
H2S (It)
IT 1969
R: Roberto Faenza
D: Denis Gilmore, Lionel Stander, Carole André, Franco Valobra, Paolo Poli, Giancarlo Cobelli, Alfred Thomas, Isabel Ruth
Italo-Cinema.de
Score: Ennio Morricone
Interview: Denis Gilmore über H2S #
OFDb










H2S erzählt die irrwitzige Geschichte des leicht bizarr erscheinenden Tomassos (Denis Gilmore), der von zuhause auszog um andernorts das Gruseln zu lernen. Was liegt also näher, als in blitzeseile mit einer Raketenbahn ins London einer nicht näher bezeichneten Zukunft zu reisen, um sich dann dort sogleich von einem dubiosen Professor (Lionel Stander) in eine futuristisch wirkende Hochschule verschleppen zu lassen, an der dann wahrlich das eiskalte Grauen regiert. Nachdem Tomasso zunächst von dem maschinenbesessenen Professor über die nicht gerade alltäglichen Gepflogenheiten aufgeklärt wurde, erwartet ihn auch schon eine Privataudienz bei dem über jeglichen Verdacht erhabenen Herrscher der Hochschule (Giancarlo Cobelli), der gemeinsam mit seinem angetrauten "Ehefreak" (Paolo Poli) und dem untertänigen Professor das schulische Regime regiert. Was folgt ist nicht nur ein unfassbares Experiment mit einem roboterähnlichen Kleinkind, an dessen Ende dann tote Goldfischlein zurück bleiben, sondern auch unvorstellbare Unterrichtseinheiten, bei denen der herrschende Hochschulchef gebetsmühlenartig Parolen zur Erhaltung eines kollektiven Gehorsams in die Köpfe der freigeistigen Studentenschaft zu monologisieren versucht. Aber leider hat der reaktionäre Hochschulleiter die Rechnung ohne die aufmüpfige Studentenschaft gemacht....
Wer jetzt wissen möchte, wie diese ultrawahnwitzige Geschichte weitergeht, der kann dies gerne im Rahmen einer etwas ausführlicheren Besprechung auf ITALO-CINEMA.DE weiterlesen.





Habe selten einen dermaßen abgedrehten Wahnwitz gesehen, denn in Roberto Faenzas (ESCALATION, COPKILLER) dystopischer Fabel H2S scheinen sich jegliche Beteiligte sowohl vor als auch hinter der Kamera ein paar Sandoztröpfchen zuviel eingeflößt zu haben. Visuell kommt diese ultra wirre Filmkost einem designtechnischen Hochgenuß gleich, dessen Extravaganzen sich wie ein roter Faden durch den gesamten Filmverlauf ziehen. Hinzu gesellt sich eine völligst durchgeknallte Geschichte, welche dann auch noch über weite Strecken mit einem surrealistischen Einschlag daherkommt. Schon gleich zu Beginn erwartet den ahnungslosen Zuschauer ein haarsträubendes Experiment mit handzahmen Laborratten, wobei die gewonnenen Erkenntnisse nicht nur jeglicher Logik entbehren, sondern im weiteren Verlauf sogar als Grundlage für alle noch folgenden Proklamationen der rückwärtsgewandten Lehrerschaft dienen. Daraufhin folgt auch schon das unfassbare Experiment mit dem roboterartigen Kleinkind, bevor es dann im vollbesetzten Hörsaal weitergeht, bei dem der Hochschulchef der in einzelhaftartigen Lernzellen separierten Zuhörerschaft die entsetzlichsten Ideologien zu indoktrinieren versucht. Aber leider hat der herrschsüchtige Lehrmeister dabei die Rechnung ohne die subversive Studentenschaft gemacht, welche sich dann auch gegen den proklamierten Irrsinn erfolgreich zur Wehr zu setzen weiß. Um den weiterhin felsenfesten Widerstand der Studenten zu brechen, macht das despotische Triumvirat die Rädelführerin der Studenten nicht nur mundtot, sondern veranstaltet auch noch mit der restlichen Studentenschaft ein sowohl hinterlistiges als auch hochperfides Psychospiel, bei dem ein zuvor mit Platzpatronen geladenes Gewehr urplötzlich scharf schießt und somit einen weiteren toten Studenten zurück lässt. Und als wäre das alles noch nicht genug, wird dann auch dem völlig ahnungslosen Tomasso die Ehre des unwissenden Todesschützen zu teil, an deren Folgen er dann fast zu Grunde geht.





Doch glücklicherweise erscheint ihm genau in diesem Moment die reizende Kommilitonin Alice (Carole André) und nachdem man sich bereits nach nur wenigen Minuten die ewige Liebe geschworen hat, folgt auch schon mit einem abrupten Szenenwechsel die Flucht in die verschneite Bergwelt Italiens, wo die sich dann sogleich eine psychedelisch anmutende Blockhütte errichten, deren "lachenden Fenster" dann gleichfalls wie unter Drogen gesetzt wirken. Eigentlich könnten die beiden ab diesem Zeitpunkt ihre gerade erst frisch errungene Zweisamkeit ungestört in der Abgeschiedenheit der verschneiten Bergwelt vollends genießen, wäre da nicht Alice, welche sich plötzlich aus purer Langeweile heraus in eine wahrhafte Furie verwandelt und den armen Tomasso zu einem Sexsklaven ihrer unstillbaren Lust degradiert. Und bereits nach nur wenigen Tagen wandelt sich für Tomasso das zuvor traumhafte Leben in eine selbstgewählte Hölle auf Erden, so dass er sich irgendwann völlig entnervt zur reumütigen Rückkehr an die Hochschule des Schreckens entschließt, an der zwischenzeitlich aber der Professor mit seinen Maschinen das Sagen hat. Was folgt, ist eine ganzheitliche Persönlichkeitswäsche, da die zuvor standardisierten Gehirnwäschemethoden aufgrund ihres zu geringen Erfolgs mittlerweile der Vergangenheit angehören. Hierzu wird der arme Tomasso zunächst vor der versammelten Kommilitonenmannschaft von einer bügelbrettähnlichen Apparatur zur Brechung seines Willens aufs heftigste durchgerüttelt, bevor er dann zur endgültigen Persönlichkeitswäsche in eine hochleistungsfähige Designerwaschmaschine gesteckt wird. Am Ende bleibt schließlich ein völlig wesensveränderter Tomasso zurück, der dann auch noch im Rahmen einer bizarren Hochzeitszeremonie auf einer drehscheibenartigen Vermählungsplattform seinen Platz einnehmen darf.
Und die Moral von der Geschicht: Studiere an dubiosen Hochschulen nicht!















Was mich bei H2S am brennendsten interessieren würde, wären die konkreten Gründe für die zweijährige Beschlagnahmung durch die italienische Zensurbehörde, wodurch dieser meisterhaft inszenierte Wahnsinn erst 1971 zur Aufführung freigegeben wurde. Vermute mal, dass dieser wahnwitzige Unfug den halbseidenen Moralwächtern einfach nur unheimlich erschien. Außerdem wäre es auch interessant zu wissen, ob die 82 minütige TV Fassung auch der ursprüngliche Laufzeit entspricht, oder ob H2S im Rahmen der vorübergehenden Beschlagnahmung ein paar Federn lassen musste? Weiß hier zufällig jemand mehr darüber?
Desweiteren würde mich auch eine analytische Sichtweise des gezeigten Irrsinns interessieren, da ich mir ziemlich sicher bin, dass die Inszenierung zahlreiche Verweise sowohl auf die Kunstgeschichte als auch auf die allgemeine Zeitgeschichte beinhaltet. Da mir dieser Schuh aber zu groß erschien, beschränkte ich mich im Rahmen meines Beitrags für Italo-Cinema.de ausschließlich auf das Beschreiben des gezeigten Irrsinns. Dort gibt es dann auch übrigens etwas über den außergewöhnlichen Score von Ennio Morricone zu lesen...
Filmausschnitt / Morricone Score















Und in dem weitläufigen Hochschulgebäude kann dann auch noch für einen ganz kurzen Moment als verstecktes Requisit das vergoldete Motorrad von Marisa Mell aus "Nackt über Leichen" bestaunt werden
(Beitrag aus dem alten Forum: 26.01.2017)