Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

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Richie Pistilli
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Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

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TERZA VISIONE - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07 – 23.07.2023)


Die 9. Festival-Ausgabe von 19. bis 23 Juli 2023 im Kino des DFF begibt sich erneut auf eine Reise durch die bunte und vielfältige Welt des italienischen Genrekinos. „Terza Visione“ bedeutet „Dritte Spielzeit“ und ist einer früher in Italien üblichen Bezeichnung für Nachspielkinos entlehnt. Im Fokus steht das populäre italienische Kino der 1950er bis 1980er Jahre, das in seiner Blütezeit einen Großteil der nationalen Filmproduktion ausmachte. Der schiere Umfang dieses filmischen Kosmos brachte unterschiedliche künstlerische Handschriften hervor, die das Programm facettenreich beleuchtet. Am Sonntag erweitert ein „internationaler Tag“ den Blick über Italien hinaus auf das internationale Genrekino, das vor allem in Europa von gegenseitiger Beeinflussung und Inspiration geprägt war. Alle 18 Langfilme des Programms sind in analogen 35mm-Filmkopien zu sehen, die aus zahlreichen Filmarchiven aus verschiedenen Ländern stammen. Ergänzend sind bei einigen Vorführungen vorab Einführungen, Kurzfilme oder historische Kinotrailer zu sehen. Besonders freuen wir uns, zum Eröffnungsabend am 19.7. den Regisseur Dario Argento begrüßen zu dürfen, dem im Juli im Kino des DFF eine Hommage gewidmet ist.

Ticketinfo: Die Festival-Dauerkarte (80,- Euro), diesmal lediglich gültig vom 20.-23. Juli, ist vom 21. Juni, 15 Uhr, an online und an der Kasse als kostenfreies „Reservierungs-Ticket“ reservierbar (kann jedoch erst ab 18. Juli vor Ort abgeholt und bezahlt werden).

Wichtiger Hinweis: Tickets für die Hommage an und die Foyergespräche mit Dario Argento am 18. und 19. Juli müssen separat online oder an der Kasse erworben werden. VVK-Start: 21. Juni, 15 Uhr.

https://www.dff.film/kino/kinoprogramm/ ... a-visione/




Programmübersicht für 18. und 19. Juli:


Warm-Up bereits am Di, 18.7., um 19:15 Uhr im Foyer des DFF:

Argento-Gespräch 1: Mord und Magie
Dario Argento im Gespräch mit Leonhard Elias Lemke
Italienisch mit deutscher Übersetzung


Am Mi, 19.7.: Terza-Visione-Auftaktabend meets Hommage Dario Argento:

17 Uhr: L’UCCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO (1970)
(Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe, 35mm, OmeU)


19:15 Uhr: Argento-Gespräch 2: Noir und Romantik
Dario Argento im Gespräch mit Christoph Draxtra
Italienisch mit deutscher Übersetzung


21 Uhr: IL FANTASMA DELL’OPERA (1998)
(Das Phantom der Oper, 35mm, OmeU)


Tickets für Argento-Gespräch am 19.7.: 12,- Euro (ermäßigt 8,- Euro in Kombination mit Terza-Visione-Dauerkarte)
Tickets für Argento-Filme am 19.7.: 8,- Euro (ermäßigt 6,- Euro in Kombination mit Terza-Visione-Dauerkarte)

https://www.dff.film/kino/kinoprogramm/ ... o-argento/



Donnerstag, 20.07.2023


13:00: OPERAZIONE SAN PIETRO - Die Abenteuer des Kardinal Braun
Italien/Frankreich/BRD 1967. R: Lucio Fulci. D: Lando Buzzanca, Jean-Claude Brialy, Heinz Rühmann. 98 Min. 35mm. OmeU
Italian original version mit English subtitles
Filmreihe: Terza Visione

Frisch nach der Trennung des Komikerduos Franco und Ciccio verweilt Lucio Fulci vorerst im Komödiengenre, fügt seinem Œuvre aber auch ein neues, entscheidendes Element hinzu: Die Auseinandersetzung mit dem Thema Religion. Zwei Gangsterbanden – eine improvisierte Laientruppe um einen Taschendieb und einen Gebrauchtwagenhändler, und die Schergen eines senil gewordenen amerikanischen Mafiabosses – treffen im Vatikan aufeinander, das Objekt der Begierde ist Michelangelos Pietà. Fast beiläufig kreuzt Fulci die verschiedenen Fäden. Sein Film fungiert gleichzeitig als Quasi-Fortsetzung zu Dino Risis Kassenschlager OPERAZIONE SAN GENNARO aus dem Vorjahr, als inoffizielles Addendum zu den „Pater Brown“-Filmen mit Heinz Rühmann, und als Requiem für Edward G. Robinsons Gangster-Persona der 1930er Jahre.



15:30: METTI, UNA SERA A CENA - Warum nicht eines Abends bei Tisch
Italien 1969. R: Giuseppe Patroni Griffi. D: Florinda Bolkan, Tony Musante, Jean-Louis Trintignant. 125 Min. 35mm. OmeU
Italian original version with English subtitles

Bevor er selbst Regie führte, sammelte Dario Argento erste Erfahrungen im Filmgeschäft als Drehbuchautor. Hauptsächlich erfüllte er dabei Auftragsarbeiten, die keine große Bedeutung für ihn hatten. Anders verhielt es sich bei METTI, UNA SERA A CENA: Hier arbeitete er am gleichnamigen Theaterstück von Regisseur Giuseppe Patroni Griffi, einem elegant-abgründigen Konversationsdrama über zwei Paare, die zu luxuriösen Diners zusammenkommen, philosophische Gespräche über die Liebe führen und sich in erotischen Spielen üben. Argento sollte die Vorlage leinwandtauglicher machen – wozu er das Stück letztlich fast vollständig umschrieb. Erstmals erprobte er sich dabei an jenen Suspense-Mechanismen, die er später in seinen eigenen Filmen ausfeilen sollte, und wandte sie hier auf die Welt der sexuellen Libertinage an. Der Film wurde ein großer Erfolg und überzeugte den Chef der Titanus, dass man dem jungen Schreiberling auch eine Regiearbeit zutrauen könnte – geebnet war der Weg für L'UCCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO (zu sehen am 1. und 19. Juli).



20:00: BUIO OMEGA - Sado - Stoß das Tor zur Hölle auf
Italien 1979. R: Joe D'Amato. D: Kieran Canter, Cinzia Monreale, Franca Stoppi. 93 Min. 35mm. OmeU
Italian original version with English subtitles
Mit Vortrag

In Deutschland mehrfach beschlagnahmt, fast 40 Jahre auf dem Index: Der berüchtigte Skandalfilm BUIO OMEGA hat Joe D’Amato einen Ruf als harter Horrorfilmemacher beschert, der er so im Grunde nie gewesen ist. Von seinen rund 200 Filmen könnte man letztendlich nur sechs als „reine“ Horrorfilme bezeichnen. BUIO OMEGA ist ein Remake des Films IL TERZO OCCHIO von D’Amatos Freund Mino Guerrini, der wiederum stark von Hitchcocks PSYCHO (1960) inspiriert ist: Darin verarbeitet der Tierpräparator Frank seine Trauer über den Tod seiner Frau Anna, indem er ihren Leichnam konserviert. Dabei werden alle, die über sein düsteres Geheimnis stolpern, konsequent zum Schweigen gebracht. Die loyale Haushälterin Iris, seine ehemalige Amme, nimmt ihren Beruf ernst und räumt konsequent hinter ihm auf. Doch drei sind immer eine(r) zu viel, selbst wenn eine davon nicht mehr am Leben ist...



22:45: EVA MAN (DUE SESSI IN UNO) - Zwei Geschlechter in einem
Italien/Spanien 1980. R: Antonio D'Agostino. D: Eva Robin’s, Ajita Wilson, Ramón Centenero. 78 Min. 35mm. OmeU
Italian original version with English subtitles

Eva ist sowohl mit weiblichen als auch mit männlichen Geschlechtsmerkmalen ausgestattet und folglich die ideale Testperson für den „Sexmaker,“ eine spektakuläre neue Erfindung, die das Lustempfinden von Frauen wie Männern ins Unendliche steigern kann. Doch auch Gangster haben es darauf abgesehen und kidnappen Eva, die nun auf die Hilfe der Tänzerin Ajita angewiesen ist. Noch so manch verwegenen Haken schlägt der krude B-Movie-Plot, doch sie alle stehen ganz im Dienste der beiden Hauptdarstellerinnen, den populärsten Transfrauen des europäischen Exploitationkinos: Eva Robin’s und Ajita Wilson, deren unbändige sexuelle Energie der Film vorbehaltlos zelebriert. EVA MAN pendelt unbekümmert zwischen Sex, Action und sommerlichen Hangout-Fugen, zwischen Easy Listening und Disco – und zwischen den Geschlechtergrenzen.



Freitag, 21.07.2023:


12:30: LA CONTROFIGURA - Liebe ist wie ein Sturm
Italien 1971. R: Romolo Guerrieri. D: Ewa Aulin, Jean Sorel, Lucia Bosè. 89 Min. 35mm. DF
Mit Vorfilm: ISOLE DI FUOCO (FEUERINSELN)
Italien 1954. R: Vittorio De Seta. 9 Min. 35mm. DF

Ein lakonischer Einstieg wie aus einem Noir: Ein Mann fährt mit seinem Sportwagen in eine Tiefgarage, wird dort von einem Älteren niedergeschossen. Während er in Slow-Motion zu Boden geht, lässt der Sterbende die zurückliegenden Ereignisse in mehreren Flashbacks Revue passieren. Romolo Guerrieris Verfilmung des gleichnamigen Romans von Libero Bigiaretti (erschienen 1968) erzählt die Geschichte von Frank, einem bekennenden Dandy, der sich mehr und mehr in die Idee hineinsteigert, seine junge, aufreizende Freundin Lucia habe eine Affäre mit einer Urlaubsbekanntschaft in Marokko. Die Ebenen von Realität und Fantasie zerfließen zusehends, es wird mysteriös. Der gialleske Plot verzichtet dabei weitgehend aufs Exploitative, vielmehr legt der nie fürs Heimkino veröffentliche Film Wert auf sanft-sommerliche Bilder zu lieblichen Klängen.



16:00: UN AMORE (1965) - Eine Liebe
Italien/Frankreich 1965. R: Gianni Vernuccio. D: Agnès Spaak, Rossano Brazzi, Gérard Blain. 95 Min. 35mm. OmeU
Italian original version with English subtitles

Un amore a Milano: Antonio, ein Mann um die Fünfzig, ist ein wohlhabender Architekt aus der Mailänder Upper Class. Bei der Arbeit ist er selten zu sehen, zu den krampfigen Abendgesellschaften mit seiner Mutter, Freunden und Würdenträgern kommt er dennoch zu spät und plappert nervös vor sich hin. Was er zu vertuschen versucht: Der feine Junggeselle sucht gerne ein Etablissement auf, wo ihm von einer „Partnervermittlerin“ Frauen vermittelt werden – sehr junge Frauen, so wie er sie besonders möge. Als ihm die junge Balletttänzerin Aide vorgestellt wird, ändert sich für Antonio vieles. Die Unverbindlichkeit im Umgang mit den Call Girls weicht nun selbstgerechtem Besitzdenken. Während er gereizt durch das elegant wie melancholisch anmutende Mailand streift, liegt der Fokus der Kamera auf seinem strengen Gesicht.



20:00: PIZZA CONNECTION
Italien 1985. R: Damiano Damiani. D: Michele Placido, Mark Chase, Simona Cavallari. 116 Min. 35mm. DF

Mario Vialone arbeitet offiziell als Pizzabäcker in New York und inoffiziell für die Mafia. Als er nach Palermo kommt, besucht er nicht nur seine Familie, sondern plant auch ein Attentat auf den Oberstaatsanwalt, der die Drogengeschäfte der Mafia bedroht. Dazu möchte er auch seinen Bruder Michele rekrutieren, doch diesen plagen Gewissensbisse. Marios Loyalität wird auf die Probe gestellt. Am Ende steht fest: Blut ist dicker als Wasser. Nur wessen Blut? Damianis Spätwerk nimmt sich gekonnt seinem wichtigsten Sujet an und schafft einen atmosphärisch dichten und wütenden Film, der sich mehr auf familiäre Dynamiken als auf die polizeiliche Ermittlung konzentriert. PIZZA CONNECTION war Damianis vorletzter Festivalerfolg und für den Goldenen Bären nominiert.



22:45: STRIDULUM (THE VISITOR) - Die Außerirdischen
Italien 1979. R: Giulio Paradisi. D: Mel Ferrer, Glenn Ford, Lance Henriksen. 101 Min. 35mm. Engl. OF
English original version
Mit Trailershow

Barbara ahnt, dass mit ihrer Tochter Katy irgendwas nicht stimmt: Tatsächlich hat sie nicht nur telekinetische Fähigkeiten, sondern wird auch von sinistren Kräften umworben, allen voran einer Geheimgesellschaft, angeführt von Dr. Walker. Giulio Paradisi, der zuvor als Schauspieler und Regieassistent arbeitete, drehte für den Produzenten Ovidio G. Assonitis diesen ungewöhnlichen Science-Fiction-Horrorfilm, der nicht nur die drei erfolgreichen US-Okkulthorrorfilme THE EXORCIST, THE OMEN und ROSEMARY’S BABY amalgamiert, sondern auch mit Elementen aus CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND und dem Mystizismus des Spätwerks von Philip K. Dick kreuzt



Sa, 22.07.2023:


14:00: LA CORONA DI FERRO - Die eiserne Krone (The Iron Crown)
Italien 1941. R: Alessandro Blasetti. D: Elisa Cegani, Luisa Ferida, Gino Cervi, Massimo Girotti. 109 Min. 35mm. OmeU
Italian original version with English subtitles

Einer der ungewöhnlichsten Filme der Mussolini-Ära: Angesiedelt im 13. Jahrhundert und ausgepolstert mit imposanten Massenszenen mag er zwar die Bedingungen an ein stattliches Historienepos erfüllen, doch mit seinen märchenhaften Kulissen, glitzernden Kostümen und seinem hemmungslos eklektischen Zugriff auf allerlei mythologische, fantastische und romantische Motive, wirkt er vielmehr wie ein früher Vorläufer des Peplum-Booms. Alessandro Blasetti, großer Innovator des frühen italienischen Tonfilms, sympathisierte noch wenige Jahre zuvor mit dem Faschismus, doch diese Phase ist mit LA CORONA DI FERRO endgültig vorbei. Die Geschichte vom machtgierigen Tyrannen, der nur vom Friedensbegehren des Volkes gestürzt werden kann, spricht eine andere Sprache, die dekadent experimentierfreudige Ästhetik zeichnet ein anderes Bild. Goebbels habe gesagt, so Blasetti: ein deutscher Regisseur wäre für diesen Film erschossen worden.



16:30: NEROSUBIANCO - Attraction
Italien 1969. R: Tinto Brass. D: Terry Carter, Umberto Di Grazia, Anita Sanders. 76 Min. 35mm. DF

Irgendwo zwischen seinen Anfängen als politisch konfrontativer Avantgardist und seinem genussvoll erotomanen Spätwerk liegen die Jahre, die Tinto Brass im Swinging London verbrachte. Um den dortigen Zeitgeist einzufangen, bediente er sich hemmungslos aller ihm zur Verfügung stehenden filmischen Mittel: Im Vorgänger COL CUORE IN GOLA filterte er Antonioni durch die Ästhetik des Underground-Comics, in NEROSUBIANCO geht er noch einen Schritt weiter und verwandelt den Spaziergang einer jungen Frau durch den Hyde Park in einen reißenden psychedelischen Bewusstseinsstrom. Dessen einziger Anker ist die Band Freedom, zusammengesetzt aus vormaligen Procol Harum-Mitgliedern, die immer wieder im Bild erscheinen, um das Geschehen musikalisch zu kommentieren.



20:00: BLINDMAN - Blindman, der Vollstrecker
Italien/USA 1971. R: Ferdinando Baldi. D: Tony Anthony, Ringo Starr, Lloyd Battista. 102 Min. 35mm. DF

Nicht nur die Figur des Samurais Yojimbo wurde vom italienischen Genrekino kurzerhand „entlehnt“ und in die kargen Landschaften des Italowesterns gestellt, auch der blinde Masseur und Schwertkämpfer Zatoichi bekam sein ebenso gehandicaptes wie treffsicheres Pendant: Ferdinando Baldis BLINDMAN folgt einem namenlosen Revolverhelden, der mit seinem „Blindenstock“ auch auf Menschen schießt. Ein Held ist er dabei, entsprechend der Genretradition, nicht. Vielmehr ist er hinter 50 Mail Order Brides her, die er für eine texanische Bergarbeitersiedlung eskortierte, bis eine mexikanische Bande sie ihm abnahm. So beginnt der von Grausamkeiten gesäumte Pfad des blauäugigen Blinden. Der Filmdienst war erwartungsgemäß verstimmt, und die fürs Genre ungewohnt ausstaffierte Nacktheit rief zudem die Zensur in Großbritannien auf den Plan. Apropos Großbritannien: Der Ex-Beatle und Nebendarsteller Ringo Starr (als sadistischer Candy) steuerte den Song „Blindman“ bei. Absurd: Er schaffte es nicht in den Film. Dafür liefern die psychedelischen Vibes von Stelvio Cirpianis Score die kongeniale musikalische Untermalung für die ebenso originellen wie irrwitzigen Vorgänge, die in ihrer lustvoll karikaturesken Übersteigerung dem Film immer wieder knalligen Comic-Strip-Charakter verleihen.



22:30: PROFUMO - Lorenza
Italien 1987. R: Giuliana Gamba. D: Florence Guérin, Luciano Bartoli, Robert Egon. 98 Min. 35mm. OmU
Italian original version with German subtitles

Giuliana Gamba hat sich als erste Frau in Italien dem erotischen Film gewidmet – beflügelt durch Joe D’Amato, der ihr die Regie bei drei seiner Hardcore-Produktionen anvertraute. Sie genoss die entspannte Arbeitsatmosphäre und entschied sich dazu, für ihre erste größere Produktion im Metier zu bleiben und einen Erotikthriller zu inszenieren. PROFUMO, in dem eine Frau sich aus einer toxischen Beziehung zu befreien versucht, badet genüsslich in den Texturen des 80er-Softcore-Kinos, ist aber zugleich ganz geprägt von Gambas Freude am Spiel mit den Mechanismen des Sexfilms: „Ich habe mich gefragt, was ich als Frau gerne sehen würde, und versuchte, sexuelles Verlangen realistischer darzustellen: Was für den Mann vor allem körperlich war, habe ich als erotisch betrachtet. Ich versuchte, durch Details das Begehren zu wecken, und konzentrierte mich auf Dinge wie das Ausziehen eines Schlüpfers. Diese kleinen „Erfindungen“ waren damals Alternativen zu brutaler Penetration. Und meine Frauenfiguren waren immer aktiv in Bezug auf ihre Lust.“



So, 23.07.2023:


12:45: GODZILLA (1977)
Italien/Japan/USA 1977. R: Luigi Cozzi, Ishirô Honda, Terry O. Morse. D: Raymond Burr, Mikel Conrad, Paul Frees. 97 Min. 35mm. OmeU
Italian original version with English subtitles

Ein Triumph der Collagenkunst: Dieser Remix der amerikanischen Version des japanischen Monsterfilmklassikers von Ishirô Honda wirkt aus heutiger Sicht wie ein postmoderner Experimentalfilm und doch war der Ursprung dieses Werks rein kommerzieller Natur. Nach dem großen Erfolg des Remakes von KING KONG (1976) versprach eine Wiederaufführung von GOJIRA große Gewinne. Doch Cozzi bekam von Toho lediglich die Rechte an der amerikanischen Bearbeitung von Terry O. Morse . Der Verleih wollte keinen Schwarzweißfilm, also begann Cozzi den Film kostengünstig zu kolorieren, umzuschneiden, und Bilder aus anderen Filmen hineinzuschmuggeln. Cozzis umstrittene Entscheidung, dokumentarische Aufnahmen von Hiroshima-Opfern in den Film zu integrieren, verleihen dem Film zusätzliche Mondo-Qualitäten. Frizzi, Bixio und Tempera liefern unter dem Namen „Magnetic System“ einen zusätzlichen elektronischen Soundtrack, der den sinfonischen Score ergänzt.



16:30: PANE, VY JSTE VDOVA! - Mein Herr, Sie sind eine Witwe (You Are a Widow, Sir!)
Tschechoslowakei 1971. R: Václav Vorlícek. D: Iva Janzurová, Olga Schoberová, Eduard Cupák. 97 Min. 35mm. OmeU
Czech original version with English subtitles

Bei der Empfangszeremonie eines Marionettenstaats wird dem geladenen Monarchen von einem ungeschickten General versehentlich der Arm abgehackt. Daraufhin beschließt der König, die Armee abzuschaffen. Um seinen Plan zu vereiteln, bedienen sich die Militaristen der neuesten wissenschaftlichen Errungenschaften: Sie erschaffen aus Kalbsfleisch den Klon einer berühmten Schauspielerin, in den sie das Gehirn einer inhaftierten Serienmörderin verpflanzen, die den König umbringen soll. Als das Attentat schief geht, folgen viele weitere Körpertausche, gefährliche Operationen, Wiederauferstehungen, Bomben, und abgetrennte Gliedmaßen – allesamt mit leichter Hand und in bonbonbunten Cinemascope-Bildern dargeboten von Václav Vorlícek, einem der populärsten Regisseure des tschechoslowakischen Unterhaltungskinos. Sein bekanntester Film wird immer DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL bleiben, doch PANE war sein persönlicher Favorit – das einzige Mal, so sagt er, in dem es ihm gelang, jede einzelne Szene lustig oder interessant zu gestalten.



20:00: PEMBALASAN RATU LAUT SELATAN - Lady Terminator
Indonesien 1989. R: H. Tjut Djalil. D: Barbara Anne Constable, Christopher J. Hart, Claudia Angelique Rademaker. 82 Min. 35mm. Englische Fassung
English version

H. Tjut Djalil ist Exploitation-Fans bekannt durch Filme wie MYSTICS IN BALI (1981) und DANGEROUS SEDUCTRESS (1995). Dazwischen machte er mit LADY TERMINATOR (1988) seinen im Westen wahrscheinlich bekanntesten Film: ein so absurdes wie brutales Ripoff von James Camerons Schwarzenegger-Film, angereichert mit einer großen Portion indonesischer Folklore. Die Anthropologie-Studentin Tania wird vom bösen Geist der Südseekönigin, einer Art indonesischer Loreley, besessen. Sie beginnt; Jagd auf den Popstar Erica zu machen die letzte Nachfahrin des hundertsten Ehemannes eben jener Königin, der ihrem Treiben als Einziger Einhalt gebieten konnte. Eine Jagd auf Leben und Tod beginnt… Der im Westen hauptsächlich als Kult- oder Trashfilm wahrgenommene LADY TERMINATOR löste in seinem Land einen kleinen Skandal aus: Elf Tage nach seinem Kinostart wurde er wegen lautstarker Proteste durch Politik und Medien verboten. Doch anstatt in der Versenkung zu verschwinden, wurde der Film ins Ausland geschmuggelt und kam als illegale Videokopie nach Indonesien zurück. Erst 1994 wurde er dort in einer zensierten Fassung wieder offiziell zugänglich gemacht.



22:15: LE FRISSON DES VAMPIRES - Das Schaudern der Vampire (The Shiver of the Vampires)
Frankreich 1971. R: Jean Rollin. D: Sandra Julien, Jean-Marie Durand, Jacques Robiolles. 95 Min. 35mm. OmeU
French original version with English subtitles

Das ästhetische Feld, welches Jean Rollins dritter Langfilm erstmals ganz absteckt und das er in den darauffolgenden gut vierzig Jahren immer wieder beackern sollte: Eine romantische Liebe – hier das frisch vermählte Pärchen Isa und Antoine –, ein scheinbar verlassenes Chateau, nackte Vampirfrauen, neblige Landschaften, Einsprengsel schwarzen Humors, psychedelischer Acid-Rock, insgesamt ein surreal-anachronistisches Repertoire des Grusels, das mehr aus den frühen Serials eines Louis Feuillade als aus den zeitgleichen Ausprägungen des modernen Horror- und Terrorkinos abgeleitet scheint. „Sex und Tod, das ist das Thema von Jean Rollins Filmen, die ein Zug wunderbarer Naivität durchzieht. Die Surrealisten und die Pop Art haben ihn beeinflusst, […] die Farbgestaltung ist ein einziger psychedelischer Traum.“ (Hans Schifferle)



Infos und Tickets: https://www.dff.film/kino/kinoprogramm/ ... a-visione/ // https://www.dff.film/kino/festivals/terza-visione/

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alex_wintermute
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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von alex_wintermute »

Richie Pistilli hat geschrieben:
Do., 29.06.2023 19:10

20:00: BLINDMAN - Blindman, der Vollstrecker
Italien/USA 1971. R: Ferdinando Baldi. D: Tony Anthony, Ringo Starr, Lloyd Battista. 102 Min. 35mm. DF

Nicht nur die Figur des Samurais Yojimbo wurde vom italienischen Genrekino kurzerhand „entlehnt“ und in die kargen Landschaften des Italowesterns gestellt, auch der blinde Masseur und Schwertkämpfer Zatoichi bekam sein ebenso gehandicaptes wie treffsicheres Pendant: Ferdinando Baldis BLINDMAN folgt einem namenlosen Revolverhelden, der mit seinem „Blindenstock“ auch auf Menschen schießt. Ein Held ist er dabei, entsprechend der Genretradition, nicht. Vielmehr ist er hinter 50 Mail Order Brides her, die er für eine texanische Bergarbeitersiedlung eskortierte, bis eine mexikanische Bande sie ihm abnahm. So beginnt der von Grausamkeiten gesäumte Pfad des blauäugigen Blinden. Der Filmdienst war erwartungsgemäß verstimmt, und die fürs Genre ungewohnt ausstaffierte Nacktheit rief zudem die Zensur in Großbritannien auf den Plan. Apropos Großbritannien: Der Ex-Beatle und Nebendarsteller Ringo Starr (als sadistischer Candy) steuerte den Song „Blindman“ bei. Absurd: Er schaffte es nicht in den Film. Dafür liefern die psychedelischen Vibes von Stelvio Cirpianis Score die kongeniale musikalische Untermalung für die ebenso originellen wie irrwitzigen Vorgänge, die in ihrer lustvoll karikaturesken Übersteigerung dem Film immer wieder knalligen Comic-Strip-Charakter verleihen.

Ist in meiner Top 25 der besten Italo Western aller Zeiten. Mag den Film sehr, vor allem wegen Tony Anthony, den ich unglaublich gerne in Italo Western sehe. Leider hat er viel zu wenig Filme in dem Genre gemacht.
Richie Pistilli hat geschrieben:
Do., 29.06.2023 19:10
20:00: PEMBALASAN RATU LAUT SELATAN - Lady Terminator
Indonesien 1989. R: H. Tjut Djalil. D: Barbara Anne Constable, Christopher J. Hart, Claudia Angelique Rademaker. 82 Min. 35mm. Englische Fassung
English version

H. Tjut Djalil ist Exploitation-Fans bekannt durch Filme wie MYSTICS IN BALI (1981) und DANGEROUS SEDUCTRESS (1995). Dazwischen machte er mit LADY TERMINATOR (1988) seinen im Westen wahrscheinlich bekanntesten Film: ein so absurdes wie brutales Ripoff von James Camerons Schwarzenegger-Film, angereichert mit einer großen Portion indonesischer Folklore. Die Anthropologie-Studentin Tania wird vom bösen Geist der Südseekönigin, einer Art indonesischer Loreley, besessen. Sie beginnt; Jagd auf den Popstar Erica zu machen die letzte Nachfahrin des hundertsten Ehemannes eben jener Königin, der ihrem Treiben als Einziger Einhalt gebieten konnte. Eine Jagd auf Leben und Tod beginnt… Der im Westen hauptsächlich als Kult- oder Trashfilm wahrgenommene LADY TERMINATOR löste in seinem Land einen kleinen Skandal aus: Elf Tage nach seinem Kinostart wurde er wegen lautstarker Proteste durch Politik und Medien verboten. Doch anstatt in der Versenkung zu verschwinden, wurde der Film ins Ausland geschmuggelt und kam als illegale Videokopie nach Indonesien zurück. Erst 1994 wurde er dort in einer zensierten Fassung wieder offiziell zugänglich gemacht.

Oh ja... die Perle habe ich auch noch positiv in Erinnerung, müsste mal wieder in den Player landen. Auf großer Kinoleinwand natürlich noch besser. Dass der Film einen Skandal auslöste wusste ich bis dato nicht.
Zuletzt geändert von alex_wintermute am Sa., 01.07.2023 09:00, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von Richie Pistilli »

Ausgerechnet mit BLINDMAN bin ich absolut nicht warm geworden. Gleiches gilt für die anderen Tony Anthony-Western. ;)

LADY TERMINATOR ist bestimmt nicht schlecht, dennoch hätte ich mir auch am Sonntag viel lieber die volle Ladung an seltener italienischer Filmkost gegeben. :|

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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von Richie Pistilli »

Wird sonst noch jemand das diesjährige TERZA besuchen?

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alex_wintermute
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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von alex_wintermute »

Hm... 200 Kilometer sind mir definitiv zu weit. Wäre es in Köln, ich wäre sofort dabei.

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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von Richie Pistilli »

alex_wintermute hat geschrieben:
Di., 18.07.2023 16:16
Hm... 200 Kilometer sind mir definitiv zu weit. Wäre es in Köln, ich wäre sofort dabei.

Habe es glücklicherweise nur halb so weit bis Frankfurt.




Was den Festivaldonnerstag betrifft, so wurde auf den letzten Drücker noch Folgendes vermeldet:


Programmänderung: Leider muss der ursprünglich angekündigte OPERAZIONE SAN PIETRO - Die Abenteuer des Kardinal Braun entfallen, als Ersatz ist eine Rarität aus dem Frühwerk des Regisseurs zu sehen:


13:00 URLATORI ALLA SBARRA - Heuler am Ruder
Italien 1960. R: Lucio Fulci. D: Joe Sentieri, Adriano Celentano, Elke Sommer, Mina, Chet Baker. 83 Min. 35mm. OmeU

In der schwungvollen Musikkomödie URLATORI ALLA SBARRA (1960) gehören unter anderem Adriano Celentano, Elke Sommer und Chet Baker zur bemerkenswerten Besetzung.

Italo
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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von Italo »

Ich war an beiden Argento Abenden anwesend.

Ich kann mich schon als Argento Fan bezeichnen und nun hatte ich 2x die sehr rare Gelegenheit, einem ganz großen Meister des italienischen Kinos aus allernächster Nähe live zuzuhören. Sowas wird altersbedingt immer rarer, bzw. schwieriger und von daher habe ich einen unschätzbaren Wert in meiner Erinnerung, den mir keiner mehr nehmen kann.
Manchmal werden einem besondere Erlebnisse erst etwas später bewusst.
Außerdem ist der Preis von 12 Euro für einen solchen Abend geradezu lächerlich und ich frage mich, wie die Veranstalter das überhaupt stemmen konnten?
Sicherlich war die ganze Organisation mit einem unglaublichen Stress verbunden, den ich als Aussenstehender nur erahnen kann.

Insofern sage ich aufrichtig Dankeschön für eine vermutlich unwiederbringliche Erinnerung!

By the way, habt Ihr auch erkannt, dass ihn seine Tochter Fiore begeleitet hat?

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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von Richie Pistilli »

DSC_0169.1.jpg


War von dem Gespräch mit Dario Argento auch sehr angetan - ein unvergesslicher Abend.
Sobald sich die momentan noch vorherrschende Reizüberflutung in meinem Kopf wieder gesetzt hat, werde ich auch noch etwas zum diesjährigen Festival schreiben.
Soviel sei aber schon mal gesagt: ATTRACTION (Nerosubianco) von Tinto Brass war mein persönliches Festivalhighlight!



Podcast mit Andreas Beilharz: Italienisches Genrekino und Dario Argento
https://www.dff.film/podcast-italienisches-genrekino/

Filmfestival Terza Visione mit Hommage an Dario Argento: Symphonie der Klingen
https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/ ... 45421.html





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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von Richie Pistilli »

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Wie in jedem Jahr geht zunächst einmal ein dickes Lob an das Veranstalterteam des TERZA VISIONE raus, das uns im Schweiße ihrer Angesichter eine weitere, stets gelungene Festivalausgabe ermöglichte. Was in diesem Jahr besonders auffiel, waren fast durchweg ausverkaufte Vorstellungen, was wiederum den Schluss nahe legt, dass das familiäre Filmfestival 2023 einen gebührenden Zuwachs an Besuchern verzeichnen konnte. Neben einem Großteil des kunterbunten Film-Potpourris, das gefühlt fünf Tage lang Non-Stop über die Leinwand des DFF flimmerte, entpuppten sich die vielzähligen Einführungen der versierten Filmexperten als die wahren Festivalhighlights. Während sich Sven Safarow, Felix Mende, Christoph Draxtra, Svetlana Svyatskaya, Arthur Pokorny, André Malberg und Alexander Schultz für die herausragenden Einleitungen zu den jeweiligen Filmen verantwortlich zeigten, trumpfte Andreas Beilharz sowohl mit informativen Hintergrundinfos zu den jeweiligen 35mm-Fassungen als auch mit unfassbaren Anekdoten auf, die unverblümt den Wahnsinn widerspiegelten, der sich unweigerlich aus der mühseligen Zusammenarbeit mit verqueren Filmsammlern und verpeilten Filmarchiven ergibt. Das Ergebnis waren nicht nur falsch gelieferte Filmrollen, sondern auch frühzeitige Lieferzusagen, von denen aber einige erst wenige Tage vor Beginn des Festivals eingelöst wurden, was wiederum den Veranstaltern im Vorfeld schlaflose Nächte bereitete - und zwar über einen längeren Zeitraum. Hinzu gesellt sich eine immer restriktiver werdende Politik der europäischen Filmarchive, von denen viele während der Corona-Zeit dazu übergegangen sind, keinerlei Unikatskopien mehr herauszugeben. Eine sehr ernüchternde Entwicklung, die zukünftig zur Folge hat, dass immer seltener kuriose Raritäten gezeigt werden können, von denen lediglich noch eine 35mm-Kopie existiert.

Als Außenstehender hätte ich nie gedacht, wie unerbittlich und nervraubend die Mitarbeit im TERZA VISIONE-Veranstalterteam sein kann. Blut, Schweiß und echte Tränen!
Herzlichen Dank für Eure aufopferungsvolle Unnachgiebigkeit! Respekt!


Was die diesjährige Filmauswahl betraf, fiel diese in gewohnter Art und Weise knallbunt aus. Als Eröffnungsfilm stand am Mittwoch Nachmittag Dario Argentos Erstlingswerk DAS GEHEIMINIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE (L’UCCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO) auf dem Programm. Der mitgebrachte Alltagsstress löste sich ganz schnell in Wohlgefallen auf, nachdem mich die beeindruckende Bildgewalt des Films bereits nach wenigen Minuten in ihren Bann gezogen hatte. Was folgte, war das bereits zuvor erwähnte Gespräch mit dem Maestro (ein denkwürdiger Moment) sowie DAS PHANTOM DER OPER (IL FANTASMA DELL’OPERA), welches ich bereits zum zweiten Mal auf der großen Kinoleinwand bestaunen durfte.
Noch eine kurze Anekdote, die Italo vermutlich das Blut in den Adern stocken lässt: Dario Argento wäre wenige Minuten vor einem seiner beiden Auftritte beinahe von der mordlüsternden Fahrstuhltür des DFF-Aufzuges zerquetscht worden! Ein weiterer Schockmomement für alle Beteiligte, der für Dario aber glücklicherweise glimpflich ausging.


Der Donnerstag entpuppte sich für mich persönlich (neben dem internationalen Tag am Sonntag) als der schwächeste Festivaltag, der sogleich mit einer kleinen Enttäuschung begann. Aufgrund einer falsch gelieferten Filmfassung musste der ursprünglich geplante Lucio Fulci Film DIE ABENTEUER DES KARDINAL BRAUN (OPERAZIONE SAN PIETRO) kurzfristig durch den Musicarello URLATORI ALLA SBARRA (ebenfalls von Lucio Fulci) ersetzt werden, denn anstatt einer farbprächtigen Filmkopie im richtigen Bildformat lieferte die Cineteca DW Griffith aus Genua eine rotstichige Filmkopie im 4:3-Format. Um dem Publikum das zugestellte Desaster zu verdeutlichen, wurde diesem vor Beginn des Ersatzfilms ein ebenso rotstichiger Trailer des KARDINAL BRAUN-Films präsentiert, was wahrlich keine große Freude war. Dennoch hätte ich in Anbetracht des Ersatzfilms letztlich lieber die rotstichige KARDINAL BROWN-Kopie gesehen, denn URLATORI ALLA SBARRA holte mich absolut nicht ab. Als nächstes folgte mit METTI, UNA SERA A CENA ein Film, den ich zwar vor vielen Jahren mal gesehen hatte, aber mich an rein gar nichts mehr erinnern konnte. Kein Wunder, denn das filmisch adaptierte Theaterstück entpuppte sich trotz des großartigen Darstellerriege als ein zäher Klotz, der mit fortschreitender Laufzeit immer langatmiger wurde. Mit Joe D'Amatos SADO - STOß DAS TOR ZUR HÖLLE AUF (BUIO OMEGA) stand am Donnerstag der einzige Film auf dem Programm, dem ich einigermaßen etwas abgewinnen konnte. Zwar hätte ich anstelle Onkel Joes Schlachtplattenexzess viel lieber die Ursprungsversion (DAS DRITTE AUGE - IL TERZO OCCHIO) auf der großen Leinwand bestaunt, aber leider scheint von diesem keine 35mm-Kopie mehr auffindbar zu sein. Beim letzten Film des Abends, Antonio D'Agostinos EVA MAN (DUE SESSI IN UNO), handelte es sich zwar um eine unfassbare Kuriosität mit den beiden Transfrauen Eva Robin’s und Ajita Wilson in den Hauptrollen, die mich aber letzten Endes infolge der Ideenlosigkeit auch die meiste Zeit im Regen stehen ließ.


Mit LIEBE IST WIE EIN STURM (LA CONTROFIGURA a.k.a. LOVE INFERNO) stand am Freitag gleich ein gialloesker Filmgarant auf dem Programm, den ich bereits in der bescheidenen VHS-Fassung sehr mochte. Erstaunlicherweise war von dem Film kein deutscher Kinostart verzeichnet, obwohl von diesem eine hervorragende 35mm-Kopie für den Kinoeinsatz vorlag. Ein ganz hervorragender Film, der seine Wirkung auf der großen Leinwand erst so richtig zur Geltung brachte. Gianni Vernuccios UN AMORE plätscherte anschließend an mir vorbei, denn obwohl der von mir geschätzte Rossano Brazzi mitwirkte, konnte ich dem Film nicht viel abgewinnen. Ganz anders sah die Sachlage bei Damiano Damiani Film PIZZA CONNECTION aus, der sich auf der großen Leinwand als ein mitreißendes Glanzsstück entpuppte, das mich die gesamte Laufzeit über in seinem Bann gefangen hielt. Zum Ausklang des Abends stand dann mit Giulio Paradisi DIE AUßERIRDISCHEN (STRIDULUM) ein Genre-Clash-Spektakel der ganz besonderen Art auf dem Programm, welches sich letztlich als ein ganz hervorragender Midnight Movie entpuppte. Mochte den Film schon immer, aber im Kino war das Ganze eine noch viel derbere Nummer. Top!


Am Samstag entschloss ich mich Morgens ganz kurzfristig dazu, die einmalige Chance wahrzunehmen, um mir Dario Argentos DRACULA in der 3D-Fassung anzusehen. Zwar machte die 3D-Optik den Film nicht besser, bot aber zumindest ein außergewöhnliches Filmerleben, das man in dieser Form so schnell nicht wieder auf einer großen Leinwand bestaunen kann. Als nächstes folgte mit Alessandro Blasetti DIE EISERNE KRONE (LA CORONA DI FERRO) ein solider Vorläufer des Peplumfilms bevor dann mit ATTRACTION (NEROSUBIANCO) mein persönliches Filmhighlight auf dem Plan stand. Was Tinto Brass betrifft, so kann ich mit seinem Hauptwerk rein gar nichts anfangen. Lediglich sein aus dem Rahmen fallenden Swinging-London-Giallo ICH BIN WIE ICH BIN - DAS MÄDCHEN VON DER CARNABY-STREET hinterließ bei mir einen bleibenden Eindruck, der letztlich aber von dem fantastischen NEROSUBIANCO überlagert wurde. Inszeniert in einem collagenartigen Pop-Art-Stil erschaffte Tinto Brass ein teils avantgardistisches Glanzstück, das Themen wie Politik, sexuelle Freiheit, Religion, Rassenspannungen, Krieg und Beat-Musik vereint, während eine verheiratete Frau auf der Suche nach sich selbst tagträumerisch durch einen Park sowie eine Stadt schleicht. Für die musikalische Untermalung zeigt sich die Band Freedom verantwortlich, die sich wiederum aus gefeuerten Bandmitgliedern der Rockband Procul Harum zusammensetzt und ebenfalls in den Handlungsverlauf des Films miteingebunden wurde. Ein fantastisches Filmerlebnis! Mit BLINDMAN, DER VOLLSTRECKER (BLINDMAN) konnte ich dann Anschluss auch endlich meinen Frieden schließen, denn auf der großen Leinwand bereitete mir Ferdinando Baldis Westernspektakel erstmals Spaß. PROFUMO (LORENZA) von Giuliana Gamba zählte dann zu der Art von Filmen, mit denen ich ebenfalls rein gar nicht anfangen kann. Habe zwar den Versuch gestartet, dem Film eine Chance zu geben, der dann aber bereits nach zwanzig Minuten vorzeitig abgebrochen wurde. Es war zu diesem Zeitpunkt auch schon recht spät gewesen...


Der letzte Festivaltag wurde mit einer unfassbaren Kuriosität eröffnet, nämlich mit einem Remix eines amerikanischen Film-Mash-Ups, der auf dem japanischen Monsterfilmklassikers von Ishirô Honda beruht. Für den Remix des Mash-Ups zeigte sich kein Geringerer als Luigi Cozzi verantwortlich, der sich neben der Beimengung von weiteren Filmszenen auch für die ganz spezielle Colorierung des neuen Endprodukts verantwortlich zeigt, was GODZILLA wiederum zu einmaligen Filmerlebnis machte. Der darauffolgende Film PANE, VY JSTE VDOVA! musste ebenfalls infolge einer falsch gelieferten Filmrolle kurzfristig durch WIE WÄRE ES MIT SPINAT? (COŽ TAKHLE DÁT SI ŠPENÁT) vom gleichen Regisseur erstezt werden. Empfand den Film persönlich als sehr belanglos und obendrein unpassend. Mit LADY TERMINATOR (PEMBALASAN RATU LAUT SELATAN) strömte plötzlich ein nicht mehr enden wollender Blutfluss über die Leinwand, bevor mit Jean Rollins LE FRISSON DES VAMPIRES bereits der würdige Abschlussfilms des Festivals auf dem Programm stand. Ein audiovisuelles Filmerlebnis sondersgleichen! Einfach nur fantastisch! Ein krönender Abschluss!



Bin schon schwer gespannt, wie das nächstjährige Programm zur 10. Jubiläumsausgabe aussehen wird.
Doch zunächst steht vom 20.10. - 22.10. das ITALO-CINEMA-Festival in Nürnberg an, auf dessen Besuch ich mich auch schon sehr freue.


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Festivalbericht von Lukas Foerster:
https://www.perlentaucher.de/im-kino/ue ... kinos.html
Zuletzt geändert von Richie Pistilli am Do., 27.07.2023 22:37, insgesamt 1-mal geändert.

TRAXX
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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von TRAXX »

Cool, besten Dank für den ausführlichen Festival-Bericht! TOP!!!

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Sid Vicious
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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von Sid Vicious »

Von mir ebenfalls Lob und Dank für die Festival-Nachbetrachtung.

Im Februar 2024 feiert der Geheimnisvolle Filmclub zu GE sein 25tes. Ich glaube, da ist ebenfalls einiges Tolles, freilich Geheimes, in der Plane...
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Richie Pistilli
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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von Richie Pistilli »

Interview mit Andreas Beilharz:



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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von alex_wintermute »

Interessanter Festival Erfahrungsbericht und klasse das TERZA VISIONE so gut beim Publikum ankommt. Da scheinen einige wirklich etwas in Frankfurt verpasst zu haben. Hat zwar weniger mit dem italienischen Genrefilm zu tun, aber ich freue mich riesig auf das FFF 2023 vom 20. – 27.09.23 in Köln. Das Programm sieht bis dato wirklich nicht schlecht aus, schon 10 Filme vorgemerkt.

Andronico
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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von Andronico »

Sid Vicious hat geschrieben:
Do., 27.07.2023 11:43
Von mir ebenfalls Lob und Dank für die Festival-Nachbetrachtung.

Im Februar 2024 feiert der Geheimnisvolle Filmclub zu GE sein 25tes. Ich glaube, da ist ebenfalls einiges Tolles, freilich Geheimes, in der Plane...
Ich konnte mehrere Monate nicht an der Prunksitzung teilnehmen. Wurde bei den Veranstaltungen bereits etwas angekündigt, dass nicht soo geheim ist?

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Sid Vicious
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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von Sid Vicious »

Andronico hat geschrieben:
Di., 01.08.2023 14:21
Sid Vicious hat geschrieben:
Do., 27.07.2023 11:43
Von mir ebenfalls Lob und Dank für die Festival-Nachbetrachtung.

Im Februar 2024 feiert der Geheimnisvolle Filmclub zu GE sein 25tes. Ich glaube, da ist ebenfalls einiges Tolles, freilich Geheimes, in der Plane...
Ich konnte mehrere Monate nicht an der Prunksitzung teilnehmen. Wurde bei den Veranstaltungen bereits etwas angekündigt, dass nicht soo geheim ist?
Es blieb weiterhin alles ganz geheim.
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Richie Pistilli
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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von Richie Pistilli »

Andronico hat geschrieben:
Di., 01.08.2023 14:21
Ich konnte mehrere Monate nicht an der Prunksitzung teilnehmen.

Aufgrund meines längeren Anreisewegs konnte ich seit über einem Jahr aufgrund des weiterhin bestehenden Baustellenchaos der deutschen Bahn leider auch nicht mehr teilnehmen.
Hoffe, dass sich dieser Zustand bald mal wieder ändert. Kann samstags Morgens nur einen bestimmten IC nehmen, um pünktlich zum Filmbeginn in Gelsenkirchen zu sein. Aufgrund ständiger Zugausfälle bzw. massiven Verspätungen dieser Linie war es mir leider schon seit Längerem nicht mehr möglich, ins gelobte Land zu reisen :cry:

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Richie Pistilli
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Re: Terza Visione - 9. Festival des italienischen Genrefilms (19.07. - 23.07.2023)

Beitrag von Richie Pistilli »

Festivalbericht von Tilman Schumacher: Beglückender Budenzauber - Terza Visione 2023
https://www.critic.de/special/begluecke ... 2023-4630/

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