MÄDCHEN OHNE GRENZEN - Géza von Radványi

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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MÄDCHEN OHNE GRENZEN - Géza von Radványi

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MÄDCHEN OHNE GRENZEN


● MÄDCHEN OHNE GRENZEN (D|1955)
mit Sonja Ziemann, Ivan Desny, Claus Biederstaedt, Ginette Pigeon, Maria Sebaldt, Pero Alexander, Michael Burk,
Rolf von Nauckhoff, Michael Janisch, Gabrielle Steffan, Wolf Petersen sowie Louis de Funès und Barbara Rütting
eine Produktion der Neue Deutsche Filmgesellschaft | im Europa Filmverleih
ein Film von Géza von Radványi

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»In der letzten Minute lügt niemand!«


Um ihr Studium zu finanzieren, arbeitet Helga Gruber (Sonja Ziemann) als Stewardess auf der Fluglinie München-Athen. Als sie eines Tages den weltmännisch wirkenden Passagier Eric Johnson (Ivan Desny) kennenlernt, verliebt sie sich vor der imposanten Kulisse Athens in ihn, doch Eric verschweigt der jungen Frau, dass er bereits verheiratet ist und einen kleinen Sohn hat. Für Helga bricht eine Welt zusammen, doch eines Tages wird Helga mit dem Schicksal konfrontiert, da die komplette Familie Johnson mit ihrer Maschine fliegt. Als es beim Flug zu schweren Turbulenzen kommt, gerät vor allem Erics Frau Maria (Barbara Rütting) in Lebensgefahr. Helga steht vor der schweren Entscheidung, ihr eigenes Leben für sie zu riskieren …

Der ungarische Regisseur und Drehbuchautor Géza von Radványi stand im Produktionsjahr 1955 noch am Anfang seiner bundesdeutschen Filmkarriere und präsentiert in "Mädchen ohne Grenzen" bereits typische Charakteristika seines Inszenierungsstils, der in späteren Jahren folgen sollte. Gedreht vor imposanten Kulissen in München und Athen, außerdem einkopiertem Material, teilt sich dieses Melodram in zwei gut miteinander verstrickte Partien auf, die sich aus auswegloser Liebesgeschichte und teils drastischem Katastrophenfilm ergeben. Eine Stewardess lernt einen Passagier kennen und lieben, offensichtlich glaubt sie fest daran, es könne der Mann ihres Lebens werden. Doch dieser offenbar gut situierte Herr hat bereits ein Leben, das bislang gut ohne sie stattgefunden hat oder auch weiter ohne sie verlaufen dürfte. Da von Anfang an nichts reibungslos verläuft, wittert das Publikum gleich mehrere Turbulenzen, die von der Regie auch anschaulich präsentiert werden. Eigenartig erscheint das Ausbuchstabieren der hier geschilderten Emotionen, die doch beinahe nicht aufrichtig wirken, da alte Rollenverteilungen quasi ergebnislos interpretiert werden. Die beiden wichtigen Frauen des Szenarios werden sich trotz unterschiedlicher Positionen im Leben in der gleichen Position wiederfinden, doch es kommt zu keinen wilden Gefühlsausbrüchen, temperamentvollen Kurzschlusshandlungen oder gar Vorhaltungen, Hass und Rachegelüsten. Dem Mann zwischen zwei Stühlen wird bedingungsloses Verständnis gegenüber gebracht, seine eigentliche Schachmatt-Situation durch eine beinahe unmögliche Rochade legitimiert. Der Zuschauer lernt die beiden sympathischen Frauen seines Lebens zwischen den Flügen kennen und schätzen, bis er sich ebenfalls im Sog der weichgespült wirkenden Fronten wiederfindet und zumindest Verständnis dafür aufbringen möchte, dass man sich zu beiden Damen gleichzeitig hingezogen fühlen darf. Die einen würden das hier ausgebreitete Angebot vielleicht als verlogen oder unglaubwürdig bezeichnen, die anderen als relativ leicht anzunehmende Variante des Melodrams. Leider kommt der Film in diesem Zusammenhang zu einem vorhersehbaren Ergebnis, was aber nicht heißt, dass nicht noch mit Überraschungen aufgewartet wird. So wird aufgezeigt, dass die besagten Mädchen tatsächlich ohne Grenzen agieren können, was sich nicht auf ihre Gefühlswelt übertragen lässt.

Eigenwillige, aber sehr gut ausgefeilte und gut durchdacht wirkende Dialoge sorgen für Denkaufgaben, sodass man bis zum großen Showdown damit beschäftigt bleibt, all das zwischenmenschlich Dargebotene zu ordnen, was die Regie weitgehend dem Publikum überlässt, wenn auch nicht in letzter Konsequenz. Es ist sehr überraschend, mit welcher Atemlosigkeit und Stringenz Géza von Radványi seinen Katastrophenteil präsentiert, wenn die Maschine in unüberwindbare Turbulenzen gerät. Inszeniert mit den vorhandenen Mitteln der Mitte 50er-Jahre, kommt eine unerwartete Hochspannung auf, die nicht über Liebe und Entscheidungsfindung, sondern Leben und Tod berichtet. So entscheiden weder der Zuschauer, noch die Hauptpersonen darüber, wie es mit ihrem Privatleben weitergehen soll, sondern das Schicksal. Gut zu gebrauchende Interpreten machen den Film im Gros sehenswert, da die nötigen Nuancen und Pointen vorhanden sind. Besonders hervorzuheben ist wie so oft Sonja Ziemann, die sich der Anforderung sehr gut anzupassen weiß. In ihrem Repertoire finden sich ebenso naive als auch resolute Tendenzen; die Sympathien sind schnell auf ihrer Seite. Dasselbe gilt für ihre Kollegin und Kontrahentin Barbara Rütting, die einen anderen Entwurf der Frau anbietet, aber auch wie üblich hochgradig überzeugend aufspielt. Das Schicksal wird sie zusammenführen und sezierfreudig voneinander trennen. Bis dahin erlebt der Zuschauer sehr patentes Schauspiel. Ivan Desny spielt seinen beinahe geheimnisvoll wirkenden Charme aus, sodass es zumindest glaubwürdig bleibt, dass sich die junge Stewardess Hals über Kopf in ihn verliebt, wenn auch mit Scheuklappen. Unter Betrachtung der Figur des Eric Johnson ergibt sich natürlich kein tadelloser Charakter, da er im Grunde genommen schwach und bequem wirkt. Weitere gute Leistungen zeigen Claus Biederstaedt, Maria Sebaldt oder die bezaubernde Ginette Pigeon. Insgesamt gesehen handelt es sich um einen dramatisch durchzogenen Unterhaltungsfilm mit gut durchdachten Kapriolen, die spannend und unterhaltsam wirken. Ansonsten präsentiert sich "Mädchen ohne Grenzen" als relativ typisches Produkt seiner Zeit, welches im Bereich des Dramas hier und da ein bisschen mehr Reibungsflächen anbietet, als gewöhnlich. Zwar wirken viele Reaktionen etwas unverständlich, wenn nicht sogar unglaubwürdig, aber die Personen tun alles ihnen Mögliche, um das Publikum zu fesseln.

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