DICKE LUFT IN SACRAMENTO - Giuliano Carnimeo

Staubige Dörfer, schweigsame Pistoleros und glühende Colts.
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nerofranco
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DICKE LUFT IN SACRAMENTO - Giuliano Carnimeo

Beitrag von nerofranco »

Dicke Luft in Sacramento (Di Tressette ce n'è uno, tutti gli altri son nessuno; ITA 1974)
R: Giuliano Carnimeo


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Tresette und Bambi jagen mal wieder dem großen Reibach hinterher. Um die Kohlen zu finden, müssen sie sich mit jeder Menge verrückter Gestalten herumschlagen. So führt sie ihre Suche unter anderem in ein Irrenhaus, zu einem völlig überdrehten Zauberer und zu guter Letzt legen sie sich auch noch mit dem Ku-Klux-Klan an.

Di Tressette ce n'è uno, tutti gli altri son nessuno (Dicke Luft in Sacramento) ist die Fortsetzung von Giuliano Carnimeos einem Jahr zuvor erschienen Lo chiamavano Tresette... giocava sempre col morto (Kennst du das Land wo blaue Bohnen blühn?), der sich ebenso um den Charakter des Tresette dreht. Die Geschichten der beiden Filme sind in etwa identisch, nur dass es in Dicke Luft um Geld geht anstelle von Gold. Die Story ist aber sowieso nebensächlich, denn im Grunde reiht Carnimeo nur eine verrückte Episode an die nächste, wobei man schnell vergisst, worum es eigentlich geht.

Dicke Luft in Sacramento quillt, wie sein Vorgänger, von skurrilen Ideen und Figuren nur so über. Man weiß gar nicht, wo man bei dem ganzen Tohuwabohu anfangen soll zu erzählen, vielleicht doch besser am Anfang. Die erste Szene erinnert ganz stark an den Anfang von Lo chiamavano Trinità... (Vier Fäuste für Halleluja), wo Trinità und Bambi ein paar Gaunern hintereinander das Essen abspenstig machen. Ähnlich machen es hier Tresette und Bambi, die ein paar von Frisco Joes Leuten hintereinander beim Essen und Pokern stören. Einer von ihnen ist ein ganz harter Hund und würzt seine Bohnen mit Schießpulver. Na, wenn das mal nicht in die Hose geht. Fortunato Arena darf hier mal an der Seite seines Sohnes Ettore spielen und wenn man als Familie eine aufs Maul bekommt tut‘s doch nur halb so weh. Danach geht’s für Tresette und Bambi ab ins Irrenhaus, um von einem gewissen Frank Faina ein paar Informationen über geraubtes Geld zu bekommen. Bambi hat sich als zukünftiger Kaiser von Österreich verkleidet, der an einer neumodischen Krankheit namens Demokratie leiden soll, und Tresette spielt seinen Wiener Arzt. (Tresette: "Ein Kaiser, ich bitt sie, kann doch wohl nicht gut ein Demokrat sein, oder?" – Anstaltsleiter: "Scheußliche Idee. Sehr feinsinnig durchdacht ihn hierher zu bringen nach Amerika. Wir sind das beste Land, wo man ihn heilen kann von seiner Demokratie.")

Der Leiter des Irrenhauses wird gespielt vom umwerfenden Umberto d’Orsi, hier mit einer Strubelfrisur und einem mächtigen Ziegenbart. Seine Anstalt hat der zerstreute Professor aber nicht wirklich im Griff, denn dort regiert die Anarchie. Völlig durchgeknallte Menschenzüge rasen durchs Haus und fahren andere Irre über den Haufen ("Warum macht man denn an dieser Kreuzung keinen beschränkten Bahnüberhang"), General Custer reitet ohne Pferd durch die Gegend und bläst zum Angriff auf die Indigenen ("Bis du beknackt?" – "Jawohl, wieso?") und ein vornehmer Mann mit Zylinder führt seinen Menschenhund Gassi, der zu allem Überfluss auch den österreichischen Erzherzog, also Bambi, anpinkelt. Ein anderer Mann steht als Freiheitsstatue herum und wird von einem zweiten umklammert, der noch an die Freiheit zu glauben scheint. Die ganze Szenerie in der Irrenanstalt dauert leider etwas zu lang und wird so zum Schluss hinaus doch etwas ermüdend und anstrengend, obwohl das Ganze im Grunde überaus witzig ist. Da Tresette und Bambi ja zwei ganz moderne Zeitgenossen sind, bewegen sie sich nicht per Pferd, sondern mit einem überdimensionalen Zweirad fort. ("So ein bisschen Radfahren kann dir doch gar nicht schaden. Was meinst du, was du morgen für eine gute Figur haben wirst, vielleicht.""Die hab ich auch so.")

"Lässt du ein dich mit Tresette, findst du nie den Tod im Bette" (Veleno)

Den Obergangster spielt diesmal Riccardo Garrone als der stotternder Frisco Joe. Bei seinem ersten Auftritt, dem Überfall auf eine Bank, wird er gleichmal von einer ganzen Menge Leute in der Bank ausgelacht ("Ma, ma, ma, ma ,ma, machen sie den Safe auf." – was zu großem Gelächter führt). Danach wird er von einer Kanone aus der Bank geschossen und landet direkt auf einem Kaktus, was ihm einige Schmerzen am Hintern beschert. Frisco Joe ist umgeben von zwei grenzdebilen Deppen, Fredy Unger und Veriano Ginesi, die aber schon rein gar nichts auf die Reihe bringen ("Auf der Stelle gehst du und bringst mir diesen Tre, Tre, Tre.""Drei mal Tre is Neune"). Unger und Ginesi sehen aus wie zwei Piraten, Unger ist sogar mit Augenklappe und ner Hakenprotese ausgestattet. Der Bankdirektor, der Frisco Joe Feuer untern Hintern macht und ihn mit der Kanone aus der Bank befördert, wird dargestellt von Renato Baldini, der auch kein Unbekannter im Genre ist. Natürlich wieder mit von der Partie ist der nimmermüde Veleno, alias Tony Norton, der sich wieder daran versuchen darf Tresette um die Ecke zu bringen. Veleno will nämlich der beste Schütze im Westen werden, aber dafür muss er Tresette in einem Duell besiegen, was dem aber gar nicht mundet.

Dann gibt’s da noch den völlig aufgedrehten und kaum zu stoppenden Zauberer Drakeman, kongenial dargestellt von Enzo Maggio, der einen wichtigen Schlüssel besitzen soll, den er von seinem Bruder Frank Faina bekommen hat. Einen Auftritt bekommt auch der Ku-Klux-Klan, der hier, zumindest verbal, mächtig auf den Putz hauen darf ("Ich habe ihm gesagt wir haben unsere Neger alle ausgerottet, und zwar mit Stumpf und schwarzem Stil, jawohl. Aber er besteht darauf, verbrennt mehr Neger, und wenn ihr keine habt, pumpt euch welche"). Veleno bekommt von Tresette eine schwarze Gesichtsfarbe verpasst und setzt ihn so den Rassisten vor die Nase, die ihn natürlich gleich durch die Gegend jagen ("Ein Neger! Pfui, Pfui, Pfui. Fangt mir die Schwarzwurzel.""Ich bin kein Neger, ich war nur im Urlaub, ehrlich. So glaubt mir doch.""Halt bloß dein Maul, das sagen sie alle"). Die Ku-Klux-Klan-Mitglieder sehen alle ziemlich behämmert aus mit ihren dämlichen Hüten.

Nello Pazzafini residiert mit seinen Leuten wieder in derselben Unterkunft wie schon bei den blauen Bohnen, ist dieses Mal aber kein Klosterbruder, sondern ein ehrenwerter Bandit namens Striker. Dem guten Frank Faina, der sich das Geld unter den Nagel gerissen hat, luchst er beim Pokern die ganze Kohle wieder ab, nicht immer ganz fair natürlich. Zu seinen Männern gehören unter anderem Pietro Ceccarelli, Aldo Cecconi und der mit einem riesen Bizeps ausgestatte Pietro Torrisi. Die finale Schlägerei zwischen Tresette, Bambi und Pazzafinis Leuten zieht sich leider ein wenig in die Länge. Veleno bekommt zum Schluss von Tresette auch noch eine bombige Überraschung serviert und kommt dabei endlich zur Vernunft ("Lässt du ein dich mit Tresette, findst du nie den Tod im Bette").

Die Musik stammt von Alessandro Alessandroni, die wieder sehr sympathisch und flott ausgefallen ist. An der Kamera war diesmal nicht wie üblich Stelvio Massi, der Film sieht aber trotzdem sehr ansprechend aus. Die deutsche Synchro ist wirklich gut gelungen und bietet einige schöne und blöde Sprüche. Die DVD von X-Rated hat eine mehr als bescheidene Bildqualität und dürfte wohl auch leicht gekürzt sein. Die italienische DVD von Titanus läuft um circa vier Minuten länger.

Dicke Luft in Sacramento fällt gegenüber seinem Vorgänger, Kennst du das Land, wo blaue Bohnen blühn, leider ein wenig ab, bleibt aber trotzdem noch äußerst unterhaltsam. Am besten mit einer Kiste Bier reinziehen, denn mit ein paar Promille geht’s hier mächtig ab.






Nachtrag nach einer weiteren Sichtung:

Ich hab mir den Streifen gestern zum wiederholten Male reingezogen und wurde auch zum wiederholten Male unglaublich gut unterhalten. Carnimeo entführt uns hier in eine völlig verrückte Welt, bevölkert mit lauter irrer und grenzdebiler Idioten. Das ein Teil der Geschichte in einer Irrenanstalt spielt, ist mehr als passend und nur der Gipfel des ganzen Treibens. Dabei ist man kaum in der Lage die Insassen von den Anstaltsleitern und den Gästen unterscheiden. Vielleicht wäre es am besten gewesen, das Szenario mit der Irrenanstalt am Ende des Films zu setzen, als großes irrsinniges Finale. Der zweite Tresette-Film sprüht nur so voller unglaublicher Szenen, die man gesehen haben muss, um sie zu glauben und ist voll mit Gags, die natürlich nicht alle zünden, aber das ist nur halb so tragisch. Das liegt teilweise wohl auch an der deutschen Übersetzung, die aber alles in allem ganz gut gelungen ist.

Besonders zum Brüllen fand ich die Veräppelung der Affen vom Ku-Klux-Klan, allein schon wie die mit ihren Zipfelmützen nicken ist einfach nur göttlich. Jemanden mehr der Lächerlichkeit preisgeben wie hier ist wohl kaum noch möglich. Außerdem bekommt Veleno von denen auch eins über die Rübe gezogen (Tresette: "Wie siehst du mich?"– Veleno: "Ich sehe schwarz." – Tresette: "Das Schicksal aller Mulatten." / Tresette: "Nieder mit dem Ku-Klux-Klan. Es leben die Neger." – KKK: "Ein Neger! – Pfuiii, pfuiii, pfuiii, ein Neger!"). Dante Maggio als Drakeman ist auch eine Wucht, wie der aufdreht ist einfach unglaublich, der muss sich vor dem Dreh wohl etwas Kräftiges reingezogen haben (Drakeman: "Sei willkommen, sei willkommen in der großen Familie des Zirkus El Drakeman." - Bambi: "Und wo ist der?" – Drakeman: "Hier!" – Bambi: "Wo, hier?" – Drakeman: "Der Zirkus bin ich. Jawohl, pass auf. Aufgepasst, Drakeman, der Größte unter den großen Messerwerfern (…).") Toll fand ich auch die ziemlich sinnfreie Konversation von Tresette und Bambi als sie mit dem Riesenrad nach Kaktus River fahren (Tresette: "Scheinbar weil es nachts jemand schläft, begriffen?" – Bambi: "Jemand schläft also. Wer ist das? (…)" Tresette: "Da die dort nachts nicht schlafen können sind sie am Tage wach und verdammt schlechter Laune").

Der Film ist voller solcher skurriler und teilweise vollkommen abgedrehter Szenen, bei denen man manchmal gar nicht glauben kann, das erwachsene Menschen sich so etwas ausgedacht haben oder die haben sich wie der gute Drakeman irgendwelchen schlechten Stoff reingezogen. Die Darsteller sind allesamt großartig, allen voran Dante Maggio und Riccardo Garrone als Frisco Joe. Die Szene als Frisco Joe mit seinen beiden grenzdebilen Untermenschen zur Bank marschiert ist ein echter Schenkelklopfer, drei solche Idioten hat man noch nicht gesehen. Sehr witzig war auch noch jene Szene in der Tresette Goffredo Ungers Handhaken verbiegt und der sich vor Schmerzen krümmt, als ob er ihm angewachsen wäre. Ein Film, der leider nicht allzu vielen gefällt, aber vielleicht muss man selber ein wenig irre sein, um das alles witzig finden zu können. Aber gesehen haben muss man diese Sause mal, um glauben zu können, was hier alles so abgeht und dass ein Film wie dieser tatsächlich mal gedreht wurde.

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