehendem Spaß abdecken. Überhaupt wirkt der Film wie ein Ausreißer im deutschen Film dieser Zeit, der sich so viel an einheitlichen Modellen abzuarbeiten versuchte, dabei naturgemäß nicht immer das richtige Maß finden konnte. Mit gut aufgelegten Schauspielern geht dieses eigentlich einfache Konzept, dass dennoch viele Fallstricke birgt, schließlich wie von selbst auf, sodass der Zuschauer sich darauf verlassen kann, dass auch gelacht werden darf.

Martin Held stellt wie erwähnt eine Klasse für sich dar, der mit augenzwinkerndem Humor und erhobenem Zeigefinger agiert, um seinen Kontrahenten in den Wahnsinn, anschließend ins Gefängnis zu treiben. Das Vorgehen der älteren Herren ist geprägt von Charme, Witz und Planung, verzichtet dabei völlig auf gewaltsame Passagen. Im Rahmen der Eigendynamik hat Held sicherlich die besten Szenen mit Mario Adorf, Walter Giller aber vor allem Agnes Windeck, die hier die schwerhörige Schwester des Frontmannes interpretiert. Ihr schlechtes Hörvermögen mutiert sofort zu einem Running Gag, ihr Schauspiel ist wie gewöhnlich eine eigene Marke. Walter Giller bekommt die großen Fußstapfen seines Schwiegervaters immer wieder höchstpersönlich eben von diesem vor Augen geführt, hinterlässt ebenso wie Sabine Bethmann einen sympathischen Eindruck. Als Dandys Ganovenliebchen forciert eine entfesselte Hanelore Elsner die Sinne des Publikums, kann dabei für eine besondere Aura und beschwingte Momente sorgen. Auch Rudolf Platte oder Siegfried Schürenberg überzeugen mit Routine und Hingebung, was vor allem auch für Mario Adorf gilt, der es mit einem klischeehaften Anstrich des aalglatt wirkenden Gauners versucht, um so für noch mehr Überzeugung zu sorgen, da er die Kunst der angemessenen Übertreibung und Ironie beherrscht und gewinnbringend in das Szenario integriert. Ja, diese hochkarätige Besetzung ist tatsächlich mehr als nur die halbe Miete, sodass es insgesamt zu keinerlei Aussetzern kommt. Dies gilt ebenso für die besonders gut abgestimmte, pointierte und fantasievolle Inszenierung, die von Anfang an keinen Hehl daraus macht, wo die Reise hinführen wird. "Die Herren mit der weißen Weste" behält in allen Bereichen der Inszenierung sozusagen eine weiße Weste, und es bereitet insgesamt wirklich ein großes Vergnügen, dabei zuzusehen, wie Pläne bestenfalls aufgehen oder plötzlich in Stücke zerfallen.

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