...UND NICHTS ALS DIE WAHRHEIT - Franz Peter Wirth

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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...UND NICHTS ALS DIE WAHRHEIT - Franz Peter Wirth

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...UND NICHTS ALS DIE WAHRHEIT


● ...UND NICHTS ALS DIE WAHRHEIT (D|1958)
mit O. W. Fischer, Marianne Koch, Ingrid Andree, Friedrich Domin, Walter Rilla, Ettore Cella, Paul Verhoeven, Heinrich Gretler,
Herbert Tiede, Max Mairich, Frannziska Kinz, Alwin-Michael Rueffer, Liesl Karlstadt, Ernst Ronnecker, Alexander Hunzinger, u.a.
Produktion und Verleih | Bavaria Filmkunst
ein Film von Franz Peter Wirth

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»Ich habe keine weiteren Fragen!«


Dr. Stefan Donat (O. W. Fischer) ist ein anerkannter Arzt, der ein offenes Geheimnis mit sich herumträgt: Er ist hoch verschuldet und stets knapp bei Kasse. Als seine Exfrau Agnes (Ingrid Andree) stirbt und sich herausstellt, dass sie ihr gesamtes und nicht unbeträchtliches Vermögen kurz vor ihrem Tod zu Gunsten des Arztes vermacht hat, gerät dieser unter Mordverdacht. Obwohl Donat stets seine Unschuld beteuert, wird er unter Anklage gestellt. In einem spektakulären Gerichtsprozess wird ab sofort versucht, der Wahrheit auf den Grund zu gehen, doch einige Belastungszeugen werfen kein gutes Licht auf den Arzt...

Kriminalfilme, die anteilig über größere Gerichtsparts verfügen, gestalten sich unter routinierter Regie und der Verwendung eines soliden Grundstoffes als hochinteressant, versprechen sie doch immer wieder spektakuläre Kehrtwendungen, anklagende Belastungszeugen und sich langsam auflösende Nebelschwaden, die Licht in undurchsichtige Angelegenheiten bringen sollen. Regisseur Franz Peter Wirth fiel im Vorfeld dieser Produktion bereits durch dichte Inszenierungen oft gehobenerer aber auch herkömmlicher Kriminal-Stoffe auf, erscheint somit für diesen Film der richtige Mann zu sein, beweist er in seinem spannenden Gerichtsdrama doch eine exzellente Anpassungsfähigkeit, verbunden mit einem bemerkenswerten Ideenreichtum, sodass sich diese Produktion zu den ausgesprochenen Highlights deutscher Justiz-Beiträge zählen darf. Der Weg auf die Anklagebank ist in der Regel geebnet mit der Vorstellung der wichtigsten Personen und hilfreichen Rückblenden, es kommt zu eindringlichen Befragungen und zur kritischen Begutachtung des Angeklagten, bis Justitia ihr hoffentlich gerechtes Urteil sprechen wird. Rückblenden, die zur Untermauerung oder Entkräftung der Anklage installiert sind, um ihre trügerischen Absichten zu entfalten, erzeugen Spannung und Rätselraten, vor allem, wenn das Publikum zum Komplizen und gleichzeitig Belastungszeugen gemacht wird. Doch sind diese Rückblicke auch verlässlich? "...und nichts als die Wahrheit" kündigt bereits im Titel an, dass es in diesem Szenario um nichts anderes als um die Wahrheitsfindung gehen soll, und man hofft, dass der trotz allem sympathisch wirkende Angeklagte keinem Justizirrtum zum Opfer fallen möge. Auf den ersten Blick wirkt die Verpflichtung des Österreichers O. W. Fischer vielleicht ein wenig unorthodox, was sich möglicherweise aus seinen bisher typischeren Einsatzgebieten herleitet, allerdings liefert er eine überaus glaubhafte und darüber hinaus greifbare Performance, die für seine Verhältnisse angenehm unprätentiös über die Bühne geht, man ihn daher eher unaufgeregt und vielleicht weniger unaufregend wahrnimmt. Aber an der Person Fischer scheiden sich ohnehin die Geister.

Dr. Donat wirkt lethargisch, nahezu schwermütig und zeigt im Hier und Jetzt nichts mehr von seiner Vitalität und dem auffälligen Charme, der fester Bestandteil seiner üblichen Ausstrahlung war. Insbesondere in Rückblenden mit seiner geschiedenen Frau erlebt man einen komplett anderen Menschen, was allerdings keine eindeutigen Schüsse darüber zulässt, ob er nicht doch ein eiskalter Mörder sein könnte. Im Grunde genommen sieht sich der Film nicht primär in der Pflicht, einen besonderen Whodunit-Effekt anzubieten, sodass das Hauptaugenmerk auf Charakterzeichnungen und Szenen am Gericht liegt. Ein Arzt verliert seine Reputation und alles, was noch übrig war von seinem einst erfüllten Dasein. Personen seines Umfeldes wenden sich ab, es bleiben nur wenige Stützen übrig. Eine gute Leistung liefert Marianne Koch, die unaufdringlich auf den Zuschauer wirkt, doch ebenso unberechenbar für den Angeklagten werden könnte. Friedrich Domin als dessen Rechtsanwalt stellt unermüdliche Rehabilitierungsarbeit unter Beweis, Kollegen wie Walter Rilla, Herbert Tiede, Paul Verhoeven, Heinrich Gretler und vor allem Ettore Cella oder Max Mairich runden das Geschehen gekonnt ab. Besondere Erwähnung muss wie gewöhnlich die Hamburgerin Ingrid Andree finden, die eine Art Abonnement für schwierige beziehungsweise anspruchsvollere Rollen hatte, die sich besonders in unkonventionellen Rahmenbedingungen entfalten konnten. Als Exfrau des angeklagten Doktors ist die möglicherweise Ermordete nur noch in aufschlussreichen Rückblenden zu sehen und mit ihr entstehen die einzigen Lichtmomente, die das Dunkel lichten können. Kleinere sentimentale Intervalle schaden diesem im Gros konventionell und unterhaltsam aufgezogenen Gerichtskrimi in keinster Weise, der über sehr atmosphärische Aufnahmen und Anflüge von Dialogschärfe verfügt. "...und nichts als die Wahrheit" gefällt sich vor allem darin, charakterliche Studien zu zeichnen, die der Justiz ausgeliefert werden oder diese maßgeblich beeinflussen werden. Insgesamt bleibt ein gelungener, mit subtiler Kritik unterlegter Unterhaltungsfilm, dessen Wahrheitsfindung nachvollziehbar dargestellt wird.

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