DER LÖWE VON THEBEN
(Ot: Il Leone di Tebe / Héléne, Reine de Troie)
Italien / Frankreich 1964
Mark Forest - ARION // Yvonne Furneaux - Helena
Massimo Serato - TUTMES // Rosalba Neri - NAIS
Pierre Cressoy - RAMSES // Nerio Bernardi - SESOSTRIS
Carlo Tmberlani - MENOPHIS // Alberto Lupo - MENELAOS
Regie: GIORGIO FERRONI
Laufzeit ca. 84 min


links, Plakat aus Frankreich / rechts, Plakat aus Spanien
Inhalt:
Ein Mann und eine Frau kommen als Schiffsbrüchige an die Küste Ägyptens. Sie sind erschöpft, müde und durstig. Der Mann ist Arion, ein griechischer Fürst, die Frau ist Helena, Königin von Sparta. Beide haben die Zerstörung und den Untergang von Troja überlebt und konnten fliehen. Sie wandern durch die Landschaft und werden von einer Karawane entdeckt. Da es sich um Sklavenhändler handelt, versprechen sich die Araber mit der schönen Frau ein gutes Geschäft und wollen sie verkaufen und den Mann beseitigen. Arion ist aber wachsam und kann Helena und sich nach kurzem Kampf retten und zu Pferde entkommen. Sie gelangen nach Theben, der damaligen Hauptstadt im südlichen Oberägypten. In Theben regiert derzeit Ramses I und zwischen ihm und seinem Bruder Tutmes gibt es Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Beziehung zu Unterägypten, das von Menophis regiert wird. Tutmes glaubt, das Menophis Theben angreifen wird, um beide Reiche zu vereinen und wirft Ramses deswegen Gleichgültigkeit vor. Ramses wiederum ist mit den Vorbereitungen seiner Hochzeit mit Prinzessin Nais beschäftigt und will von Politik nichts hören. In dieser Situation kommen Arion und Helena an den Hof des Pharao und werden in die dortigen Machtkämpfe und Intrigen unfreiwillig hinein gezogen.
Das Drehbuch, das Regisseur Giorgio Ferroni zusätzlich zusammen mit Andrey de Caligny und Remigio del Grosso verfasste, basiert eher lose auf den Berichten der altgriechischen Geschichtsschreiber und Dichter Homer, Herodot und Euripides, was den Aufenthalt Helenas in Ägypten anbelangt. Das Helena nach der Zerstörung Trojas nach Ägypten kam, kann als sehr wahrscheinlich gelten, da u.a. alle drei unabhängig voneinander darüber berichten. Lediglich die Umstände ihres dortigen Aufenthalts weichen voneinander ab. Bei Homer kommen Menelaos und Helena auf ihrer Rückreise nach Sparta mit ihrem Schiff vom Kurs ab (möglicherweise Schiffbruch) und müßen erstmal in Ägypten verweilen. Herodot wiederum gibt an, das Paris mit Helena auf dem Wege nach Troja (also vor dem Beginn des Krieges) einen Hafen in Ägypten anliefen und dort verweilten. Der König von Ägypten soll darüber sehr entrüstet gewesen sein, als er erfuhr, das Helena mit Paris vor ihrem Ehemann Menelaos auf der Flucht seien. Er behielt Helena in Ägypten und schickte Paris nach Troja. Zum Krieg kam es trotzdem, weil die Griechen den Trojanern nicht glauben wollten, das Helena nicht in Troja sei. Dies ist zumindest ein anderer Ansatz, weil nach Herodot Helena erst gar nicht in Troja gewesen sein könnte. Sei es, wie es will, aber Ferroni griff hier zwei Aspekte dieser beiden interessanten Erzählungen auf. Einmal den Schiffsbruch, wodurch Helena in Ägypten strandete und das sie in Ägypten vom Pharao zum Verbleib gezwungen wurde. Was Helena in Ägypten sonst so erlebte ist unbekannt, aber Ferroni machte zumindest seinerseits daraus eine gute Geschichte. Zwar bescheinigten ihm damalige Kritiken, nur ein weiteres Historien-Serienfilmprodukt der italienischen Filmschmiede nach üblichen Schema zu sein, aber dem möchte ich nicht zustimmen. Allein schon die interessante Geschichte, die sich von anderen Italo-Historienfilmen unterscheidet, spricht dagegen. Wenn es um Troja ging, beschäftigten sich die meisten Filme eh mit dem Krieg etc., jedoch ist dieser Film hier bisher der einzige, der sich mit Helena, ihrem weiteren Schicksal und ihrem Aufenthalt in Ägypten befasst. Gerade das macht ihn so interessant, zumal Ferroni selbst hier eine Art Fortsetzung seines eigenen Films KAMPF UM TROJA (1961) im Sinn gehabt haben muß. Eine Rückblende unterstreicht sein Anliegen, wo man Szenerien vom brennenden Troja und dem ganzen Chaos zu sehen bekommt. Diese Szenen stammen aus seinem besagten Film. Einen Arion gab es übrigens auch, hat aber mit dem im Film nichts gemein.


altes deutsches Filmprogramm / Videomotiv aus Spanien
Wie bei den meisten seiner Historienfilme, litt auch dieser Ferroni-Film leider unter Geldmangel. Und so verwundert es nicht, das aufwendigere Schlachtszenen mal wieder aus anderen vorigen Italo-Historienfilmen stammen. Das war im übrigen fast schon gängige Praxis beim italienischen Historienkino ab ca. dem Beginn der 60er Jahre. Davon waren nicht nur Ferroni-Filme betroffen. Die Schlachtszenen in der Wüste stammen sehr wahrscheinlich aus dem mir leider unbekannten Italo-Historienfilm DIE FRAU DER PHARAONEN (1960). Den würde ich endlich mal gerne sehen wollen, aber der lief seit seinem Kinoeinsatz weder im TV noch sonst wo. Der muß ziemlich aufwendig inszeniert sein und ist u.a. mit der hübschen Linda Cristal und Pierre Brice besetzt. Anhand der Programmbilder konnte ich zumindest die Schlachtszenen diesem Film zuordnen. Und eventuell könnte eine weitere aufwendigere Szenerie, die sich innerhalb des Palastes abspielt aus dem Film NOFRETETE - KÖNIGIN VOM NIL (1961) sein. Ferroni hatte meistens gute Ideen und Geschichten, aber häufig wenig Geld. Somit machte Ferroni aus der Not eine Tugend und mit seiner Inszenierungskunst immer das beste daraus, was sich immerhin sehen lassen kann.
Die Darsteller sind mal wieder gut. Die schöne dunkelhaarige Französin Yvonne Furneaux hatte mit ihrer Mitwirkung schon so manchen Film bereichert, so auch hier wieder. Sie gibt eine wunderbare Helena ab. Einmal verflucht sie resignierend sogar ihre Schönheit, weil diese vielen nur Unglück gebracht hatte und den Tod. Der Amerikaner Mark Forest war im Grunde eine Art Gelegenheitsschauspieler, da er zwar ein Kraftsportler war, aber in erster Linie ist er ein ausgebildeter Opernsänger gewesen. Schon in seinen Schulzeiten hatte er eine Gesangsausbildung erhalten. Wenn man ihn so in diversen Italo-Historienfilmen sieht, so käme man im Grunde so ohne weiteres gar nicht darauf. Aber in den Antik-Streifen machte er immer eine gute Figur und überzeugte mit seiner Präsenz. Massimo Serato gibt hier mal wieder den miesen Intriganten und Bösewicht vom Dienst ab. Fast schien es so, als würde er in solchen Rollen besonders aufgehen, aber er hat auch schon positivere Charaktere dargeboten. Rosalba Neri ist als Prinzessin hübsch anzusehen und macht ebenso eine gute Figur. Und Alberto Lupo gibt hier einen zwielichtigen Menelaos ab, dem Reichtum mehr gilt, als Helena. Da fragt man sich doch glatt, warum er so versessen darauf war, sie aus Troja zurück zu holen. Die Kostüme sind gut, die Kamera ebenso und Francesco de Masi komponierte eine gute Musik, was besonders auf die Anfangsmusik zutrifft.


Wiederaufführungsplakat / Videocover
Über das weitere Schicksal Helenas nachdem sie aus Ägypten fortging, darüber ist man sich nicht so recht im klaren. Es existieren zwei Berichte. Bei dem griechischen Tragödiendichter Euripides kommt es nach der Rückkehr von Menelaos und Helena in Sparta zu einem Prozess. In seinem Drama Orestes wird der Neffe von Menelaos, Orestes wegen begangener Morde an Klytämnestra und Aigisthos angeklagt. Da Menelaos sich aber weigert seinen Neffen zu verteidigen, bringt Orestes Helena in seine Gewalt. Als er sie umbringen will, verschwand sie plötzlich. Helena soll daraufhin zur Schutzpatronin der Seeleute geworden sein, wobei sie auch als Elmsfeuer in Erscheinung trat. Eine andere Version berichtet, das Helena noch eine Zeit lang in Sparta glücklich verlebte und Menelaos überlebte. Nach seinem Tod vertrieb dessen Sohn Nikostratos Helena aus Sparta, die Zuflucht in Rhodos fand. Man machte sie im allgemeinen verantwortlich für diesen Krieg. Helena wurde von Polyxo der Witwe eines toten Mannes empfangen, der in Troja starb. Sie rächt sich an Helena, indem sie andere Frauen zu wilden Furien werden ließ, die Helena an einen Baum aufhängten. Ein Grund, warum Helena später auf Rhodos als Dendritis = Die von den Bäumen verehrt wurde. Helena bleibt in der griechischen Geschichts- und Sagenwelt geheimnisvoll, von der man sagt, das ihre Schönheit ihr Macht verlieh, aber den Männern zum Fluch wurde.
Mir lag zur Sichtung des Films eine alte TV-Aufnahme aus dem Sender Kabel 1 vor. Von allen Fassungen, die hierzulande kursieren, ist diese noch am besten anzuschauen. Diese weist auch den kompletten italienischen Originalvorspann auf, was auch auf den schriftlichen Prolog zutrifft, der ganz am Anfang steht. Leider keine Übersetzung in Form von Untertiteln. Die Fassung bietet immerhin ein Bildformat von 1.85. Die alte VHS vom Label VPS bot dagegen fast Vollbild. Dort ist der schriftliche Prolog wiederum in englisch zu lesen. Auch dort keine deutsche Übersetzung. Das gleiche trifft auch auf die DVD zu, die ebenso fast im Vollbild daher kommt und zudem auch noch ein wenig mehr geschnitten ist, als die Kabel 1- und VPS Fassung. Bin mir fast sicher, das die alte Kinofassung den schriftlichen Prolog in deutsch präsentierte oder zumindest ein Erzähler dazu sprach. Ich plädiere dafür, das dieser Film endlich mal komplett und im richtigen Scopeformat auf DVD veröffentlicht wird. Auch italienische Historienfilme verdienen es, eine ihnen würdige Auswertung auf dem digitalen Heimkinomarkt zu bekommen.
Graf Karnstein