SEHNSUCHT HAT MICH VERFÜHRT - Wilm ten Haaf

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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SEHNSUCHT HAT MICH VERFÜHRT - Wilm ten Haaf

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● SEHNSUCHT HAT MICH VERFÜHRT (D|1958)
mit Erika Remberg, Dietmar Schönherr, Peer Schmidt, Karl Schönböck, Gerda Maria Klein,
Herta Worell, Otto Storr, Ludwig Schmid-Wildy und Christiane Maybach sowie Ilse Steppat
ein Rapid Film | im Bavaria Filmverleih
ein Film von Wilm ten Hoff

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»Es gehört endlich ein richtiger Mann ins Haus!«


Die Zwillingsschwestern Hanne und Ursula (jeweils Erika Remberg) sehen sich zwar zum Verwechseln ähnlich, sind von ihrem Wesen her jedoch völlig verschieden. Während Hanne ihrer verwitweten Mutter (Ilse Steppat) beim Bewirtschaften des Bauernhofes hilft, verdreht Ursula den Männern die Köpfe. Nach der immer wiederkehrenden Kritik ihrer besorgten Mutter hat sie das Landleben endgültig satt und flüchtet Hals über Kopf in die Stadt, wo sie schon bald eine Stellung als Sekretärin findet. Ihr Chef, Direktor Gellner (Karl Schönböck), interessiert sich allerdings weniger für ihre Fähigkeiten an der Schreibmaschine. Als er sie fallen lässt, steht die junge Frau völlig mittellos da. Auf Drohen ihrer Wirtin (Herta Worell), sie wegen Mietrückstandes vor die zu Türe setzen, nimmt Ursula einen Job als Animierdame in der berüchtigten "Orchidee-Bar" an …

Der Regisseur und Drehbuchautor Wilm ten Haaf inszenierte zwischen 1958 und 1959 mit "Du gehörst mir", "Sehnsucht hat mich verführt" und "Lockvogel der Nacht" drei unmittelbar aufeinanderfolgende Spielfilme fürs Kino, denen leider keine weiteren mehr folgen sollten. Was sich nach dem Ende einer Karriere anhört, war allerdings nur die Fortsetzung einer überaus produktiven Karriere beim Fernsehen, sodass Wilm ten Haaf auch heute noch Pionierarbeit bescheinigt wird. Diese frühe Wolf C. Hartwig-Produktion der Münchener Rapid Film beginnt wie ein landläufig bekannter Heimatfilm, um später eine regelrechte Metamorphose hinzulegen. So passierte diese Produktion die FSK seinerzeit mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren, wofür sicherlich die episodisch auftretende Nacktheit und Erotik des Verlauf verantwortlich ist. Verhaltener, spekulativer Sex tut sein Übriges dazu. Die erotischen Angebote beginnen in nahezu volkstümlicher Art und Weise, wenn sich Feldarbeiterinnen entblößen, um im naheliegenden See zu baden, bis der anrüchige Charakter in einem Nachtclub durch Animierdamen präsentiert werden kann. Eine Einführung der Haupt-Charaktere ist schnell und verständlich erledigt, immerhin spielt die Österreicherin Erika Remberg eine auf zunächst simple optische und charakterliche Kontraste angelegte Doppelrolle. Die buchstäbliche Unschuld vom Lande heißt hier Hanne. Sie ist mit ihren Aufgaben rund um den Hof vertraut und hilft ihrer verwitweten Mutter wo sie nur kann. Ebenso ansehnlich wie ihre ungleiche Schwester, war bislang keine Zeit für Techtelmechtel im Heu, was wiederum von Ursula übernommen wird, die als verführerischer Vamp vom Brandner-Hof ihr Jagdrevier sondiert. Ihre Mutter hingegen kennt nur ora et labora und trägt die Schande, die ihr ihre Tochter macht, als schweres Kreuz, zumal diese sich weigert, eine Zweckehe einzugehen. Der Verlauf zeigt sehr schöne Aufnahmen der Schauplätze und verlässt sich auf die darstellerischen Stärken seiner Entourage, doch man ahnt, dass Ursulas bisherige Nadelstiche noch nicht alles sein können. Remberg kokettiert und posiert hauptsächlich als Ursula Bandner, was der Schauspielerin offensichtlich mehr zu liegen scheint, als das Modellieren von Zurückhaltung und konventionellen Gesellschaftsbildern.

Sie bietet sich dem Dorflehrer an, der sich jedoch zu ihrer unauffälligen Schwester hingezogen fühlt. Um diesen eifersüchtig zu machen, wirft sie sich einem Fremden an den Hals, der es zu ihrem Pech jedoch ernst mit ihr meint. Die Geschichte ist gleich zu Beginn auf die zwischenmenschliche Findung und entsprechende Komplikationen programmiert, bis Ursula die Reißleine zieht und ins Blaue flüchtet. Hiermit ist die Stadt gemeint, in der sie zunächst in einer fragwürdigen Pension landet. Wilm ten Haaf konzentriert sich auf das Ausgestalten zweier verschiedener Intervalle, in die der Film grob eingeteilt wird. Die ländliche Betulichkeit weicht dem Ruf der Unberechenbarkeit der Stadt, sodass Ursulas Selbstbewusstsein auf die Probe gestellt wird. Was zu Hause als Zündstoff gehandelt wurde, ist neuerdings ein gefundenes Fressen für abenteuerlustige Chefs, geldgierige Pensionsbesitzerinnen oder Haie des Nachtlebens. Ab diesem Zeitpunkt kann sich das Publikum wieder vor Augen rufen, dass man in einem Rapid-Film gelandet ist, der naturgemäß an Brisanz, Abenteuer und Erotik interessiert ist. Erika Remberg meistert die doppelte Anforderung mit Bravour und kann einfache Kontraste sehr überzeugend herausarbeiten. Ob rechtschaffen oder verführerisch, ihre Präsenz wirkt jederzeit dominant. Bei diesem Stichwort ist natürlich Ilse Steppat als besorgte Mutter zu nennen, die durch ein tiefes Jammertal zu gehen hat. Dietmar Schönherr und Peer Schmidt stellen Weichen, lenken in Bahnen, doch scheitern an Fremdbestimmung. In obligatorischen und ebenso überzeugend gestalteten Rollen sind Karl Schönböck, Herta Worell, Otto Storr und vor allem Christiane Maybach als leichtfertiges Mädchen zu sehen, sodass in dieser Hinsicht keine Wünsche offenbleiben. Schlussendlich darf festgestellt werden, dass man Brisanz und Provokation in Kinderschuhen angeboten bekommt, die Ende der 1950er-Jahre wohl noch für den ein oder anderen Aufreger und die Einstufung eines nicht feiertagsfreien Films gereicht haben. Wilm ten Haaf inszeniert solide, ausgewogen, jedoch nicht immer ungezwungen, allerdings stimmt der Unterhaltungswert und die Präsentation. "Sehnsucht hat mich verführt" bleibt ein vielsagender Titel, der den Verlauf besonders gut charakterisiert, doch leider ist auch dieser interessante Film nahezu in der Versenkung verschwunden.

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Prisma
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Re: SEHNSUCHT HAT MICH VERFÜHRT - Wilm ten Haaf

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● ILSE STEPPAT als BRANDNER-BÄUERIN in
SEHNSUCHT HAT MICH VERFÜHRT (D|1958)



In der Saison 1958 hat Ilse Steppat einige sehr interessante Film-Engagements vorzuweisen und eines von ihnen ist in Wilm ten Haafs "Sehnsucht hat mich verführt" zu entdecken, dessen österreichischer Verleihtitel sich mit einem simplen "Die Brandner Zwillinge" doch stark nach Heimatfilm aus dem Bilderbuch anhört. Steppat ist hier als Brandner-Bäuerin zu sehen, Mutter von ungleichen Zwillingstöchtern. Obwohl sie verwitwet ist, definiert sie das Dasein einer Frau immer noch über einen Mann, sodass sie ihre Töchter so schnell wie möglich unter der Haube sehen möchte. Am liebsten mit hart arbeitenden, rechtschaffenen Bauern-Burschen aus der Nachbarschaft, um die Höfe irgendwann fusionieren lassen zu können. Hanne ist der Selbstläufer der beiden Töchter, denn sie muss nicht zu irgendwelchen Arbeiten angehalten werden, daher wohl auch die fehlende Erfahrung mit Männern. Ursula hingegen kokettiert mit ihrer Attraktivität, wo sie nur kann, sehr zum Missfallen ihrer strengen Mutter, die jedoch überhaupt keinen Einfluss auf sie zu haben scheint. Ilse Steppat betritt das Szenario mit strenger Miene und resignierter Körpersprache, denn sie wird ihre unwirsche Tochter nicht zur Räson bringen können. An Wunder glaubt die alleinstehende Frau ohnehin nicht mehr, denn dafür hat ihr das Leben bisher zu viele Entbehrungen abverlangt. Ursula fühlt sich zu dem Dorflehrer hingezogen, da er moderne Auffassungen vertritt. Als dieser ihrer Mutter erstmals in die Hände fällt, kann er sich warm anziehen, denn eine Projektionsfläche wie er kommt der Brandner wie gerufen. »Was haben denn Sie schon mit Ihrem Verständnis erreicht, Herr Lehrer? Dass sie sich nur noch für diese verrückte Musik interessiert. Es wäre gescheiter gewesen, Sie hätten ihr mal was vom vierten Gebot erzählt! Da hat man sie was lernen lassen, hat sich abgequält und geschafft und geschafft. Wofür?« Die Bäuerin steht vor einem Scherbenhaufen, denn es kommt viel zusammen, aber vor allem tratschen die Leute bereits über sie. Ilse Steppat hat sich hier der Anforderung nach darin zu gefallen, ständige Klagelieder singen zu müssen. Über das karge Leben, die viele Arbeit, der wenige Lohn und die Schande, die ihr eine der Töchter einbringt. Mithilfe ihrer markanten und tiefen Stimme transportiert sie zahlreiche Schwingungen, bis der Zuschauer sich zu etwas Mitgefühl verleiten lässt, obwohl man die Frau, die sich höchstens Ratschläge vom Pfarrer gefallen lässt, nicht als allzu sympathisch einstuft. Immerhin hat sie lediglich ein Weltbild ohne Tellerrand anzubieten.

Dem Rollenprofil kommt Ilse Steppats streng wirkendes Wesen zugute, bei dem immer die Möglichkeit besteht, dass sich die verborgene Milde in den richtigen Situationen zeigt. Hier ist der Druck von außen jedoch zu groß, als dass sich diesbezügliche Veränderungen beobachten ließen, immerhin agiert ihr Sorgenkind renitent und halsstarrig. So bekommt man so gut wie nichts anderes als Kritik und Maßregelungen von der Brandner-Bäuerin zu hören und breit angelegtes Klagen. Man fragt sich, ob Ilse Steppat hier erneut in ihrem Element zu sehen ist, oder ob sie das entsprechende Element zu ihren Gunsten modellieren kann. Schauspielerisch stellt die gerne gesehene Darstellerin wieder einmal einen großen Gewinn für die Geschichte dar, auch wenn ihre Intervalle immer recht kurz ausfallen, ihr aber genügend Freiheiten bieten, sich vollkommen nach ihrer Fasson zu entwickeln. Es scheint, als gebe es nur einen in ihrem Umfeld, der auf ihre teils harten Ansichten einwirken könne. Wer sollte es anderes sein als der Dorfpfarrer, der die offenbar gottesfürchtige Frau sogar mit Ironie und Deutlichkeit der Worte angehen darf, ohne einen Gegenangriff zu fürchten. Steppat wirkt in ihren Szenen wie üblich angespannt und nervös, sie lässt sich kaum zu einer positiven Gefühlsregung hinreißen. Unterstützt von ihrer forschen Stimme, die in den richtigen Momenten Anklage erheben wird, kann man hier von einer der besten und interessantesten Performances des gesamten Verlaufs sprechen. In ihrem Alltag scheint sie den Ton anzugeben und alle Entscheidungen selbst zu treffen. Bei einem vagen Blick auf ihr Gut kommt schnell der Gedanke auf, dass die Familie relativ gut situiert leben kann, allerdings schmiert sie es jedem, der es gerne hören oder nicht hören will, aufs Brot, dass nichts vom Himmel gefallen sei. So entsteht ein ganz natürliches Misstrauen gegenüber Fremden und das Gefühl, dass jeder etwas von ihr verlangen könnte. Ihrer aufmüpfigen Tochter verlangt sie ihrer Ansicht nach nicht viel ab. Sie soll sich nur ihrem Willen beugen und ein Leben führen, wie es sich ihre Mutter vorstellt. Der Bäuerin ist allerdings nicht klar, was sie vom schwarzen Schaf der Familie verlangt. Konfrontationen und Komplikationen finden mit Ilse Steppats Auffassung der Ausgestaltung einer Rolle immer eine besonders intensive Erfüllung, sodass auch diese Rolle einen detaillierten Blick wert ist. Der Zuschauer weiß, dass der Versuch, Feuer mit Feuer zu löschen, aussichtslos bleiben dürfte, doch am Ende scheint Ursula ihrer Mutter von allen Personen am ähnlichsten zu sein.



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