X 312 - FLUG ZUR HÖLLE - Jess Franco

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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X 312 - FLUG ZUR HÖLLE - Jess Franco

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X 312 - FLUG ZUR HÖLLE


● X 312 - FLUG ZUR HÖLLE / VUELO AL INFIERNO (D|E|1971)
mit Thomas Hunter, Esperanza Roy, Gila von Weitershausen, Hans Hass Jr., Siegfried Schürenberg,
Ewa Strömberg, Howard Vernon, Paul Muller, Beni Cardoso, Antonio de Cabo und Fernando Sancho
eine Produktion der cCc Filmkunst | Fénix Films | im Verleih der Cinerama Filmgesellschaft
ein Film von Jess Franco

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»Das scheint ja wirklich ein heißes Ding zu sein...«


Tom Nilson (Thomas Hunter) nimmt in seinem Büro in Rio mit letzter Kraft einen Bericht auf Tonband auf. Nur er kann über die mysteriösen Umstände des Absturzes einer kleinen Chartermaschine berichten, die irgendwo im brasilianischen Urwald verloren ging. Da sich herausstellte, dass einer der Passagiere, der Bankpräsident Ruprecht (Siegfried Schürenberg), wertvolle Juwelen überführen sollte, schaltete sich eine Verbrecherorganisation ein, die die Beute rücksichtslos an sich zu bringen versuchte. Zwar hatten alle Fluggäste den Absturz überlebt, doch es kam dennoch zu lebensgefährlichen Komplikationen, die im Urwald lauern. Wer hat den Kampf ums Überleben gewonnen und kann Nilson seine Informationen rechtzeitig weitergeben?

Jess Francos "X 312 - Flug zur Hölle" ist angesichts des tatsächlichen Ergebnisses ohne jeden Zweifel einer seiner angepassteren Filme geworden, außerdem bekommt man wie üblich einen hohen Unterhaltungswert geboten, da der Regisseur zu jener Zeit auch noch nicht so kopflastig inszenierte. Zu sehen sind bereits viele Ansätze seiner später immer deutlicher werdenden Handschrift, wobei hier alles noch eher verhalten wirkt. Der Spielfilm schafft es, einen überzeugenden, wenn auch nur vagen Spannungsbogen aufzubauen und zu transportieren, er wirkt relativ klar im Aufbau und es kommt zu sehr begrüßenswerten Überraschungsmomenten. Bei Betrachtung der Besetzung gehen einem hier vor Freude fast die Augen über, vor allem weil die bunte Mischung auch noch hauptsächlich zu überzeugen weiß. Franco selbst erklärte in einem Interview, dass ursprünglich Susann Korda alias Soledad Miranda für weibliche Hauptrolle vorgesehen war, schließlich von Gila von Weitershausen ersetzt werden musste, da die Spanierin kurz vor Drehbeginn tödlich verunglückte. An dieser Information bleibt man gedanklich immer wieder hängen, wenn man sich vorstellt, welchen Reiz die so geheimnisvoll wirkende Susann Korda dieser Geschichte zusätzlich gegeben hätte. Schön und gut, Franco lässt also schon einmal die Turbinen warm laufen und der Flug in die grüne Hölle kann losgehen, der sich immer wieder mit obligatorischen, sehr schönen Landschaftsaufnahmen schmückt und durchaus ein spezielles Flair vermittelt.

Thomas Hunter als Berichterstatter der Geschichte, die als Film eine komplette Rückblende darstellt, wirkt recht überzeugend, vor allem aber agil, sodass er dem Szenario einen deutlichen Stempel aufdrücken kann. Die schöne und darstellerisch sehr stichhaltige Esperanza Roy - hier unter anderem zuständig für die erotischen Momente - darf man von oben bis unten in ihrer besten Verfassung bestaunen, im Gegensatz zu Kollegin Gila von Weitershausen, die hier eine erschreckend schwache 08/15-Nummer abspult. Franco erwähnte, sie sei zu den Dreharbeiten total am Ende gewesen, da sie angeblich unter gewissen Substanzen gestanden haben soll, genau wie Partner Hans Hass Jr., den man auch schon deutlich lebendiger gesehen hat. Auch die hochverehrte Ewa Strömberg, die doch stets einen Grund zum Jubeln darstellt, bleibt weit hinter ihren Möglichkeiten, hier als nervende und oberflächliche Mrs. Wilson. Fernando Sancho als abstoßender Gauner spielt wie immer bemerkenswert. Er wird im Gedächtnis bleiben, genau wie Howard Vernon als Boss der Dschungel-Clique. Mit Goldkette, Schnapsflasche in der einen, und Gespielin Beni Cardoso in der anderen Hand, wirkt er wie ein übler Zuhälter, der sich später noch genüsslich lesbische Liebesspiele zwischen Beni Cardoso und der frisch eingefangenen Esperanza Roy anschauen wird. Die Stammbesetzung rundet Paul Muller in einer kleinen Rolle ab, und Routinier Siegfried Schürenberg sorgt für einen Hauch anderer darstellerischer Sphären. Insgesamt eint tolle Runde - es geht kaum besser!

Mit seiner spartanischen Ausstattung und einigen einkopierten Bildern wirkt "X 312 - Flug zur Hölle" natürlich nicht gerade besonders hochwertig und es sieht tatsächlich so aus, als sei der Film auch recht schnell hergestellt worden. Die wenigen Räumlichkeiten sehen beinahe aus wie Steinzeithöhlen, der Flugzeugabsturz stellt keine inszenatorische Meisterleistung dar, die Dialog-Arbeit ist schon sehr simpel ausgefallen, man möchte beinahe sagen sie sei etwas einfältig geraten, was aber natürlich auch einen gewissen Reiz ausmachen kann. Wie erwähnt gibt es auch erotische Sequenzen, die hier dank Esperanza Roy noch wirklich sehr ästhetisch wirken, was Jess Franco in späteren Jahren ja leider häufiger verloren ging. Für das Produktionsjahr und Francos damalige Verhältnisse wirkt der Film recht brutal bei den Ermordungsszenen, vor allem durch das Entledigen der Leichen im Dschungel, wenn man zum Beispiel einkopierte Bilder von heran schwimmenden Krokodilen sieht. Es werden also ungewöhnlich viele Köpfe rollen, außerdem gibt es noch einen ganz ordentlichen Whodunit-Effekt als Bonus, den man vom spanischen Regisseur ja nicht gerade immer gewöhnt war. Musikalisch wirkt die ganze Chose eher unauffällig, die Musik von Wolf Hartmayer und vor allem Bruno Nicolai klingt im Wesentlichen recht unspektakulär. Im Endeffekt sieht man mit "X 312 - Flug zur Hölle" einen eher untypischen Franco, der aber genau wie etliche seiner anderen Arbeiten wirklich gut unterhalten kann, auch wenn hier und da manchmal scharenweise Patzer auftauchen. Charme und Trash, das ist doch stets eine günstige und unterhaltsame Mischung!

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Re: X 312 - FLUG ZUR HÖLLE - Jess Franco

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● EWA STRÖMBERG als MRS. WILSON in
X 312 - FLUG ZUR HÖLLE (D|E|1971)



Ewa Strömbergs Schaffensperiode unter Regisseur Jess Franco war vielleicht die ergiebigste ihrer Karriere, denn der Spanier wusste die schöne Schwedin immer gut beziehungsweise als Fixpunkt in Szene zu setzen. Wenn man eine Rolle sucht, die in diesem Zusammenhang gegenüber der internen Franco-Konkurrenz abfällt, dann ist wohl dieser Part der Mrs. Wilson in "X 312 - Flug zur Hölle" zu nennen, zumal Regie, Kamera und Script vornehmlich Interesse an der wirklich umwerfenden Esperanza Roy zeigen. Es ist nicht so, dass Strömberg hier keine merkliche Funktion in der Geschichte innehat, ganz im Gegensatz zu ihrer deutschen Kollegin Gila von Weitershausen, deren Funktion, Schauspiel und Präsenz eine offensichtliche Abstufung zu Esperanza Roy, Beni Cardoso und Ewa Strömberg darstellt. Jess Franco liebte seine weiblichen Eye Catcher, die offenbar zunächst einmal primär für ihn persönlich vorhanden waren, bevor an das potenzielle Publikum gedacht wurde, sodass Strömberg gerade in seinen Filmen immer schön in Erinnerung bleiben wird. Ihre Mrs. Wilson - eine geschwätzige und aufdringliche Klatschtante mit dem nötigen Kleingeld - wirkt irgendwie unbegreiflich. Während alle Passagiere der klapprigen Maschine aus unterschiedlichen Gründen hoffen, den nächsten Flughafen unbeschadet zu erreichen, bestehen ihre einzigen Probleme darin, dass es nicht genügend Annehmlichkeiten an Bord gibt. Es ist kein Eiswasser vorhanden, der Trip scheint für sie gelaufen. Während so gut wie alle Passagiere nach dem Absturz der Maschine Todesängste im Dschungel ausstehen, will die immer nur lächelnde Dame nur mit jemand schlafen. So sehen wohl wirkliche Luxusprobleme aus. In der Zwischenzeit stellte Mrs. Wilson bei einem Zwischenstopp neu integrierte Charaktere vor, da sie sich in der besseren Gesellschaft gut auszukennen scheint. Im Grunde genommen handelt es sich um eine manchmal beinahe überflüssig wirkende, aber nicht minder schöne Rolle von Ewa Strömberg, die so viel Aura und Flair in die von Dreck, Angst und Blut dominierte Geschichte bringt, auch wenn man sich bei ihr manchmal fragen muss, ob man richtig gehört oder gesehen hat.

Betrachtet man die Karriere der Schwedin unter Jess Francos Regentschaft, wird relativ schnell klar, dass sich die Interpretin den Anforderungen flexibel und wohl zur vollsten Zufriedenheit anpassen konnte, was sie im Rahmen der Geschichte ebenso tut. Ewa Strömberg schwebt in Premium-Laune zwischen Mördern, Ganoven, wilden Tieren und Ungewissheiten umher, ihr Lächeln entstammt einer globalen Unbekümmertheit, wirkt völlig entwaffnend, und auch wenn sie wie erwähnt nicht die beste Rolle und die aufregendsten Szenen hat, stellt gerade sie in diesem Abenteuer doch eine Marke dar. Mrs. Wilson nervt die anderen Passagiere nachhaltig, deren Höflichkeit nimmt sie als Absolution für ihr tun. An ihr scheinen Bemerkungen und Wünsche von anderen ohnehin abzuprallen, offenbar kann sie sich es leisten. Findet man Ewa Strömberg generell sympathisch und lässt sich zusätzlich noch von ihrer positiven Ausstrahlung überzeugen, geht die Anlegung der Rolle dennoch nicht ganz auf, was aber sicherlich auch dem Script oder der Regie geschuldet sein dürfte. Mrs. Wilson sucht sich den fiesesten Widerling als Liebhaber innerhalb der Truppe aus, offenbar scheint sie es ordentlich nötig zu haben. Dass sie bei Fernando Sancho auf den falschen Hengst setzt, wird sich noch in brutaler Manier herausstellen, denn irgendwann reißt dem Stuart der Maschine der Geduldsfaden, möchte nebenbei eine potenzielle Zeugin beseitigen. Ewa Strömberg bietet derweil ihre übliche Art des Schauspiels an, welches selbst Jess Francos ödeste und billigste Ambientes immer deutlich aufwerten konnte. Strömberg hat Strahlkraft, selbst in einer nicht immer akkurat ausgearbeiteten Geschichte wie dieser, und auch wenn man ihrem Part nicht die allergrößte Relevanz andichten sollte, ist die Funktion unter dem spanischen Regisseur klar. Er möchte stets etwas fürs Auge präsentieren sowie Projektionsflächen für Sex und Gewalt und möglicherweise hatte er sogar Gefallen an Strömbergs Stammbesetzung in seinen Filmen gefunden. In Erinnerung bleibt somit ein Abenteuer und eine damit verbundene Rolle, die manchmal abenteuerlicher als das Geschehen wirkt, aber sicherlich für einen guten Unterhaltungswert sorgen kann.



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Re: X 312 - FLUG ZUR HÖLLE - Jess Franco

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● CHRISTINA VON BLANC als JUANITA in
X 312 - FLUG ZUR HÖLLE (D|E|1971)



Dass Christina von Blanc in "X 312 - Flug zur Hölle" uncredited und bislang vermutlich unerkannt eine kleine Rolle innehat, stellt für Fans und Komplettisten zunächst einmal einen schönen Fund dar, auch wenn es sich sicherlich nur um eine kleine Randnotiz handelt. Gerade solche Entdeckungen haben gleichzeitig auch etwas mit einer sich manchmal bestätigenden Hoffnung zu tun, dass es auch nach Jahrzehnten immer noch etwas Neues zu entdecken gibt. Manche Rollen der schönen Interpretin sind von ihrer Auftrittsdauer oder Relevanz her genau wie ihre doch so übersichtliche Karriere, und die Rolle der hier zu sehenden Juanita scheint eine von ihnen zu sein. Über Christina von Blancs Erscheinen in Franco-Filmen ist zunächst einmal zu sagen oder besser gesagt zu spekulieren, dass der Spanier derartig hübsche Gesichter und anziehende Körper gerne in seiner Crew hatte oder die Interpretin unter Vertrag bei einem bestimmten Produzenten stand. Hier sehr plump auf südamerikanisch getrimmt, ist sie zumindest auf den ersten und zweiten Blick kaum zu erkennen, obwohl wahrzunehmen, da ihr auch keine Sprechrolle zugedacht ist. Ihr Part ist somit einfach nur da. Christina von Blanc war wohlgemerkt auch schon in kleineren Auftritten zu sehen, doch es ist jedes Mal ein Vergnügen, dieser klassisch schönen Schauspielerin zuzuschauen, die stets etwas Melancholisches an sich zu haben scheint. Diese Rolle stellt sich ein wenig gegen ihr übliches Einsatzgebiet, denn es fehlt die obligatorische Zeigefreudigkeit ihrer frühen Produktionen, wobei Jess Franco stets an derartigen Referenzen interessiert war. Juanita ist hier die unbekannte Frau am Telegrafen, verantwortlich für das Überbringen von Hiobsbotschaften oder dem Gegenteil. Ihr Boss, der Dschungel-Gangster Pedro alias Howard Vernon, dürfte sie auch für andere Gefälligkeiten einspannen, schließlich scheint er dem angeblich schwachen Geschlecht nicht gerade gut widerstehen zu können. Allerdings gibt es keinerlei direkte Hinweise auf die Funktion Juanitas in dessen Privat-Harem. Interessant, wie Jess Franco die Fantasie anregen kann.

Obwohl sie das offizielle Sprachrohr für Kriminelle unter sich zu sein scheint, hat sie im Verlauf praktisch nichts zu sagen und so weit es geht, unter ihrer Maskerade gut auszusehen. Es ist anzunehmen, dass es sich in "X 312 - Flug zur Hölle" um eine ihrer ersten Rollen - wenn nicht sogar die erste - handeln dürfte, und sich an die fordernde Branche am Herantasten war. Leider ist ihr Part trotz eindeutiger Platzierung recht zusammenhanglos aufgezogen worden, was weniger an ihr, als der spanischen Regie liegen mag. Christina von Blanc hätte hier sicherlich einige Szenen mehr verdient gehabt, oder besser gesagt, mit Leichtigkeit zusätzlich spielen können. Ein schönes und noch wesentlich interessanteres Gedankenspiel ist in diesem Zusammenhang der Ersatz für ihre doch recht starr wirkende Kollegin Gila von Weitershausen in der Rolle der Steffi, denn Christina von Blanc hätte darüber hinaus sehr gut zu Hans Hass Jr. gepasst. Juanita taucht immer mal wieder sporadisch im Geschehen auf, natürlich, wenn das Publikum zu Dschungel-Gangsterboss Pedro entführt wird, aber sie hat trotz einiger Andeutungen nichts Wesentliches zum Verlauf beizutragen. Ihr persönliches Finale ist im doppelten Sinne tragisch, da es mit ihr vielleicht die Falsche erwischt und man einfach nicht wirklich begreift, wie es zu ihrem Ende kommen konnte. Hier ist quasi nur die Sonne Zeuge und der Zuschauer wird mit einem typischen Franco'schen Dauerauftrag konfrontiert, sich die Zusammenhänge selbst herzuleiten. Christina von Blanc tut hier bestimmt ihr Mögliches und darüber hinaus genau das, was erwartet wurde, wenngleich ihr eine umfangreichere Anforderung sicherlich gutgetan hätte. Juanita hat man schnell wieder vergessen, falls sie einem denn überhaupt aufgefallen war. Einen derartigen Auftritt durch Zufall ausfindig machen zu können, gibt gerade bei einer Interpretin mit derartig schmaler Filmografie immer die Hoffnung, dass es hier und da noch mehr geben könnte, auch wenn der Part möglicherweise ähnlich irrelevant oder klein ausgefallen wäre. Zusätzlich interessant ist die Frage, unter welchem Pseudonym sie hier bei Credit-Nennung gelistet worden wäre.



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