TONGS - TERROR IN CHINATOWN - Philip Chan

Klirrende Klingen, fliegende Krieger und harte Handkantenkracher.
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DJANGOdzilla
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TONGS - TERROR IN CHINATOWN - Philip Chan

Beitrag von DJANGOdzilla »

TONGS – TERROR IN CHINATOWN

(TONG HAN GOO SI)
(TONGS – A CHINATOWN STORY)

(HK, USA)
(1986)

Bild

Regie: Philip Chan
Darsteller: Simon Yam Tat-Wah, Tam Tak-Ban, Christopher O'Connor, Lau Dan, Quitan Han, Daisey Yung Nga-Wan, Maria Yuen Chi-Wai, Anthony Glora


Inhalt:

Mickey und Paul Lee [Simon Yam und Tam Tak-Ban], zwei jugendliche Hongkong-Chinesen, immigrieren in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo sie sich eine bessere Zukunft erhoffen. Es dauert nicht lang, da werden sie von Chinatowns Triaden angeworben. Während Paul auf Anhieb Interesse am kriminellen Leben bekundet, versucht Mickey, ehrbar zu bleiben und dem Verbrechen aus dem Wege zu gehen. Doch die zweifelhaften Machenschaften seines Bruders treiben ihn immer wieder zwischen die Fronten.

Kritik:

Wenn man Philip Chan überhaupt kennt, dann wohl in erster Linie als Darsteller. Dabei agierte er auch vor der Kamera nicht übertrieben häufig, aber seine Rollen waren in der Regel ziemlich prägnant. Den unwirschen Vorgesetzten im Action-Orkan HARD BOILED [1992] vergisst man jedenfalls nicht mehr so schnell. Dass Chan auch häufiger mal auf dem Regiestuhl Platz nahm, um im Hintergrund die Strippen zu ziehen, ist hingegen wohl deutlich weniger bekannt. Nach dem inhaltlich reichlich abstrusen Asien-Giallo NIGHT CALLER [1985] inszenierte er mit TONGS einen für das damalige Hongkong-Kino deutlich charakteristischeren Beitrag, der die Tugenden des hauseigenen Heroic Bloodshed-Genres mit denen des amerikanischen Bandendramas kombiniert und dabei eine auffallend souveräne Figur macht. Inhaltliche Innovationen hatte man sich dabei allerdings größtenteils verkniffen, sodass einem mancher Moment und Fortlauf doch arg bekannt vorkommt und das Geschehen generell recht überraschungsfrei bleibt. Ausreichend einnehmend geriet sie dennoch, die altbekannte Story vom Aufstieg und Fall im Gangster-Milieu – wobei der Reiz in diesem Falle vor allem darin liegt, dass der Protagonist eigentlich intendiert, allem Ungemach aus dem Wege zu gehen und die Verbrecher-Laufbahn am Ende mehr oder minder unfreiwillig einschlägt.

Genau an dieser Stelle spielt TONGS seine Karten aus und zeichnet (ohne erhobenen Zeigefinger) eine von Stereotypen geprägte Gesellschaft, die junge, frisch in die USA immigrierte Chinesen regelrecht in vorgefertigte Pfade zwängt. Dass Mickey, der von Simon Yam großartig verkörperte Held der Geschichte, trotz aller gegenteiliger Bestrebungen schließlich dennoch zum Triaden-Mitglied wird, ist somit im Grunde lediglich Resultat einer Selbsterfüllenden Prophezeiung. Gut, einer intensiveren Belastungsprobe hielte diese Behauptung nicht stand, ist der finale Auslöser letzten Endes der von der Autorenschaft fachgerecht installierte Konflikt mit des Protagonisten Bruder Paul, welcher wiederum von Beginn an keine Berührungsängste vor halbseidenen Geschäften an den Tag legte und somit für seinen Blutsverwandten als ungewollte Unterwelts-Eintrittskarte fungiert. Die unerschütterliche Verbundenheit der jungen Männer, die selbst dann noch anhält, als sie sich für grundlegend verschiedene Wege entscheiden, wird dabei nicht nur durch simple Familien-Bande erklärt, sondern vor allem durch ein gemeinsam erlebtes Kindheits-Trauma: In einem überraschend aufwändig und spannend gestalteten Prolog flieht deren Familie im Jahre 1968, während der sogenannten Kulturrevolution, vor den mordenden Roten Garden Mao Zedongs und rettet dabei nicht nur durch Glück und Geschick, sondern vor allem auch dank der Disziplin und Geistesgegenwart des sich noch im Knabenalter befindlichen Mickey ihre heile Haut. Das macht nicht nur das spätere innere Band der beiden Brüder plausibel, sondern erklärt auch, warum eine von der Menschheit erschütterte Seele sich ohne Not für das Beschreiten dunkler Pfade entscheidet.

Aufwühlend hingegen geriet es kaum. Zwar versteht man als Zuschauer die Zusammenhänge, Aktionen und Reaktionen ergeben Sinn und die Ereignisse bauen folgerichtig aufeinander auf, aber eine emotionale Einbindung bleibt aus und immer mal wieder ertappt man sich zwischendurch als teilnahmslosen Zaungast. Das beengte 90-Minuten-Korsett steht TONGS nicht wirklich, die Geschichte, die durchaus epische Züge trägt, hätte deutlich mehr Breite und Raum zur freien Entfaltung verdient. Da findet Mickey eine Freundin, die sympathische Mitarbeiterin einer Reinigung, und verlebt mit ihr ein paar schöne Stunden auf den Straßen New Yorks. Später streiten und trennen sie sich, da Unterwelt-Karriere und arglose Beziehung bekanntlich nur schwerlich unter einen Hut zu bringen sind. Nur lässt einen der auf offener Straße und mit viel Tränen und Trara stattfindende Bruch völlig kalt, da sich beide gefühlt erst vor 5 Minuten kennengelernt haben und die junge Dame seitdem auch nie wieder durchs Bild laufen durfte. Die im Anschluss stattfindende Gangster-Karriere geht dann ebenfalls im Eiltempo und auch reichlich reibungslos über die Bühne. Aus dramaturgischer Sicht eigentlich viel zu spät werden mit den Polizisten Martinelli und Silverman aus heiterem Himmel dann noch zwei zusätzliche Charaktere eingeführt, wobei einer von denen dann auch noch ein falsches Spiel treibt. Zusammen mit den einzelnen Banden-Mitgliedern sowie eigentlich sinnlosen Nebenrollen wie den sich zu profilieren versuchenden Sensations-Reporter Harper, bevölkern dann am Ende viel zu viele Figuren diesen Kosmos, als dass man eine Verbindung zu ihnen aufbauen könnte.

All das hat gleichzeitig aber natürlich auch den Vorteil, dass hier wirklich ständig etwas los ist und Durststrecken nahezu vollkommen ausbleiben. TONGS zieht sein Programm straff durch und ist dabei handwerklich von Anfang bis Ende kompetent gestaltet. Die Schauplätze wirken authentisch eingefangen und viele Szenen wirklich wie improvisiert und „direkt von der Straße“. Getragen wird die Chose hauptsächlich vom damals bereits 30-jährigen Simon Yam [→ AMERICAN YAKUZA II], der zu Beginn locker noch als idealistischer Jugendlicher durchgeht, aber auch in seinem späteren Stadium als gereifter „Boss“ überzeugen kann. Der Rest der Belegschaft liefert allerdings ebenfalls gut ab, obwohl man es mit überwiegend unbekannteren Namen zu tun hat. Ebenso erstaunlich wie erfreulich ist es dabei, dass hier sogar die amerikanischen Cop-Darsteller schauspielerisch etwas auf dem Kasten haben. Tatsächlich waren westliche Darsteller in Hongkong-Filmen, die in den USA spielen, immer ein kleines Problem, gaben sich die Produzenten doch offenbar überwiegend mit dem Erstbesten zufrieden. Dass das hier eben nicht der Fall ist, darf durchaus als Beweis dafür gelten, dass einem das Projekt ausreichend am Herzen lag.

Dass TONGS fast überall als Actionfilm vermarktet wurde, ist wenig verwunderlich, denn sowas verkauft sich immer gut. Tatsächlich aber inszenierte Philip Chan hier in erster Linie ein Milieu- und Charakter-Drama, das im ersten Punkt deutlich überzeugender geriet als im zweiten. Etwas Action gibt es allerdings trotzdem, überwiegend bestehend aus dem obligatorischen Bandenkriegs-Gehabe wie Keilerei, Messer- und Machetenmissbrauch sowie die berühmten tödlichen Schüsse aus dem fahrenden Wagen heraus. Aber das beherrscht nie das Geschehen und ist in der Regel auch hurtig wieder vorbei. Elemente wie die unerschütterliche Bruderliebe, die bestehen bleibt, obwohl beide Parteien auf verschiedenen Seiten stehen, was man sich schluchzend und tränenreich bekundet, erinnern natürlich stark an das Kino eines John Woo, der diesbezüglich mit A BETTER TOMORROW einen Meilenstein fabrizierte. Da dieser aber im selben Jahr entstand, dürften die Überschneidungen eher dem Zufall geschuldet sein.

TONGS – A CHINATOWN STORY (wie er im Original eigentlich komplett heißt) reißt somit am Ende keine Bäume aus, ist aber dennoch ein gediegenes Unterhaltungsprogramm, das Genre-Freunden zwar nichts Neues präsentiert, aber altbewährte Zutaten neu aufkocht, geschmackvoll zubereitet und versiert serviert. Die deutsche Synchronfassung behielt dabei ebenso erfreulicher- wie ungewöhnlicherweise die Bilingualität der Dialoge bei, was den zu Grunde liegenden Authentizitäts-Charakter weiterhin spürbar macht. Die klobig und ungelenk ins Bild geklatschten deutschen Untertitel bei den chinesischsprachigen Dialogen hätte vor Abgabe allerdings gern noch mal jemand Korrektur lesen dürfen.

s. auch: TONGS - TERROR IN CHINATOWN

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