AM TAG ALS DER REGEN KAM - Gerd Oswald

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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AM TAG ALS DER REGEN KAM - Gerd Oswald

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● AM TAG ALS DER REGEN KAM (D|1959)
mit Mario Adorf, Christian Wolff, Corny Collins, Elke Sommer, Claus Wilcke, Ernst Jacobi, Gert Günther Hoffmann und Gert Fröbe
Dalida singt "Am Tag als der Regen kam"
ein Alfa Film | im Bavaria Filmverleih
ein Film von Gerd Oswald

»Na, haben Sie jetzt ihr kleines Abenteuer gehabt?«


Werner Maurer (Mario Adorf) ist Anführer der sogenannten Panther-Bande, einer Gruppe von jungen Leuten, die den Westen Berlins mit kriminellen Aktivitäten durchzieht. Als das Banden-Mitglied Robert (Christian Wolff) beim seinem letzten Raubüberfall von der Verkehrspolizei geschnappt und peinlich verhört wird, möchte er endgültig aussteigen, um mit seiner Freundin Inge (Corny Collins) ein neues, aber vor allem rechtschaffenes Leben zu beginnen. Doch so einfach wie Robert sich es vorgestellt hat, funktioniert dieser Austritt nicht, denn er hat die Rechnung ohne den misstrauischen Werner gemacht. Er beschwört eine Katastrophe herauf, indem er Robert zu einem letzten Coup überredet, weil er die gesamte Panther-Bande an die Polizei verpfeift. Plötzlich schnappt die Falle zu, aus der es keinen Ausweg mehr gibt...

Oftmals geben Filme alleine schon wegen ihren Titeln einige Rätsel auf, und dieses Gefühl drängt sich bei Gerd Oswalds Jugend-, beziehungsweise Kriminaldrama auch irgendwie auf. Doch als nach der Bavaria-Verleihmarke die sehnsüchtigen Klänge von Dalidas "Am Tag als der Regen kam" einsetzen, entfaltet sich sofort ein unbestimmtes Gefühl von Treffsicherheit, und der Verlauf wird bestätigen, dass der verheißungsvolle Titel voll Metaphorik und Tiefsinn steckt, der die Geschichte schließlich charakterisiert. Die französische Sängerin Dalida führte mit "Am Tag als der Regen kam" nicht nur die deutsche Hitparade an, sondern landete schließlich einen Welthit. Gerd Oswalds Film kann darf ebenso als eine Art Hit bezeichnet werden, hat man es doch mit einem der atmosphärischsten und tatsächlich besten Filme dieser Art zu tun, der durch dichte Charakterzeichnungen auffällt. Gerade die Belange und Träume der damaligen Jugend werden überaus greifbar geschildert und markant simuliert, auch auf die Gewinner und Verlierer im Wirtschaftswunderland wird nachhaltig eingegangen. Hinzu kommt die absolut hochwertige Bearbeitung des Stoffes, die in harten Schwarzweiß-Kontrasten hervorragende Bildkompositionen liefert, die Umgebung besonders präzise einfängt und in gewissen Situationen den Nervenkitzel oder gar die Kneipenluft zum greifen nah macht. Der Verlauf ist mit einer soliden Grundspannung ausstaffiert worden, als Zuschauer fühlt man quasi, dass unausweichlich auf das Unheil zugesteutert wird. Im Übrigen verfügt der Film über eine tatkräftige und dynamische Besetzung, die mit großartigen Leistungen aufwartet.

Nicht nur die Gruppe der schwarzen Panther, sondern auch die Besetzungsliste wird von Mario Adorf angeführt. Er ist der Kopf der Bande und es sieht zunächst so aus, als habe er sehr viel kriminelles Potential zu bieten. Doch dieser Eindruck relativiert sich als zum ersten Mal seine eigenen Familienverhältnisse zu sehen sind. Werner hält seinen Vater aus, einen niedergelassenen praktischen Arzt, dem man wegen eines Zwischenfalls seine Praxis dicht machte. Seitdem ist er dem Alkohol verfallen und diese Person am persönlichen Abgrund wird hervorragend von Gert Fröbe gespielt. Sein Sohn steckt ihm ergaunertes Geld zu, damit er wenigstens keinen Dreck in sich hineinschüttet. Diese desolaten privaten Verhältnisse stellen anfangs den einzigen wunden Punkt bei Werner dar, der ansonsten so unnahbar wirkt und stets souverän auftritt. Man trifft sich in der Splendid-Bar, dem Dreh- und Angelpunkt für die Planung jedes neuen Coups, und wenn er den Raum betritt, erntet er bewundernde Blicke und großen Respekt von allen Seiten. Jeder weiß, dass es von Vorteil ist, wenn man sich gut mit ihm stellt und viele junge Männer würden alles geben, um in seine Gruppe hineinkommen zu können, die schönsten Mädchen, die weit und breit zu finden sind, liegen ihm zu Füßen, ohne dass er sie auf Händen tragen muss. Für eine von ihnen liefert Elke Sommer von Kopf bis Fuß die perfekte Erscheinung. Ganz anders wirken Christian Wolff und Corny Collins, die beide einen herben Kontrast herausarbeiten. Sie stehen für Tugenden und Moral, wirken dabei absolut überzeugend und glaubhaft in ihren Rollen. Überhaupt unterstützen alle Darsteller dieses Prinzip sehr passabel, sodass die Charakterzeichnungen sehr mitreißend wirken.

"Am Tag als der Regen kam" transportiert sehr viel Zeitgeist und durch die sehr subtil angelegte Geschichte fallen diverse Klischees - die eventuell nur solche darstellen, weil man sie mit heutigen Maßstäben betrachtet - weniger schwer ins Gewicht. Erneut wird eine Art Lethargie sowie Perspektiv- und Ziellosigkeit geformt, doch auch ausweglose Situationen werden nicht ohne möglichen Fluchtweg stehen gelassen. Die Tatsache, dass gewisse Umstände nicht ohne Grund so sind, wie sie sind, wird nie aus den Augen verloren, sodass sich Gerd Oswalds Film vollkommen auf eine passive Wertung konzentriert und dem Zuschauer das Denken überlässt. Die Regie verliert sich nicht in ungünstigen Sentimentalitäten, aber dennoch fühlt man sich auf eine ganz eigenartig sterile Art und Weise bewegt. Spannung entsteht beispielsweise bei Machtdemonstrationen oder Mutproben. Die Kamera spielt in diesem Situationen mit Licht und Schatten, fängt jede Regung mit Vorliebe in Großaufnahmen ein. Sehr gut werden auch die Bandenaktivitäten im Bild festgehalten. Der Start in den Film zeigt eine solche: Elke Sommer steht mit einem Koffer an der Straße und lässt sich von einem älteren Herrn auflesen. Ein Freund, der sich als Mädchen verkleidet hat, steigt ebenfalls in den anhaltenden Wagen ein, und der Rest der Panther verfolgt das Zielobjekt mit Motorrädern. Interessant ist, dass das Strickmuster bei Raub und Diebstahl nicht immer das gleiche ist, was die Energie von Werner dokumentiert, um sich immer wieder neue, lückenlose Pläne auszudenken, ohne sich dabei allerdings selbst die Finger schmutzig machen zu müssen. Insgesamt gesehen ist "Am Tag als der Regen kam" ein sehr gelungener, vergleichsweise auch diskreter Beitrag im Bereich Jugend- und Kriminaldrama geworden, und im Endeffekt handelt es sich vielleicht sogar um einen der besten Beiträge dieser Art.

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Sid Vicious
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Re: AM TAG ALS DER REGEN KAM - Gerd Oswald

Beitrag von Sid Vicious »

AM TAG ALS DER REGEN KAM ist ein toller Film, der neben der Bandenkriminalität auch den Konflikt zwischen Kriegs- und Nachkriegsgeneration anspricht und dessen einhergehende Bewegung in der Flucht vor dem Angepasstsein respektive vor dem Erwachsenwerden wurzelt. Wie eingangs geschrieben: Ein toller Film.
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Prisma
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Re: AM TAG ALS DER REGEN KAM - Gerd Oswald

Beitrag von Prisma »

Sid Vicious hat geschrieben:
Di., 15.12.2020 23:05
AM TAG ALS DER REGEN KAM ist ein toller Film

...und obendrein ein tolles Lied der großartigen Dalida, welches die Geschichte verheißungsvoll begleitet:


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Sid Vicious
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Re: AM TAG ALS DER REGEN KAM - Gerd Oswald

Beitrag von Sid Vicious »

Ich mag den Titelsong sowie den Gesang ebenfalls sehr gern.
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Percy Lister
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Re: AM TAG ALS DER REGEN KAM - Gerd Oswald

Beitrag von Percy Lister »

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"Am Tag, als der Regen kam" (Deutschland 1959)
mit: Mario Adorf, Christian Wolff, Corny Collins, Gert Fröbe, Claus Wilcke, Elke Sommer, Wolf Richards, Ernst Jacobi, Gerd Günther Hoffmann, Uwe Gauditz, Horst Naumann, Hans Zesch-Ballot, Herbert Weissbach, Arno Paulsen, Ulla Moritz, Karl-Heinz Peters u.a. | Drehbuch: Heinz Oskar Wuttig, Willi Berthold und Gerd Oswald | Regie: Gerd Oswald

Robert ist Mitglied der "Panther-Bande", einer Gruppe um den Anführer Werner Maurer, die nachts Autofahrer überfallen und ausrauben. Jeder der jungen Männer geht tagsüber einer Beschäftigung nach, um nicht aufzufallen, nur Werner verweigert sich einem bürgerlichen Anstrich, weil er gesehen hat, wie übel seinem Vater - einem engagierten Arzt - nach einem Fehler mitgespielt wurde. Als Robert sich mit Inge anfreundet, möchte er aussteigen, doch so einfach lässt Werner ihn nicht gehen....

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"Disziplin ist alles bei uns - keiner tanzt aus der Reihe!" Mario Adorf als Chef einer Bande jugendlicher Räuber gelingt es relativ rasch, die Sympathie des Zuschauers zu gewinnen. Sein überlegtes Vorgehen, der strukturierte Ablauf seiner bis ins Detail geplanten Vorhaben, die ihm und seinen Freunden Geld einbringen sollen und sein beherrschtes Auftreten machen ihn zu einer Figur, der man Erfolg wünscht. Seine persönliche Situation erklärt seine Beweggründe, ohne eine billige Entschuldigung für sein Verhalten zu liefern. Die Nicht-Teilhabe am sogenannten Wirtschaftswunder, das von jedem viel Fleiß und Einsatz verlangt, beschleunigt seinen Wunsch, es schneller und müheloser zu schaffen. Die Gefahr eines drohenden Atomkriegs, die Angst vor einer Einberufung als Soldat eines zu erwartenden Kriegs und die Enttäuschung über den Abstieg seines einst angesehenen Vaters führten zur Verbitterung, aber nicht zur Resignation Werners. Er schafft es, sich den Respekt seiner Gruppe zu sichern und zeigt hier selten Gefühlsanwandlungen. Die Sorge um den kranken Vater und seine Versuche, ihn wieder aufzurichten, ehren ihn. Christian Wolff ist als Mitglied der jugendlichen Bande Täter und Opfer zugleich und zeigt sich innerlich zerrissen wie so oft in seinen frühen Filmen. Er ist noch unfertig und deshalb leichte Beute für brutale Männer und ihre verheißungsvollen Pläne. Gleichzeitig bricht aber immer sein guter Kern auf, was sich vor allem im Umgang mit den Mädchen zeigt, die in ihm einen sanften Freund finden, der ihnen zuhört und Macho-Allüren entbehrt. Sein Bob hat bereits mehrmals bei Mutproben und Einsätzen versagt, weil er nicht mit Überzeugung bei der Sache ist. Er ist der Risikofaktor der "Panther" und bildet den Gegenpol zu Werner, der gleichzeitig fürchtet, Bob könnte durch seinen Appell an die Rechtschaffenheit auch andere Gruppenmitglieder abspenstig machen. Nicht die Polizei (die durch den jungen Horst Naumann ein sympathisch-dynamisches Gesicht erhält) ist der Gegner, sondern die Zweifel, die Bob streut und die Fragen, die er aufwirft. Langsam schleicht sich Unsicherheit in die Gruppe ein, die sich - eigentlich untypisch für einen Denker wie Werner - in roher Gewalt äußert.

Gert Fröbe hatte zum Drehzeitpunkt bereits einige wegweisende berühmte Rollen seiner Filmlaufbahn hinter sich ("Es geschah am helllichten Tag", "Und ewig singen die Wälder"). Sein Biograf Michael Strauven hat jedoch für den Film, der am 24. November 1959 in die Kinos kam, wenig übrig: "Wegen seiner Titelmelodie stark überschätzter Kultstreifen, der nur schwer zu ertragen ist. Adorf chargiert heftig, Gert Fröbe hält mit. Wunderbar allerdings Fröbes Nahaufnahmen im Spiegel als Studie eines vom Alkohol Besessenen." Von Hintergründigkeit zeugen Szenen wie jene, als Dr. Maurer im wahrsten Sinne des Wortes über seinen Schatten springt, als er nicht in die naheliegende Kneipe, sondern in die Apotheke geht, was von oben gefilmt sehr symbolisch wirkt. Er fängt sich nach und nach mit den Anforderungen, die endlich wieder an ihn gestellt werden. Nur durch das Wiedererlangen seines Willens kann er am Ende den entscheidenden Schritt tun. Sein ausdrucksstarkes Spiel dient als Reflexionspunkt für einen Lebensweg, der gescheitert ist, obwohl er bestrebt war, alles richtig zu machen und sich innerhalb der festen Ordnung der Gesellschaft zu bewegen. Die Entscheidung seines Sohnes (Leitmotiv: "Charly Brown" [v. Hans Blum], der durch Streiche auffällt) erscheint vor diesem Hintergrund begreiflich, wenn sie moralisch auch nicht zu entschuldigen ist. Der titelgebende Song wird von Dalida interpretiert, einer in Kairo geborenen italienischen Sängerin, die 1954 "Miss Ägypten" wurde und ihre wahre Berufung in Paris entdeckte: den Gesang. Legendär waren nicht nur die über tausend Lieder, die sie in fünfzehn Sprachen vortrug, sondern auch ihre großen Erfolge, die ihr die erste Diamantene Schallplatte einbrachten. Von Tragik umweht, starb sie nach den Selbstmorden zweier guter Freunde selbst durch eigene Hand. Es sind diese Facetten unterschwelliger Melancholie, die "Am Tag, als der Regen kam" zu einem besonderen Filmerlebnis machen. Die Atmosphäre aus Sinnsuche und Rebellion, sowie der Wunsch nach Zugehörigkeit und Sicherheit, durchziehen den spannend aufgebauten Film, dessen Figuren zwischen Aufbegehren und Zweifeln straucheln. Authentische Nostalgie pur!

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Prisma
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Re: AM TAG ALS DER REGEN KAM - Gerd Oswald

Beitrag von Prisma »



Im Bereich einschlägig bekannter Problemfilme mit Jugendlichen handelt es sich bei Gerd Oswalds Beitrag um einen der Besten, was nicht nur an der dichten Thematik und deren Inszenierung liegt, sondern am düsteren und hoffnungslosen Flair dieser in bestechender Schwarzweiß-Fotografie erzählten Geschichte. Jugendkriminalität ist hier gleichbedeutend mit dem kleinen Griff nach den Sternen, doch es entsteht gleich zu Beginn kein Zweifel daran, dass es sich nur um eine Illusion auf Raten handelt, und zwar für alle Beteiligten. Die Jungdarsteller Mario Adorf, Christian Wolff, Corny Collins und Elke Sommer charakterisieren die Wünsche und Hoffnungen ebenso wie die Ängste und breite Ziellosigkeit, die stellvertretend für eine junge Generation platziert wird, die sich von der älteren abzugrenzen versucht. Zwar handelt es sich nur um eine von vielleicht Tausenden Geschichten, aber hier bekommt man sehr eindrückliche Bilder und Szenen angeboten, die das Potenzial haben, für längere Zeit nachzuhallen. Unterlegt mit Dalidas Hit "Am Tag als der Regen kam", der die Credits gleich im Vorspann sehnsüchtig unterstützt, kommt es zu unmissverständlichen aber auch subtilen Botschaften und Eindrücken, die mitunter etwas Besonderes aus diesem hochqualifizierten Film machen. Immer wieder gerne gesehen.

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