DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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● ANGST (D|A|1994) [TV]
mit Christian Redl, Renate Krößner, Antje Westermann, Günter Lamprecht, Claudia Amm, Armin Rohde, Georg-Martin Bode,
Rolf Dennemann, Niels Hansen, Steve Karier, Sontje Peplow, Albert Kitzl, Ulrike Kriener, Dieter Oberholz und Jürgen Vogel
eine Filmpool Produktion| im Auftrag von ZDF | ORF
ein Fernsehfilm von Bernd Schadewald

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»Sei froh, dass ich dich leben lasse!«


Der einschlägig vorbestrafte Herwig Seitz (Christian Redl) missbraucht seine minderjährige Tochter Tanja (Antje Westermann) seit Jahren und ist hinlänglich bekannt für seine Gewaltexzesse. Als Tanja ihr erstes Kind von ihrem eigenen Vater, erwartet, schweigt die Mutter (Renate Krößner), die genau wie ihre Tochter regelmäßig verprügelt und vergewaltigt wird. Als Tanja einen Freund (Jürgen Vogel) hat, rastet Seitz vollkommen aus und droht seiner Familie den Tod an, bis er schließlich erneut zu einigen Jahren Haft verurteilt wird. Ab sofort versucht jeder sein Leben zu ordnen, bis Seitz eines Tages wegen guter Führung vorzeitig aus dem Knast entlassen werden soll …

»Du gehörst mit und keinem anderen. Ich hab dich gemacht!« Der soeben aus einjähriger Haft entlassene Herwig Seitz versucht seine eigene Tochter mit Gewalt in die Spur zu bringen, die ihm bereits als kleines Mädchen für den Lustgewinn und seine Machtfantasien zu Diensten sein musste. Am liebsten mit unendlicher Gewalt. Die Mutter schließt Fenster, Türen, Augen und Ohren und dreht das Radio laut auf, damit zumindest die Nachbarschaft nichts von der Hölle in vier Wänden mitbekommt. In seiner Abwesenheit nahm sie sich einen Liebhaber, welcher noch am Entlassungstag ihres Alten von ihm ins Krankenhaus geprügelt wurde. Die Bewährung steht in dieser Geschichte jederzeit auf wackligen Füßen, da es sich um einen gewohnheitsmäßigen Schläger und Gewalttäter handelt, der sich seiner Ansicht nach nur sein Recht einfordert. Seine Frau nennt er Nutte, seine Tochter auch, sein kleiner Sohn ist auch gleichzeitig sein Enkelkind. Das Jugendamt hatte nicht genügend Anhaltspunkte auf Unregelmäßigkeiten, vor allem weil jeder aus Angst dichtgehalten hat. Regisseur Bernd Schadewald inszeniert nach wahren Begebenheiten ("Arnsberger Prozess") und bemüht sich ab der ersten Sekunde um einen empfundenen Transfer in die Realität, die Vorstellungskräfte übersteigt, wozu überaus brutale Szenen der körperlichen, verbalen und psychischen Gewalt beitragen. Es erscheint nichts nur spekulativ zu sein, das Publikum bekommt Einzelheit für Einzelheit im Vakuum der Trostlosigkeit serviert. Der Beginn des Verlaufs deutet das Ende dieses Fernsehfilms hin, der seinerzeit vom Zweiten Deutschen Fernsehen und dem Österreichischen Rundfunk in Auftrag gegeben wurde. Der Verlauf konzentriert sich eingehend mit den fundamentalen Charakteren dieser Veranstaltung, in der es keine Gefangenen geben wird. Die Mutter hasst ihren Enkelsohn und ihre Tochter, mit der sie eine eigenartige Form der Rivalität um ihren eigenen Mann austrägt. Nur ihren Mann scheint sie nicht zu hassen, denn davor hat sie zu viel Angst, biedert sich daher permanent an. Überhaupt wird die prägnante Ankündigung des Titels immer wieder auf neue Spitzen getrieben, sodass es einem in ausgewählten Intervallen selbst Angst und Bange wird, außerdem Gefühle des Ekels fabriziert, die sich vor allem gegen die Eltern Tanjas richten.

Hauptdarsteller Christian Redl übertrifft sich in jeder einzelnen Szene selbst. Er stellt das dar, was man mit Abschaum gleichsetzen würde, um anschließend überlegen zu müssen, ob dieser Begriff ihm doch zu sehr schmeichelt. Die Zeichnung seines gewaltbereiten Knackis wirkt beängstigend, widerlich und - soweit sich das überhaupt beurteilen lässt- authentisch. Der Klartext seiner Frau und Tochter gegenüber wirkt schockierend, immerhin sei er derjenige, der entscheidet, mit wem er es von beiden mache. Die beschriebene Angst ist in diesem Szenario jederzeit zum Greifen nach und wird durch die wirklich anpassungsfähigen Schauspieler immer konkreter modelliert. Behörden wie Jugendamt oder Polizei spielen ihre Interventionsmöglichkeiten nicht aus, immerhin trägt noch niemand den Kopf unterm Arm. Nur der Zuschauer und die unmittelbar betroffenen Opfer bekommen die Gewaltspitzen hautnah mit und es ist verwunderlich, dass es sich tatsächlich um einen Fernsehfilm handelt, weil es ungewöhnlich explizit zugeht. Renate Krößner und Antje Westermann spielen bedeutend auf, vor allem weil sie sich nicht scheuen, ihre Schwächen und Abgründe offenzulegen. Jürgen Vogel wirkt wie ein Bindeglied zu einer besseren Welt, doch es bleibt abzuwarten, ob er in die schlechtere hineingezogen wird. Aussagekräftige Gastrollen liefern Claudia Amm, Armin Rohde oder Günter Lamprecht, sodass man im darstellerischen Bereich insgesamt gut versorgt ist. Der Verlauf konzentriert sich nicht im Wesentlichen darauf, herauszuarbeiten, warum jemand wie Herwig Seitz überhaupt entstehen konnte, sodass es in diesem Zusammenhang keine konkrete oder alte Schuldfrage gibt. Ob Eltern, Milieu, Gesellschaft oder Disposition, es bleibt unerklärt, wie ein derartiges Monster ungehindert schalten und walten konnte. Der Verlauf konzentriert sich auf die Gegenwart und gefällt sich in ausladender Art beim Aufzeigen destruktiver Bilder, die einem noch lange Zeit nachgehen werden. Das Fazit des Films ist möglicherweise der Realität entliehen und erscheint deswegen unausweichlich zu sein, aber was bleibt ist ein aufwühlendes Porträt, das nicht so leicht wegzustecken ist. "Angst" gehört daher zu den beunruhigenden Vertretern der einschlägigen 90er-Jahre TV-Landschaft, den man sich bei Interesse einmal anschauen sollte.

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Prisma
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● DIE WEIẞE SPINNE (D|1963)
mit Joachim Fuchsberger, Karin Dor, Dieter Eppler, Horst Frank, Werner Peters, Mady Rahl, Friedrich Schoenfelder,
Paul Klinger, Lotte Brackebusch, Gerhard Frickhöffer, Fritz Eberth, Lotti Alberti, Erik Radolf sowie Chris Howland
eine Produktion der Arca Winston Films Corp. | im Constantin Filmverleih
ein Film von Harald Reinl

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»Nein, nein, du sollst meinen Namen vergessen, für immer vergessen!«


Muriel Irvine (Karin Dor) steht mit dem Rücken zur Wand, da ihr Ehemann Richard tödlich mit seinem Wagen verunglückt und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt ist. Lediglich durch dessen Talisman, in Form einer kleinen weißen Spinne aus Glas, konnte der Tote identifiziert werden. Die Lebensversicherung weigert sich, der Witwe die vereinbarte Summe auszuzahlen, die vor kurzer Zeit signifikant erhöht wurde, bis Mrs. Irvine schließlich selbst in den Kreis der Verdächtigen gerückt wird, da immer mehr Tote mit einer gläsernen Spinne auftauchen. Da die Todesfälle wie bestellt wirken, nimmt Inspektor Dawson (Paul Klinger) die Ermittlungen auf, der wenig später ermordet aufgefunden wird. Von nun an scheint klar zu sein, dass London es mit einer Verbrecher-Organisation zu tun hat, die sich auf rücksichtslose Auftragsmorde spezialisiert hat. Scotland Yard greift auf einen weltberühmten Kriminalisten zurück, dessen Identität jedoch unter Verschluss gehalten wird …

"Die weiße Spinne" bietet eine interessante Alternative im Bereich des Whodunit-Schemas an. Obwohl die Geschichte ihre größten Geheimnisse nicht bis zum Ende aufrechterhalten kann, bleibt sie aufgrund der routinierten Kniffe von Regisseur Harald Reinl bis zum packenden Finale dennoch sehr spannend. Der deutsche Kriminalfilm hat über die Jahre viele unterschiedliche Maskeraden gesehen, sicherlich wesentlich ausgefeiltere als in dieser Produktion, aber auch definitiv schlechtere. Die Geschichte rund um das für den Titel Pate stehende Verbrechersyndikat ist flüssig und überaus eingängig erzählt, wartet außerdem mit einigen Szenen auf, die nicht zuletzt wegen ihrer auffälligen Brutalität bei den Mordszenen für Aufsehen sorgen können. Unbequeme und vorzugsweise wohlhabende Leute werden per Auftragsmord ins Jenseits befördert. In diesem Zusammenhang zeigen sich diverse Handlungsstränge, die sehr geschickt miteinander verknüpft sind und den Verlauf frisch und abwechslungsreich halten. Seinerzeit liefen bereits mehrere erfolgreiche Kriminal-Reihen, wie etwa alles was Wallace hieß oder beispielsweise Doktor Mabuse, sodass dem Empfinden nach immer mehrere Versuche hinzukamen, etwas von dem immer noch garantierten Erfolg abhaben zu können. Diese Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Roman des Autors Louis Weinert-Wilton, der seinen Namen für drei weitere, mehr oder minder gelungene Filme hergeben sollte. Das große Plus dieser Produktion ist und bleibt die sichere Hand der Regie, zudem tummelt sich das Who’s Who des deutschen Kriminalfilms innerhalb dieser düsteren Angelegenheit, welches sich durchgehend keine Blöße erlaubt und für einen nicht zu unterschätzenden Wiedererkennungswert sorgen kann, der beim treuen Publikum naturgemäß dankend angenommen wird.

"Die weiße Spinne" bedient sich bewährter Modelle, die in derartigen Produktionen Einsatz fanden, und eines von ihnen stellt das Duo Joachim Fuchsberger und Karin Dor innerhalb einer dramaturgischen Modifikation dar, die im Grunde genommen aber keine ist. Als Ralph Hubbard agiert Fuchsberger glücklicherweise nicht nur routiniert, sondern auch selbstbewusst und immer bereit, seine Agilität unter Beweis zu stellen. Die Konstellation mit Karin Dor hat sich unter denkbar widrigen Umständen zu finden, immerhin handelt es sich um einen entlassenen Sträfling und die Witwe eines einschlägig bekannten Spielers, die plötzlich mit dem Schlagwort Mordverdacht zu kämpfen hat. Die beiden Stars des deutschen Kriminalfilms bilden wie immer eine perfekte Einheit, auch wenn es anfangs gar nicht so aussehen soll, und überzeugen das Publikum mit sympathischen und vor allem stichhaltigen Darbietungen. Zu Karin Dors Leistung lässt sich vielleicht sogar sagen, dass es sich hier um eine ihrer besten Interpretationen und interessantesten Charaktere dieser Zeit handelt. Unterstützung liefern unlängst bekannte Gesichter im Dunstkreis zwischen Gut und Böse, wie beispielsweise Werner Peters, Dieter Eppler, Mady Rahl, Gerhard Frickhöffer oder Horst Frank, die sich für den Zuschauer ganz klar positionieren, aber auch für Zweifel und Misstrauen sorgen. Der Film fällt mit einer harten Gangart und einer ungewöhnlich plastisch geschilderten Brutalität auf, was von Regisseur Harald Reinl in den richtigen Momenten immer wieder mithilfe beunruhigender Drahtschlingen forciert wird. Die drakonisch wirkenden Ermordungsszenen sind von Erbarmungslosigkeit geprägt, die man 1:1 auf die Mentalität des Kopfes der Verbrecherorganisation übertragen wird und gleichzeitig auf seine ausführende rechte Hand.

Konträr zu dieser Marschrichtung werden humorige Akzente durch Chris Howland gesetzt, die in dieser Fasson gar nicht einmal so deplatziert wirken, wie es andernorts häufiger der Fall war. So lebt dieser gut strukturierte und durchgehend ansprechende Film von einer bemerkenswert präzise aufspielenden Entourage, die perfekt abgestimmte Leistungen präsentiert. Alle überdurchschnittlichen Eindrücke und Grundvoraussetzungen werden vielleicht etwas durch die Tatsache ausgebremst, dass die gleichnamige Organisation im Rahmen ihrer Maskerade hin und wieder schwächelt, was nicht wortwörtlich zu nehmen ist, denn die Maske hat eine annehmbare Arbeit abgeliefert. Dennoch ist der Täter auch ohne größere Erhebungen leicht auszumachen, was als Kritikpunkt zwar immer wieder zu vernehmen ist, dem Spaß an dieser spannenden und turbulenten Geschichte aber keinen Abbruch tut. Als besonderes Extra gibt es eines von Peter Thomas’ eingängigen Musikthemen, und überhaupt sind gerade im handwerklichen und technischen Bereich sehr ansprechende Angebote und Lösungen zu finden. Veredelt durch ein besonders stichhaltig wirkendes Duo namens Joachim Fuchsberger und Karin Dor, entstehen spannende und mitreißende Momente, die vielleicht nicht unbedingt aufs Glatteis führen, dafür aber unbedingt in die gewollte Richtung. Bis Harald Reinls Verwirrspiel gelöst ist, werden viele Köpfe rollen müssen. "Die weiße Spinne" verfügt insgesamt über eine besonders mysteriöse Atmosphäre, die lange nicht beseitigt werden kann, auch wenn es zahlreiche Vorahnungen des Publikums in gleich mehrere Richtungen gibt. Auf der anderen Seite werden allerdings auch Überraschungen und waschechte Schocks geliefert, die diesen unter Louis Weinert-Wilton laufenden Film zu einem besonders gelungenen Exemplar machen, auch Banner übergreifend.

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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● GEHEIMAGENT 11 0 11 - SCHÜSSE IM ¾ TAKT / SCHÜSSE IM ¾ TAKT / OPERAZIONE TERZO UOMO (A|D|I|1965)
mit Pierre Brice, Heinz Drache, Daliah Lavi, Jana Brejchová, Charles Regnier, Walter Giller, Terence Hill, Gustav Knuth und Senta Berger
eine Produktion der Wiener Stadthalle | Bavaria Film | Cinegai S.p.A. | im Nora Filmverleih
ein Film von Alfred Weidenmann

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»Je größer, desto besser!«


Geheimagent Philippe Tissot (Pierre Brice), der unter dem Decknamen "Cäsar" agiert, soll ein neuartiges Raketen-Steuerungssystem der NATO wiederbeschaffen, das von einer kriminellen Organisation gestohlen wurde. Bislang ist unklar, was die Verbrecher mit der Waffe vorhaben, außerdem kennt man die Hintermänner nicht. Die Zeit rennt davon, da das Gerät binnen weniger Tage wieder in die richtigen Hände gelangen soll. Eine heiße Spur führt in das Wiener Varieté "Palladium", wo Tissot auf allerlei zwielichtige Gestalten trifft, und auch die ersten Liquidierungen lassen nicht lange auf sich warten. Die Suche quer durch Wien wird allerdings auch für Tissot immer gefährlicher, da es mehrere Anschläge auf sein Leben gibt. Für den Agenten bedeutet dies allerdings nur eines, nämlich dass er die richtige Fährte aufgenommen hat …

Der gebürtige Stuttgarter Alfred Weidenmann kann auf eine sehr ausgiebige Filmografie zurückblicken, die vor allem für Variabilität bürgt. In der Retrospektive ist der Regisseur insbesondere bekannt als Initiator von Ausstattungsfilmen mit besonderer Star-Besetzung, oder als verlässlicher Routinier im Rahmen beliebter deutscher Kriminalserien; doch wird er sich auch in diesem 1965 entstandenen Beitrag, ganz im Strickmuster populärer Spionagethriller oder gar "James Bond"-Filme, profilieren können? "Schüsse im ¾ Takt" wird diese Antwort natürlich liefern und letztlich steht und fällt diese mit bekannten Darstellern ausstaffierte Produktion mit den Präferenzen der Zuschauer, da die Geschichte an sich eher nur mäßiges Potenzial bietet. Falls man sich in der Welt rund um Action und Spionage prinzipiell wohlfühlt, kann dieser Verlauf sicherlich überzeugen - wenn nicht sogar begeistern. Kriminalfälle rund ums Artisten- und Zirkusmilieu konnten bei Gebrauch seit jeher undurchsichtige Machenschaften begünstigen, weil der Ort des Geschehens aufgrund seiner Unübersichtlichkeit und der naturgemäß vielen beteiligten Personen wie geschaffen wirkt, um einen ordentlichen Spannungsbogen zu kreieren, obwohl man sich nur zu Beginn in dieser Umgebung befindet. In einem klassischen Reißer dieser Art sind turbulente Strecken und diverse Ortswechsel eine Art Lebenselixier, nicht nur ein Markenzeichen. Als erster großer Blickfang dieses Beitrags ist sicherlich die originelle Animation des Titelvorspanns zu nennen, genauso wie die hochkarätige Besetzungsliste, die ihn vielversprechend verziert. Man sieht etliche gute alte Bekannte, die einiges an Erfahrung für einen derartigen Flick mitbringen. Die Frage ist nur, ob diese von vorneherein unorthodox wirkende Konstruktion auch hält? Schnell lichten sich die Reihen durch Mörderhand und die Inszenierung suggeriert einen brauchbaren Whodunit-Effekt.

Vergleicht man mit großen Vorbildern dieser Zunft, wird man schnell merken, das hier alles eine Spur kleiner gehalten ist, was insbesondere für die Doppelspitze der männlichen Hauptrollen gilt. Wo hingegen Pierre Brice alleine schon wegen seiner Erscheinung in die Kategorie eines Agenten fällt, ist es Heinz Drache, der ein wenig fremdartig anmuten will, obwohl er reichlich Erfahrung im Krimi-Sektor sammeln und seine Routine unter Beweis stellen konnte. Hier fährt der Wallace-Veteran allerdings gegen eine Wand namens Pierre Brice, und das nicht aufgrund überragender darstellerischer Kompetenzen, die hier übrigens so gut wie keiner der Beteiligten abzurufen braucht. Heinz Drache verblasst letztlich aus rein oberflächlichen, daher vielleicht weniger relevanten Gründen neben seinem französischen Schauspielkollegen, aber glücklicherweise kommt es zu keinerlei störenden Tendenzen. Weitere bekannte Namen liefern Walter Giller, Anton Diffring, Terence Hill oder beispielsweise Charles Regnier, und es weiß so gut wie jeder im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten zu überzeugen. Bei den Damen werden definitiv schwere Geschütze aufgefahren, denn Film-Schönheiten wie Daliah Lavi, Jana Brejchová oder Senta Berger bringen das ohnehin farbenfrohe Szenario noch mehr zum Strahlen. Bei der deutschen Synchronisation hört man die Crème de la Crème der damaligen Sprecher in zugegebenermaßen seichter Dialogarbeit, und Daliah Lavi ist in der Zirkusmanege mit ihrer eigenen Stimme zu hören, wenn sie ihr Lied singt, obwohl sie für den laufenden Film von Renate Heilmeyer gesprochen wird. Die exzellente Besetzung auf dem Papier kann bei aller Freude allerdings nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Geschichte insbesondere im Mittelteil zu schwächeln beginnt, denn es tut sich einfach zu wenig Zielführendes.

Vielleicht ist dies der Tatsache geschuldet, dass sich Weidenmann um einen sorgsam konstruierten Aufbau bemüht, doch es fehlt einfach an Spektakel. Für die nötige Aufmerksamkeit sorgen schließlich immer wieder Morde, die etwas zusammenhanglos wirken, da dem Zuschauer zu wenige Informationen mit auf den Weg gegeben werden. Glücklicherweise präsentiert sich die Inszenierung in einer überdurchschnittlich guten Verfassung, was interessanten Kamera-Einstellungen, der sehr gelungenen musikalischen Untermalung und der besonderen Schauplätze zu verdanken ist. Trotzdem kommt man einfach nicht umhin sich zu fragen, was das Ganze eigentlich soll? Pures Gift für einen solchen Streifen. "Schüsse im ¾ Takt" vermittelt leider eine Unentschlossenheit, die weniger auf das anvisierte Ziel bezogen sein soll, sondern auf die Tatsache, dass eben kein Beitrag entstanden ist, der sich in irgendeiner Weise von der Konkurrenz abheben kann, weil letztlich und global gesehen der Mut, möglicherweise sogar die Verzweiflung fehlt. Alle Hoffnungen liegen wegen des zu unspektakulären Verlaufs schließlich auf einem Finale, das ein spätes Ausrufezeichen zu versetzen mag und tatsächlich wird man zumindest nicht enttäuscht. Auffällig bei Alfred Weidenmanns abwechslungsreichem Film ist, dass es so gut wie keine, oder eher nur leise Anflüge von humorigen Untertönen gibt, sich der Film daher in ein viel zu ernstes Gewandt hüllt. Im Endeffekt kann man mit "Schüsse im ¾ Takt" aufgrund seiner glücklicherweise deutlich sichtbaren Vorzüge gut anfreunden, und falls man obendrein keine Wunder erwartet, stellen sich sogar unterhaltsame Strecken und ein kurzweiliges, mit österreichischem Charme versehenes Gesamtergebnis ein. Somit ist Weidenmanns Versuch im Großen und Ganzen relativ gelungen und problemlos anzuschauen, trotz des vorhandenen Potenzials, das leider liegen gelassen wurde.

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