PSYCHO IV - THE BEGINNING - Mick Garris

Slasher, Backwood, Grusel oder auch herber Splatter: der Platz für die dunkle Seite des amerikanischen Films
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Prisma
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PSYCHO IV - THE BEGINNING - Mick Garris

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Anthony Perkins

PSYCHO IV - THE BEGINNING


● PSYCHO IV - THE BEGINNING (US|1990) [TV]
mit Olivia Hussey, CCH Pounder, Warren Frost, John Landis, Donna Mitchell, Ryan Finnegan und Henry Thomas
eine Produktion der Universal Television | Smart Money Productions
ein Film von Mick Garris

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»Der beste Freund ist die Mutter...«


Als die Radio-Moderatorin Fran Ambrose (CCH Pounder) gerade mit ihrer Show "Talk of the Town" zum Thema Matrizid auf Sendung ist, meldet sich ein Anrufer, der sich Ed nennt und live davon berichtet, dass er dem Zwang unterliegt, bald wieder morden zu müssen. Die detaillierte Berichterstattung des Anrufers über seine von ihm getötete Mutter (Olivia Hussey) legt dem in der Sendung anwesenden Psychiater Dr. Richmond (Warren Frost) die Vermutung nahe, dass es sich beidem anonymen Talk-Gast um den mittlerweile rehabilitierten Massenmörder Norman Bates (Anthony Perkins) handelt, den er vor etwa dreißig Jahren selbst begutachtete. Die Ankündigung Normans versetzt die Runde in helle Aufregung und man versucht herauszufinden, wie ein weiteres Unglück noch in letzter Minute verhindert werden kann...

"Psycho IV - The Beginning" wurde seinerzeit für das amerikanische Fernsehen produziert und ist erstmals nicht als direkte Fortsetzung der im Jahr 1960 gestarteten Chronologie des Grauens anzusehen. Das clevere Konzept dieses vier Jahre nach dem dritten Teil entstandenen Films bedient sich vor allem des Stilmittels von breit ausbuchstabierten Rückblenden, die Themenbereiche ansprechen, die zuvor höchstens angedeutet wurden, beziehungsweise der Fantasie des Zuschauers überlassen waren. Der Verlauf verlässt sich primär auf drei Eckpfeiler, bestehend aus den Schilderungen rund um die Vergangenheit, Normans privates Umfeld und der damit verbundenen Situation, außerdem der Radiosendung "Talk of the Town". Interessant bei dieser Variante der Erzählung ist, dass der vierte Teil es nur bedingt schafft, für das Verständnis gegenüber Norman Bates zu sorgen, welches die Vorgänger spielend kreieren konnten, da mehr auf diskretere Tragik gesetzt wurde. Des Weiteren kommt es unter Mick Garris Regie zu einer Reihe von Formfehlern, die sich nicht mit den Schilderungen aus den vorhergegangenen Teilen decken, was durch die sehr hohe Unterhaltsamkeit allerdings kompensiert werden kann. Die Hintergründe aus Normans Jugend stellen die spektakulärsten Inhalte von "The Beginning" dar, die aufgrund der intensiven Bebilderung sowie einiger introvertierter bis exaltierter Charaktere packen können. Eigenartigerweise wird die Spannungskurve immer wieder durch Perkins selbst unterbrochen, da sich erstmals eine gewisse Vorhersehbarkeit einschleicht, was jedoch nur auf die aktuellen Geschehnisse bezogen ist. Das Verwenden vieler Bindeglieder zur Vergangenheit beschert dem vierten Teil eine angemessene Strahlkraft, und für TV-Verhältnisse kann sich "Psycho IV" durchaus sehen lassen. In darstellerischer Hinsicht bekommt man sehr ansprechende Leistungen geboten, die sich vor allem in den Sequenzen der Rückblenden finden lassen. Hier zu erwähnen sind vor allem Olivia Hussey und Henry Thomas, die das vollkommen gestörte Mutter-Sohn-Verhältnis mit Hingabe, überaus irritierend und weitgehend glaubhaft über die Bühne bringen.

Für die Darstellung des jungen Norman Bates scheint Henry Thomas wie geschaffen zu sein, denn er wirkt wie ein machtloser Spielball der psychischen Instabilität und Stimmungslabilität seiner eigenen Mutter, die wiederum von Olivia Hussey unbequem, temperamentvoll und unberechenbar gezeichnet wird. Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn nimmt teilweise abenteuerliche Konturen an, trägt aber zum Verständnis und vielleicht auch ein Stück weit zur Existenzberechtigung dieses erneuten Flicks bei, der sich zwar problemlos selbst neu erfindet, aber nicht an die Dichte und Qualitäten der Vorgänger heranreicht, was vielleicht auch naturgemäß so sein muss. Erwähnenswert ist des Weiteren die sympathische Performance von CCH Pounder, die als verständnisvolle Zuhörerin fungiert und dem Zuschauer Informationen beschert. Zwar wirkt sie so, als sei sie schon seit Jahren nicht mehr aus ihrem Studio herausgekommen und dementsprechend in einem Tunnel der Überambitioniertheit gefangen zu sein, aber sie funktioniert als wichtiges Bindeglied innerhalb der verschiedenen Handlungsstränge. Anthony Perkins Mitwirkung kann zunächst einmal als Muss bezeichnet werden. Dem Empfinden nach geht sein Auftritt aber auch nicht über diese Grenze hinaus, da er anderen das Feld überlassen muss, und er zugunsten der Dramaturgie in ein einseitiges Set eingeschnürt ist, aus dem nur gegen Ende herauszubrechen ist, um schließlich seichten TV-Seelenbalsam zu kolportieren. Unterm Strich schafft es "Psycho IV" nicht lückenlos, den Zuschauer bedingungslos auf seine Seite zu ziehen, da einfach zu viele vorgefertigte Wertungen zu finden sind. Kein anderer Teil versuchte dem Zuschauer in derartiger Art und Weise das Denken abzunehmen, was einfach nicht spurlos am Interessenten vorbeigehen kann, da sich die gewohnt-mysteriöse Spannung und das Unergründliche nicht durchgehend intensiv aufbaut. Dennoch bleibt zu erwähnen, dass "Psycho IV - The Beginning" einen ordentlichen Achtungserfolg, oder eher einen Arbeitssieg verbuchen kann, denn die kurzweilige Geschichte weiß in ausreichender Manier zu überraschen und daher insgesamt gut zu unterhalten. Ein geplanter fünfter Teil hatte sich übrigens mit dem Tod von Hauptdarsteller Anthony Perkins im Jahr 1992 zerschlagen.

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Prisma
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Re: PSYCHO IV - THE BEGINNING - Mick Garris

Beitrag von Prisma »



Wenn man die "Psycho"-Serie von vorne aufrollen will, kann dieser vierte Teil zahlreiche Fragen beantworten, auch wenn der zeitliche Kontext und entsprechende Geschehnisse manchmal nicht genau stimmen wollen. Vorteil von Mick Garris Film ist seine unkonventionelle Architektur, die auch unabhängig von Wahrscheinlichkeiten für Überraschungen sorgen kann. Der Zuschauer lernt hier viel über den jungen Norman Bates und seine attraktive Mutter kennen, was mit glänzenden schauspielerischen Leistungen von Henry Thomas und Olivia Hussey unterlegt wird. Im Grunde genommen erfährt man mit einer breit angelegten Reihe von Rückblenden kein Mitleid mit den Personen in ausweglosen Situationen und einem schrecklichen Vakuum, sondern man versteht wie es erst zu gewissen Situationen kommen konnte, wenngleich um kein Verständnis gebuhlt wird. Hierbei offenbaren sich hochinteressante Script-Einfälle, die nicht nur für Überraschungen sorgen können, sondern auch für eine Spannung, die ziemlich eigenartig wirkt, da sie sehr oft aus der Gegenwart herausgetrennt wirkt. Diese spielt sich beinahe hauptsächlich am Telefon und in einer Radio-Show ab, in der Norman bereitwillig seine Matrizid-Geschichte erzählt. Hierbei dürfen Anthony Perkins und CCH Pounder auftrumpfen, die sich emotionale und qualifizierte Rededuelle liefern. Teil IV schneidet in der Gunst von Fans oft nicht besonders gut ab, allerdings zählt der bloße Einfall und die in breiten Teilen fesselnde Inszenierung, die auch diese letzte Episode der Reihe zu einem sehenswerten und oft unbehaglichen Spektakel werden lässt. Alle Jahre wieder gerne gesehen.

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