ALTER EGO
- Richie Pistilli
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ALTER EGO
Alter Ego
CH 2023
R: Erik Bernasconi und Robert Ralston
D: Gianmarco Tognazzi, Matteo Martari, Maria Anolfo, Anna Pieri, Luca Di Giovanni, Katsiaryna Shulha, Marcos Piacentini, Igor Horvat, Jasmin Mattei, Roberto Citran, Massimo Rigo u.a.
Deutsche Erstaufführung: 7. August 2025
Episodenguide
3sat- / ZDF-Mediathek
Swissfilms
Amka-Films
OFDb
"Hier sterben Menschen und jeder macht sich nur Sorgen um die scheiß Fasnachtseinnahmen!"
Die Fasnacht – ein Intermezzo mitten im Winter, das Gelegenheit bietet, Ketten zu sprengen, sich gegen die etablierte Ordnung aufzulehnen und zum Chaos früherer Zeiten zurückzukehren. Es gibt weder Hierarchien noch Regeln: Alle können frei sein, wild, endlich sich selbst. Und selbst in der seriösen, untadeligen Schweiz entwickelt das Fest eine überwältigende, entweihende Kraft, die das tägliche Leben zum Erliegen bringt und eine ganze Gemeinschaft in eine Welt aus Licht und Farben entführt, die fasziniert und verblüfft, verzaubert und überrascht. Irgendwann beginnen die Masken aber langsam zu fallen. Am Tag nach dem Schmutzigen Donnerstag wird in der Nähe von Bellinzona die Leiche einer jungen Frau gefunden. Die Stadt wird in einen Albtraum zurückgeworfen, von dem alle dachten, man hätte ihn für immer hinter sich gelassen. Elf Jahre zuvor, auch während der Tage, in denen in Bellinzona der Fasnachtskönig, der sogenannte «Re Rabadan», regierte, haben ähnliche Verbrechen das Leben der Bellenzer Bevölkerung auf den Kopf gestellt und deren gegenseitiges Vertrauen tief zerrüttet. Wer hat beschlossen, sein Alter Ego zu entfesseln? Wer auch immer es war, sie oder er hat einen genauen Plan, ist gefährlich und skrupellos. Davon ist Leonardo Blum (Gian Marco Tognazzi), der mit den Ermittlungen beauftragte Kommissar, überzeugt. Blum ist ein schüchterner, geplagter Mann, der in den Verbrechen von heute die Spuren der Vergangenheit liest. Er verlässt sich auf ein Team von Fachleuten, das ihm dabei hilft, in den von ahnungslos feiernden Menschen überlaufenen Strassen Bellinzonas einen Serienmörder aufzuspüren. Dieser kann sich nämlich zwischen Konfetti und Luftschlangen völlig frei bewegen. Seine Verkleidung dient ihm als Tarnung. Eine Maske unter Masken. Wobei, tragen wir nicht alle ständig Masken? Kommissar Blum, der jeden Tag gegen die Geister seiner Vergangenheit und Gewissensbisse ankämpft, die ihn innerlich auffressen, mit Sicherheit. [Quelle: 3sat]
ALTER EGO ist eine spannungsgeladene Krimiserie, die von den beiden Regisseuren Erik Bernasconi und Robert Ralston zwischen Februar und April des Jahres 2023 in der Region Bellinzona gedreht wurde. Der Filmstab bestand dabei aus über 80 Fachleuten, mehr als 500 Statisten und rund 50 Schauspielern. Produziert wurde ALTER EGO in Zusammenarbeit zwischen der Amka Films, RSI (Radiotelevisione svizzera) und der SSR SRG (Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft), unterstützt von der Ticino Film Commission und unter der Schirmherrschaft der Stadt Bellinzona stehend. Nach Vorpremieren auf dem "Genfer Filmfestival" und beim "Castellinaria – Festival del cinema giovane" in Giubiasco feierte die Serie am 05. Dezember 2023 ihr Fernsehdebüt auf RSI LA 1, einem Fernsehsender der italienischsprachigen Schweiz.
Die Serie beginnt mit dem Fund einer Frauenleiche, wodurch in der Dorfgemeinschaft wiederum Erinnerungen an eine grausame Mordserie wach werden, die elf Jahre zuvor ebenfalls an den Fasnachtstagen in der beschaulichen Gemeinde vonstattenging. Dementsprechend stellt sich für die Ermittler bereits nach kurzer Zeit die Frage, ob der Täter von damals erneut sein Unwesen treibt, obwohl sich dieser laut mehreren Zeugenaussagen vor elf Jahren suizidierte? Oder handelt es sich bei dem aktuellen Täter um einen Bewunderer des Serienmörders, der seine damaligen Taten nachahmt? Natürlich könnte es sich auch um eine neue Mordserie handeln, die nichts mit der vorausgegangenen am Hut hat. Fragen über Fragen, die Kommissar Leonardo Blum und sein Team im Laufe der sechs Episoden zu beantworten versuchen. Was folgt, sind nicht nur weitere Morde, sondern auch zahlreiche Tatverdächtige, die nach und nach ins Visier der Ermittler rücken. Zu diesen zählen neben dem Sohn des damaligen Serienmörders beispielsweise auch ein Drogendealer, ein einflussreicher Geschäftsmann sowie ein Mensch mit Behinderung, der unter einer Impulskontrollstörung leidet. Fernerhin weitet sich die Dimension des Mordfalls im Zuge der Ermittlungen immer weiter aus und auch das vermutete Tatmotiv ändert sich ständig. Zudem fallen bei sämtlichen Rollencharakteren nach und nach die Masken, die diese seit der Mordserie vor elf Jahren angelegt haben. Dabei treten so einige Überraschungen zu Tage, mit denen der Zuschauer nicht unbedingt rechnet. Zwar eröffnet der Filmverlauf auch dementsprechend einige Nebenhandlungsstränge, die aber letztlich nie ins Zentrum des Geschehens rücken, sondern nur beiläufig erzählt werden. Je weiter die Handlung fortschreitet, desto höher steigt die Spannungskurve, die bereits ab der zweiten Folge volle Fahrt aufnimmt und mit einem dramatischen Finale endet. Was die inszenatorische Seite betrifft, so wurde durchweg sehr sorgfältig gearbeitet. Die Atmosphäre der Serie wirkt sehr finster, was wiederum durch ein düsteres Sounddesign verstärkt wird.
Als Hauptdarsteller verpflichteten die beiden Regisseure den italienischen Schauspieler Gianmarco Tognazzi, der zweimal für den Nastro d'Argento nominiert wurde, und zwar im Jahr 200 für den besten Darsteller in FIRST LIGHT OF DAWN sowie 2006 für die beste Nebenrolle in Michele Placidos Film ROMANZO CRIMINALE, aus dem wiederum 2008 die legendäre Serie von Stefano Sollima hervorging. Giammarco Tognazzi wurde am 11. Oktober 1967 in Rom als Sohn der beiden Schauspieler Ugo Tognazzi und Franca Bettoia geboren und war bereits als Jugendlicher an der Seite seines Vaters bei dessen Filmsets zugegen. In der Rolle des unermüdlichen Kommissars Blum legt er eine hervorragende Darbietung aufs Parkett. Kommissar Blum ist kein Mann der großen Worte, sondern vielmehr ein Getriebener, der die Mordserie vor elf Jahren noch nicht richtig verarbeitet hat. Hinzu gesellt sich ein Vater-Tochter-Konflikt, der den Kommissar schwer belastet. Matteo Martari spielt einen externen Profiler namens Novak, den Blum von seinem Vorgesetzten ungefragt vor die Nase gesetzt bekommt. Obwohl Michele Novak sich relativ gut in Blums Ermittlerteam einfügt, kommt es von Seiten des Kommissars immer wieder zu Revierkämpfen, deren Wogen sich aber schnell wieder glätten. Laura Tatti, die rechte Hand von Kommissar Blum, wird von der italienischen Schauspielerin Maria Anolfo gespielt. Tatti entpuppt sich nicht nur als eine emsige Ermittlerin, die hartnäckig den Spuren hinterherjagt, sondern auch als enge Bekannte des angeblich suizidierten Serienmörders, der zum damaligen Zeitpunkt der Trainer in ihrem Sportverein war. Die beiden Gerichtsmediziner, Camille Aubry und Kurt Lengen, die in der Serie ebenfalls tragende Rollen spielen, werden von der schweizerischen Schauspielerin Anna Pieri sowie dem italienischen Schauspieler Luca Di Giovanni verkörpert. In der Rolle der rasenden Reporterin Stella Ferrazzini tritt außerdem die belarussische Schauspielerin Katsiaryna Shulha in Erscheinung, die auch schon in Alessio Liguoris DIE YACHT - EIN MÖRDERISCHER TRIP mit von der Partie war.
Alles in Allem überzeugte mich ALTER EGO auf ganzer Linie.
Aktuell steht die Serie in den Mediatheken von ZDF und 3sat zur Verfügung.
Fazit: Dramatisch, spannend, gut!
Trailer:
- Richie Pistilli
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Re: ALTER EGO
Interview mit dem Schauspieler Gian Marco Tognazzi: „Zwischen Fiktion und dem Karneval von Bellinzona hat sich eine Symbiose entwickelt“
Beginnen wir mit seinen ersten Eindrücken von der Serie ...
„Positiv: Während der Dreharbeiten zu Alter Ego entdeckte ich die Begeisterung und Hingabe meines Vaters wieder, die ich als Kind erlebt hatte, wie die kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Drehbuchautoren, Regisseuren und Schauspielern, die ein Team bilden, das sich einer anspruchsvollen Aufgabe bewusst ist: sechs Folgen in elf Wochen mit einem guten Budget, aber wenig Zeit zu drehen. Diese Krimiserie spielt in Bellinzona, während des Karnevals, und ist irgendwie mit einem Ereignis verknüpft, das sich zwölf Jahre zuvor ereignet hat. Die Figur, die ich spiele, Kommissar Leonardo Blum, erlebt das Trauma seines Lebens erneut, das ihn so sehr geprägt hat, dass es ihn von seiner Familie entfremdet und zu einer schwierigen Beziehung zu seiner Tochter geführt hat. Er ist ein Mann, der Schwierigkeiten hat, seine Gefühle zu zeigen, voller Schuldgefühle, weil er nicht verstanden hat, weil er nicht rechtzeitig da war, um das zu lösen, was er hätte vermeiden können. Die Verlegung der Serie während des Karnevals von Bellinzona war ebenfalls überraschend; die Aufnahmen sind so gut aufeinander abgestimmt, dass es scheint, als wären die Schauspieler tatsächlich Teil des Geschehens. Normalerweise sieht man bei solchen Anlässen immer Beachten Sie den Unterschied zwischen den Live-Action- und den fiktiven Szenen. Hier ist alles homogen, von der Fotografie über die Atmosphäre bis hin zum Tempo. Es scheint, als würde der Karneval der fiktiven Szene dienen, nicht als hätte diese vom Karneval etwas übernommen".
In Ihrer letzten Serie haben Sie oft einen Dieb gespielt. Der Protagonist von Alter Ego , Leonardo Blum, ist ein Polizeikommissar. Welche Beziehung haben Sie zu Ihren Figuren?
„Ein Schauspieler ist verfügbar. Ich habe Film und Theater immer anhand der Möglichkeiten, die andere mir bieten, in Betracht gezogen und gesucht, denn ein Schauspieler nimmt nicht einfach eine Gitarre in die Hand und legt los. Es ist ein Beruf, in dem viele Faktoren eine Rolle spielen, und es erfordert viel Entschlossenheit, da man im Dienste einer Geschichte steht. Eine Figur muss mich vor Herausforderungen stellen, damit ich es vermeiden kann, selbst auf die Bühne zu gehen. Um sie aufzubauen, muss ich ihre Eigenschaften und Schwächen herausfinden. Diese Serie passt zwischen diese verschiedenen Rollen und versetzt mich in ein völlig anderes Klima: Noir, dramatisch, wo es keinen Platz für Komödie gibt.“
Neben Film und Theater ist Ihre Karriere auch stark im Fernsehen angesiedelt. In Ihrem Buch über Ihren Vater Ugo, „Das Leben, die Lieben und die Witze eines geretteten Vaters“ (Rai Libri, 2020), hört man eine starke Nostalgie für ein Italien, in dem das Kino der Mittelpunkt von allem zu sein schien. Wie erleben Sie diese Veränderungen?
Ich habe eine weitere Leidenschaft im Leben entdeckt: den Wein. Seit zehn Jahren kümmere ich mich um das Anwesen, das mein Vater Ugo in Velletri gegründet hat und das er ironischerweise La Tognazza nannte, weil Landgut, Landleben und Landwirtschaft weiblich sind, weshalb er den Nachnamen feminisierte. Das Kino ist eine weitere große Leidenschaft von mir, aber heute hat es zunehmend andere Ausprägungen. Ich brauche Anregungen, vor allem in menschlichen Beziehungen, wie im Fall von Alter Ego , mit Menschen, die etwas teilen wollen und in denen Begeisterung, Respekt und Vertrauen herrschen. Menschliche Beziehungen, Freundschaften zwischen den Augen, erinnern mich an die Konstruktion von Charakteren, Geschichten und Witzen, die an Ugos Tisch stattfanden, wo der Tisch die gesellige Versammlung war, die Erfindungen, Ideen, Hypothesen, Handlungen, zwischenmenschliche Beziehungen, Vergleiche und Konflikte hervorbrachte. Leider ist diese Art der Interaktion in der heutigen Filmindustrie immer schwieriger zu finden. Die Entscheidung, einen Film zu drehen, wird oft von großen Produktionen oder Verleihern getroffen; es gibt keinen Produzenten mehr, der die Beziehung zum Regisseur und den Schauspielern pflegt, die wiederum Ich interagiere mit den Drehbuchautoren, und die Leute treffen sich und werden Freunde im Leben. So war es früher auf den Tonbühnen. Heute ist es ein ganz eigener Beruf, und durch Wein versuche ich, diese Atmosphäre wieder einzufangen. Das sind alles Kreise, die sich irgendwann schließen, auch spontan. Ugo entwickelte eine Lebensphilosophie, die auf unterschiedliche Weise Teil von mir, Ricky und Maria Sole (seinen Geschwistern – Anm. d. Red.) ist. Er hatte Einblicke in so viele andere Dinge, von den Charakteren, die er spielte, über die Idee der Großfamilie, die Küche, über die damals niemand sprach, bis hin zu den ersten „Fake News“, die seine Verhaftung als mutmaßlicher Anführer der Roten Brigaden ankündigten. Heute sehe ich eine Unfähigkeit, diese Erinnerung weiterzugeben, und ich habe es immer als meine Pflicht angesehen, dies zu tun, auch durch mein individuelles Handeln. Ugo war unkonventionell – nicht um etwas zu beweisen, sondern weil er das Bedürfnis verspürte, sein Leben so zu leben.
Quelle: https://www.cdt.ch/societa/televisione/ ... osi-336088
Beginnen wir mit seinen ersten Eindrücken von der Serie ...
„Positiv: Während der Dreharbeiten zu Alter Ego entdeckte ich die Begeisterung und Hingabe meines Vaters wieder, die ich als Kind erlebt hatte, wie die kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Drehbuchautoren, Regisseuren und Schauspielern, die ein Team bilden, das sich einer anspruchsvollen Aufgabe bewusst ist: sechs Folgen in elf Wochen mit einem guten Budget, aber wenig Zeit zu drehen. Diese Krimiserie spielt in Bellinzona, während des Karnevals, und ist irgendwie mit einem Ereignis verknüpft, das sich zwölf Jahre zuvor ereignet hat. Die Figur, die ich spiele, Kommissar Leonardo Blum, erlebt das Trauma seines Lebens erneut, das ihn so sehr geprägt hat, dass es ihn von seiner Familie entfremdet und zu einer schwierigen Beziehung zu seiner Tochter geführt hat. Er ist ein Mann, der Schwierigkeiten hat, seine Gefühle zu zeigen, voller Schuldgefühle, weil er nicht verstanden hat, weil er nicht rechtzeitig da war, um das zu lösen, was er hätte vermeiden können. Die Verlegung der Serie während des Karnevals von Bellinzona war ebenfalls überraschend; die Aufnahmen sind so gut aufeinander abgestimmt, dass es scheint, als wären die Schauspieler tatsächlich Teil des Geschehens. Normalerweise sieht man bei solchen Anlässen immer Beachten Sie den Unterschied zwischen den Live-Action- und den fiktiven Szenen. Hier ist alles homogen, von der Fotografie über die Atmosphäre bis hin zum Tempo. Es scheint, als würde der Karneval der fiktiven Szene dienen, nicht als hätte diese vom Karneval etwas übernommen".
In Ihrer letzten Serie haben Sie oft einen Dieb gespielt. Der Protagonist von Alter Ego , Leonardo Blum, ist ein Polizeikommissar. Welche Beziehung haben Sie zu Ihren Figuren?
„Ein Schauspieler ist verfügbar. Ich habe Film und Theater immer anhand der Möglichkeiten, die andere mir bieten, in Betracht gezogen und gesucht, denn ein Schauspieler nimmt nicht einfach eine Gitarre in die Hand und legt los. Es ist ein Beruf, in dem viele Faktoren eine Rolle spielen, und es erfordert viel Entschlossenheit, da man im Dienste einer Geschichte steht. Eine Figur muss mich vor Herausforderungen stellen, damit ich es vermeiden kann, selbst auf die Bühne zu gehen. Um sie aufzubauen, muss ich ihre Eigenschaften und Schwächen herausfinden. Diese Serie passt zwischen diese verschiedenen Rollen und versetzt mich in ein völlig anderes Klima: Noir, dramatisch, wo es keinen Platz für Komödie gibt.“
Neben Film und Theater ist Ihre Karriere auch stark im Fernsehen angesiedelt. In Ihrem Buch über Ihren Vater Ugo, „Das Leben, die Lieben und die Witze eines geretteten Vaters“ (Rai Libri, 2020), hört man eine starke Nostalgie für ein Italien, in dem das Kino der Mittelpunkt von allem zu sein schien. Wie erleben Sie diese Veränderungen?
Ich habe eine weitere Leidenschaft im Leben entdeckt: den Wein. Seit zehn Jahren kümmere ich mich um das Anwesen, das mein Vater Ugo in Velletri gegründet hat und das er ironischerweise La Tognazza nannte, weil Landgut, Landleben und Landwirtschaft weiblich sind, weshalb er den Nachnamen feminisierte. Das Kino ist eine weitere große Leidenschaft von mir, aber heute hat es zunehmend andere Ausprägungen. Ich brauche Anregungen, vor allem in menschlichen Beziehungen, wie im Fall von Alter Ego , mit Menschen, die etwas teilen wollen und in denen Begeisterung, Respekt und Vertrauen herrschen. Menschliche Beziehungen, Freundschaften zwischen den Augen, erinnern mich an die Konstruktion von Charakteren, Geschichten und Witzen, die an Ugos Tisch stattfanden, wo der Tisch die gesellige Versammlung war, die Erfindungen, Ideen, Hypothesen, Handlungen, zwischenmenschliche Beziehungen, Vergleiche und Konflikte hervorbrachte. Leider ist diese Art der Interaktion in der heutigen Filmindustrie immer schwieriger zu finden. Die Entscheidung, einen Film zu drehen, wird oft von großen Produktionen oder Verleihern getroffen; es gibt keinen Produzenten mehr, der die Beziehung zum Regisseur und den Schauspielern pflegt, die wiederum Ich interagiere mit den Drehbuchautoren, und die Leute treffen sich und werden Freunde im Leben. So war es früher auf den Tonbühnen. Heute ist es ein ganz eigener Beruf, und durch Wein versuche ich, diese Atmosphäre wieder einzufangen. Das sind alles Kreise, die sich irgendwann schließen, auch spontan. Ugo entwickelte eine Lebensphilosophie, die auf unterschiedliche Weise Teil von mir, Ricky und Maria Sole (seinen Geschwistern – Anm. d. Red.) ist. Er hatte Einblicke in so viele andere Dinge, von den Charakteren, die er spielte, über die Idee der Großfamilie, die Küche, über die damals niemand sprach, bis hin zu den ersten „Fake News“, die seine Verhaftung als mutmaßlicher Anführer der Roten Brigaden ankündigten. Heute sehe ich eine Unfähigkeit, diese Erinnerung weiterzugeben, und ich habe es immer als meine Pflicht angesehen, dies zu tun, auch durch mein individuelles Handeln. Ugo war unkonventionell – nicht um etwas zu beweisen, sondern weil er das Bedürfnis verspürte, sein Leben so zu leben.
Quelle: https://www.cdt.ch/societa/televisione/ ... osi-336088
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Re: ALTER EGO
Interview mit den beiden Regisseuren Regisseure Erik Bernasconi und Robert Ralston: „Alter Ego: unser nordischer Thriller mit Spielort Bellinzona“
Eine Schreibphase, die 2019 begann. Elf Wochen lang wurde zwischen Februar und April dieses Jahres in der Region Bellinzona gedreht. Ein grosses Team, mehrheitlich aus dem Tessin, bestehend aus über 80 Fachleuten aus der Branche, mehr als 500 Statisten und rund 50 Schauspielern. Dies sind einige der Zahlen der Serie, die von Amka Films in Koproduktion mit RSI SSR SRG, unterstützt von der Ticino Film Commission und unter der Schirmherrschaft der Stadt Bellinzona produziert wurde. Die Hauptrolle spielt der italienische Schauspieler Gian Marco Tognazzi, in einer Besetzung, zu der bekannte Schweizer Gesichter wie Anna Pieri Zürcher oder Bruno Todeschini sowie Tessiner wie Igor Horvat, Tatiana Winteler, Roberta Fossile, Margherita Coldesina, Jasmin Mattei oder Max Zampetti gehören, um nur einige zu nennen. Die Serie wird vollständig im Tessin produziert und soll die Grenzen der italienischen und nationalen Schweiz überschreiten: Die internationalen Vertriebsrechte wurden bereits vom unabhängigen französischen Verleih Wild Bunch TV erworben. Am Vorabend der Ausstrahlung tauchen wir gemeinsam mit den beiden Regisseuren der Serie, dem Tessiner Erik Bernasconi (Sinestesia, Fuori mira) und dem Bündner Robert Ralston (Il demolitore di camper), in Alter Ego ein.
Beginnen wir mit den Drehorten. Wie kam es dazu, dass Sie in Bellinzona das ideale Set gefunden haben?
EB: „Die verschiedenen Schreibphasen haben das Projekt grundlegend verändert und den Schauplatz sehr wichtig gemacht. Bellinzona war praktisch ab der zweiten Phase der Drehbuchentwicklung der richtige Ort für die Geschichte. Es bestand auch die Möglichkeit, die Geschichte in einem kleinen Bergdorf anzusiedeln, aber wir haben diese Option sehr schnell verworfen, da einige der Dynamiken, die wir inszenierten, an einem so kleinen Ort schwer vorstellbar gewesen wären. Bellinzona erschien uns aufgrund seiner Größe perfekt, und weil es mit seiner mittelalterlichen Zitadelle auch irgendwie die Idee des Thrillers verkörpert, den wir erzählen wollten, dieses Gefangensein in bestimmten psychologischen Dynamiken, die zur Entfaltung der Handlung führen. Dann hat Bellinzona selbst ein sehr wichtiges Element, das ich als Bellinzonerin sehr liebe und das, mit der Spontaneität, die die Dinge entwickeln, seinen Teil dazu beigetragen hat: den Karneval.“
RR: „Ich habe die Entstehung des Projekts in seinen verschiedenen Schreibphasen nicht mitverfolgt, sondern bin erst dazugestoßen, als entschieden war, die Serie zu verfilmen. Die Idee mit dem Karneval war mir anfangs etwas fremd, aber Erik überzeugte mich, dass uns dieses Element sehr helfen würde. Tatsächlich erzählen wir von einer Situation, in der sich äußeres Chaos in innerem Chaos widerspiegelt, und diese starken Kontraste waren für die Geschichte sehr nützlich. Ich finde auch, dass die Wahl von Bellinzona als Drehort sehr gut funktioniert, wegen seiner Größe, seiner Burgen und der umliegenden Berge. Wir haben im Winter gedreht – auch wenn man das nicht so gut sieht, weil das Wetter immer schön war (lacht, Anm. d. Red.) – und so entsteht diese leicht düstere Atmosphäre, die wir immer angestrebt haben und die zu der Geschichte passt, wie wir sie uns vorgestellt haben.“
Es ist die erste Serie dieser Grösse und dieses Umfangs, die komplett im Tessin gefertigt wurde. Was war die grösste Herausforderung?
RR: „Die größte Herausforderung war die sehr kurze Zeit, die wir hatten, um alles vorzubereiten. Ich spreche nicht vom Dreh selbst, sondern von dem Moment, wenn man das OK bekommt und herausfinden muss, was man eigentlich mit dem Drehbuch macht, wie man es in Bilder umsetzt, wo und mit wem man zusammenarbeitet. Die großen Dinge muss man vor dem Dreh verstehen. Das war meiner Meinung nach die schwierigste Phase. Beim Drehen ist jeder Tag ein Kampf, aber am Ende geht es um die kleinen Dinge. Es hängt so sehr von den Mitarbeitern ab, die man auswählt, und wir hatten großes Glück.“
EB: „Wir hatten die wunderbare Gelegenheit, eine Art Dreamteam mit Tessiner Filmkenntnissen zusammenzustellen. Einige der Teilnehmer von Alter Ego stammen aus dem Tessin, leben aber ausserhalb des Kantons, wie zum Beispiel der in Lausanne ansässige Kameramann Pietro Zuercher. In seinem Team waren mehrere Tessiner, die in Zürich lebten, aber für die Serie zurückkehrten: Ein so grosses Projekt ist auch für diejenigen attraktiv, die anderswo stabilere Arbeitsbedingungen gesucht haben. Sie alle schienen sehr glücklich, wieder zu Hause arbeiten zu können. Natürlich gab es auch diejenigen, die in unserer Region leben und arbeiten, und einige, die natürlich von auswärts kamen: Wir haben all dieses Wissen mit grosser Zufriedenheit kombiniert. Ich möchte noch eine allgemeine Anmerkung hinzufügen, indem ich auf die Frage der Herausforderungen zurückkomme. Eine davon war der enorme Arbeitsaufwand, nicht nur für uns Regisseure, sondern für alle, die Produktion, die Kreativabteilungen und so weiter. In der Praxis war es, als hätten wir drei Filme in der – ohnehin schon knappen – Zeit gedreht, die man normalerweise für zwei Filme hat. Das zwang uns, sehr präzise und manchmal so schnell wie möglich zu arbeiten und sehr rasch Entscheidungen zu treffen. Aber wir waren von vielen Leidenschaft und viel Wille von allen. Darauf legen wir Wert.“
Sie kommen beide nicht aus dem Thriller-Genre. Wie haben Sie sich auf ein solches Thema vorbereitet?
RR: „Man muss die Sprache dieses Genres verstehen. Und wenn es, wie in diesem Fall, zwei Regisseure gibt, müssen sie sich verstehen, aber wir hatten in dieser Hinsicht großes Glück. Natürlich haben wir uns vorbereitet und uns viele Noir- und Thriller-Filme angesehen. Wir wollten einige Elemente verwenden, die uns gefielen und die unsere Geschichte am eindringlichsten erzählen konnten. Es ging darum, andere Filme, andere Serien und unseren Geschmack zu analysieren, alles zu vermischen und gemeinsam mit dem Kameramann herauszufinden, wie wir diese Geschichte in der kurzen Zeit erzählen konnten, die uns zur Verfügung stand: Wenn man zwei Stunden Zeit hat, um eine Szene zu drehen, verschwendet man sie nicht.“
EB: „Ich glaube, es war ein Glück für uns, dass wir zum ersten Mal mit Thrillern in Berührung kamen, denn wir haben unsere Unwissenheit demütig zur Schau gestellt. Robert und ich hatten die gleichen Startvoraussetzungen. Wir hatten bereits gewusst, welche Art von Thriller wir machen wollten. Es gibt da eine witzige Folge. Einmal sprach ich über die eine Serie und Robert über eine andere, so kam es uns zumindest vor. Ich meinte „The Killing“, eine dänische Serie (von der es auch ein amerikanisches Remake gab, Anm. d. Red.) und Robert sprach über Kommissar Lund. Aufgrund unserer unterschiedlichen Sprachkenntnisse war uns nicht sofort klar, dass wir über dasselbe sprachen (lacht, Anm. d. Red.), denn Kommissar Lund ist niemand anderes als der Protagonist von „The Killing“! Ohne es zu wissen, hatten wir also die gleiche Ausgangsbasis und den gleichen Geschmack, und das war entscheidend.“
Sie haben „The Killing“ erwähnt, und tatsächlich wurde „Alter Ego“ von vielen als sogenannter „Nordic Noir“ bezeichnet. Welche Elemente wollten Sie sich in dieser Abwandlung des Genres besonders zu eigen machen? Hatten Sie keine Bedenken, dass das Tessin nicht sofort eine solche Atmosphäre hervorrufen würde?
EB: „Ich denke, es ist immer leicht, die Tessiner Bevölkerung als mediterran zu definieren, aber in Wirklichkeit glaube ich nicht, dass wir das wirklich sind. Wir sind Vallerani, wir sind Schweizer. Das heißt, ich habe nicht das Gefühl, dass die Menschen so verschieden sind. Vom nordischen Thriller wollten wir vor allem die Art und Weise übernehmen, wie die Charaktere dargestellt werden. Darüber hinaus mussten wir uns mit einem Modell auseinandersetzen, das auf dem Papier nicht unerreichbar war. Den Skandinaviern gelingt es durch ihr Können, großartige Produkte zu schaffen, ohne die enormen Mittel der Amerikaner einzusetzen. Wir sagten uns, wenn wir gut arbeiten, können wir vielleicht auch das tun, was die Skandinavier tun.“
RR „Was uns faszinierte, war der ausdrucksstarke Einsatz der Kamera. Die Kamera musste uns wirklich dabei helfen, in die Psychologie der Charaktere einzudringen, denn genau das machen die nordischen Produktionen: Sie nutzen das visuelle Element, um den inneren Zustand der Protagonisten zu vermitteln.“
EB: „Und auch mit einem gewissen Minimalismus. Die Figuren – allesamt Menschen – erleben große Emotionen, aber es gibt bestimmte Möglichkeiten, diese auszudrücken. Die nordische Art, die uns interessierte, besteht in kleinen Gesten, die große Emotionen ausdrücken. Ich weiß nicht, ob uns das gelungen ist, aber das war unser Versuch. Im Einsatz der Kamera, im Schauspiel, in der Beziehung der Figuren zum Raum ging es darum, eine Subtilität zu erreichen, die etwas Wichtiges aussagt. Dann mussten wir an einem Tag sieben oder acht Minuten Filmmaterial mit nach Hause nehmen, und manchmal vergaßen wir diese Subtilität, aber wir haben es immer versucht!“ (lacht, Anm. d. Red.)
Quelle: https://ticinofilmcommission.ch/en/arti ... bellinzona
Eine Schreibphase, die 2019 begann. Elf Wochen lang wurde zwischen Februar und April dieses Jahres in der Region Bellinzona gedreht. Ein grosses Team, mehrheitlich aus dem Tessin, bestehend aus über 80 Fachleuten aus der Branche, mehr als 500 Statisten und rund 50 Schauspielern. Dies sind einige der Zahlen der Serie, die von Amka Films in Koproduktion mit RSI SSR SRG, unterstützt von der Ticino Film Commission und unter der Schirmherrschaft der Stadt Bellinzona produziert wurde. Die Hauptrolle spielt der italienische Schauspieler Gian Marco Tognazzi, in einer Besetzung, zu der bekannte Schweizer Gesichter wie Anna Pieri Zürcher oder Bruno Todeschini sowie Tessiner wie Igor Horvat, Tatiana Winteler, Roberta Fossile, Margherita Coldesina, Jasmin Mattei oder Max Zampetti gehören, um nur einige zu nennen. Die Serie wird vollständig im Tessin produziert und soll die Grenzen der italienischen und nationalen Schweiz überschreiten: Die internationalen Vertriebsrechte wurden bereits vom unabhängigen französischen Verleih Wild Bunch TV erworben. Am Vorabend der Ausstrahlung tauchen wir gemeinsam mit den beiden Regisseuren der Serie, dem Tessiner Erik Bernasconi (Sinestesia, Fuori mira) und dem Bündner Robert Ralston (Il demolitore di camper), in Alter Ego ein.
Beginnen wir mit den Drehorten. Wie kam es dazu, dass Sie in Bellinzona das ideale Set gefunden haben?
EB: „Die verschiedenen Schreibphasen haben das Projekt grundlegend verändert und den Schauplatz sehr wichtig gemacht. Bellinzona war praktisch ab der zweiten Phase der Drehbuchentwicklung der richtige Ort für die Geschichte. Es bestand auch die Möglichkeit, die Geschichte in einem kleinen Bergdorf anzusiedeln, aber wir haben diese Option sehr schnell verworfen, da einige der Dynamiken, die wir inszenierten, an einem so kleinen Ort schwer vorstellbar gewesen wären. Bellinzona erschien uns aufgrund seiner Größe perfekt, und weil es mit seiner mittelalterlichen Zitadelle auch irgendwie die Idee des Thrillers verkörpert, den wir erzählen wollten, dieses Gefangensein in bestimmten psychologischen Dynamiken, die zur Entfaltung der Handlung führen. Dann hat Bellinzona selbst ein sehr wichtiges Element, das ich als Bellinzonerin sehr liebe und das, mit der Spontaneität, die die Dinge entwickeln, seinen Teil dazu beigetragen hat: den Karneval.“
RR: „Ich habe die Entstehung des Projekts in seinen verschiedenen Schreibphasen nicht mitverfolgt, sondern bin erst dazugestoßen, als entschieden war, die Serie zu verfilmen. Die Idee mit dem Karneval war mir anfangs etwas fremd, aber Erik überzeugte mich, dass uns dieses Element sehr helfen würde. Tatsächlich erzählen wir von einer Situation, in der sich äußeres Chaos in innerem Chaos widerspiegelt, und diese starken Kontraste waren für die Geschichte sehr nützlich. Ich finde auch, dass die Wahl von Bellinzona als Drehort sehr gut funktioniert, wegen seiner Größe, seiner Burgen und der umliegenden Berge. Wir haben im Winter gedreht – auch wenn man das nicht so gut sieht, weil das Wetter immer schön war (lacht, Anm. d. Red.) – und so entsteht diese leicht düstere Atmosphäre, die wir immer angestrebt haben und die zu der Geschichte passt, wie wir sie uns vorgestellt haben.“
Es ist die erste Serie dieser Grösse und dieses Umfangs, die komplett im Tessin gefertigt wurde. Was war die grösste Herausforderung?
RR: „Die größte Herausforderung war die sehr kurze Zeit, die wir hatten, um alles vorzubereiten. Ich spreche nicht vom Dreh selbst, sondern von dem Moment, wenn man das OK bekommt und herausfinden muss, was man eigentlich mit dem Drehbuch macht, wie man es in Bilder umsetzt, wo und mit wem man zusammenarbeitet. Die großen Dinge muss man vor dem Dreh verstehen. Das war meiner Meinung nach die schwierigste Phase. Beim Drehen ist jeder Tag ein Kampf, aber am Ende geht es um die kleinen Dinge. Es hängt so sehr von den Mitarbeitern ab, die man auswählt, und wir hatten großes Glück.“
EB: „Wir hatten die wunderbare Gelegenheit, eine Art Dreamteam mit Tessiner Filmkenntnissen zusammenzustellen. Einige der Teilnehmer von Alter Ego stammen aus dem Tessin, leben aber ausserhalb des Kantons, wie zum Beispiel der in Lausanne ansässige Kameramann Pietro Zuercher. In seinem Team waren mehrere Tessiner, die in Zürich lebten, aber für die Serie zurückkehrten: Ein so grosses Projekt ist auch für diejenigen attraktiv, die anderswo stabilere Arbeitsbedingungen gesucht haben. Sie alle schienen sehr glücklich, wieder zu Hause arbeiten zu können. Natürlich gab es auch diejenigen, die in unserer Region leben und arbeiten, und einige, die natürlich von auswärts kamen: Wir haben all dieses Wissen mit grosser Zufriedenheit kombiniert. Ich möchte noch eine allgemeine Anmerkung hinzufügen, indem ich auf die Frage der Herausforderungen zurückkomme. Eine davon war der enorme Arbeitsaufwand, nicht nur für uns Regisseure, sondern für alle, die Produktion, die Kreativabteilungen und so weiter. In der Praxis war es, als hätten wir drei Filme in der – ohnehin schon knappen – Zeit gedreht, die man normalerweise für zwei Filme hat. Das zwang uns, sehr präzise und manchmal so schnell wie möglich zu arbeiten und sehr rasch Entscheidungen zu treffen. Aber wir waren von vielen Leidenschaft und viel Wille von allen. Darauf legen wir Wert.“
Sie kommen beide nicht aus dem Thriller-Genre. Wie haben Sie sich auf ein solches Thema vorbereitet?
RR: „Man muss die Sprache dieses Genres verstehen. Und wenn es, wie in diesem Fall, zwei Regisseure gibt, müssen sie sich verstehen, aber wir hatten in dieser Hinsicht großes Glück. Natürlich haben wir uns vorbereitet und uns viele Noir- und Thriller-Filme angesehen. Wir wollten einige Elemente verwenden, die uns gefielen und die unsere Geschichte am eindringlichsten erzählen konnten. Es ging darum, andere Filme, andere Serien und unseren Geschmack zu analysieren, alles zu vermischen und gemeinsam mit dem Kameramann herauszufinden, wie wir diese Geschichte in der kurzen Zeit erzählen konnten, die uns zur Verfügung stand: Wenn man zwei Stunden Zeit hat, um eine Szene zu drehen, verschwendet man sie nicht.“
EB: „Ich glaube, es war ein Glück für uns, dass wir zum ersten Mal mit Thrillern in Berührung kamen, denn wir haben unsere Unwissenheit demütig zur Schau gestellt. Robert und ich hatten die gleichen Startvoraussetzungen. Wir hatten bereits gewusst, welche Art von Thriller wir machen wollten. Es gibt da eine witzige Folge. Einmal sprach ich über die eine Serie und Robert über eine andere, so kam es uns zumindest vor. Ich meinte „The Killing“, eine dänische Serie (von der es auch ein amerikanisches Remake gab, Anm. d. Red.) und Robert sprach über Kommissar Lund. Aufgrund unserer unterschiedlichen Sprachkenntnisse war uns nicht sofort klar, dass wir über dasselbe sprachen (lacht, Anm. d. Red.), denn Kommissar Lund ist niemand anderes als der Protagonist von „The Killing“! Ohne es zu wissen, hatten wir also die gleiche Ausgangsbasis und den gleichen Geschmack, und das war entscheidend.“
Sie haben „The Killing“ erwähnt, und tatsächlich wurde „Alter Ego“ von vielen als sogenannter „Nordic Noir“ bezeichnet. Welche Elemente wollten Sie sich in dieser Abwandlung des Genres besonders zu eigen machen? Hatten Sie keine Bedenken, dass das Tessin nicht sofort eine solche Atmosphäre hervorrufen würde?
EB: „Ich denke, es ist immer leicht, die Tessiner Bevölkerung als mediterran zu definieren, aber in Wirklichkeit glaube ich nicht, dass wir das wirklich sind. Wir sind Vallerani, wir sind Schweizer. Das heißt, ich habe nicht das Gefühl, dass die Menschen so verschieden sind. Vom nordischen Thriller wollten wir vor allem die Art und Weise übernehmen, wie die Charaktere dargestellt werden. Darüber hinaus mussten wir uns mit einem Modell auseinandersetzen, das auf dem Papier nicht unerreichbar war. Den Skandinaviern gelingt es durch ihr Können, großartige Produkte zu schaffen, ohne die enormen Mittel der Amerikaner einzusetzen. Wir sagten uns, wenn wir gut arbeiten, können wir vielleicht auch das tun, was die Skandinavier tun.“
RR „Was uns faszinierte, war der ausdrucksstarke Einsatz der Kamera. Die Kamera musste uns wirklich dabei helfen, in die Psychologie der Charaktere einzudringen, denn genau das machen die nordischen Produktionen: Sie nutzen das visuelle Element, um den inneren Zustand der Protagonisten zu vermitteln.“
EB: „Und auch mit einem gewissen Minimalismus. Die Figuren – allesamt Menschen – erleben große Emotionen, aber es gibt bestimmte Möglichkeiten, diese auszudrücken. Die nordische Art, die uns interessierte, besteht in kleinen Gesten, die große Emotionen ausdrücken. Ich weiß nicht, ob uns das gelungen ist, aber das war unser Versuch. Im Einsatz der Kamera, im Schauspiel, in der Beziehung der Figuren zum Raum ging es darum, eine Subtilität zu erreichen, die etwas Wichtiges aussagt. Dann mussten wir an einem Tag sieben oder acht Minuten Filmmaterial mit nach Hause nehmen, und manchmal vergaßen wir diese Subtilität, aber wir haben es immer versucht!“ (lacht, Anm. d. Red.)
Quelle: https://ticinofilmcommission.ch/en/arti ... bellinzona