La ragazza che sapeva troppo (IT)
La fille qui en savait trop (F)
Obsession diabolique (BE)
La muchacha que sabía demasiado (ES)
A Rapariga Que Sabia Demais (POR)
Noche del demonio (MEX)
The Girl Who Knew Too Much
Evil Eye
Incubus
IT 1963
R: Mario Bava
D: Letícia Román, John Saxon, Valentina Cortese, Titti Tomaino, Luigi Bonos, Milo Quesada, Robert Buchanan, Giovanni Di Benedetto, Marta Melocco, Lucia Modugno, Gustavo De Nardo u.a.
Italienische Erstaufführung: 14.02.1963
Italo-Cinema.de
Schnittbericht
Score: Roberto Nicolosi
OFDb
Infolge einer schweren Erkrankung ihrer Tante Ethel Wignal Bartocci (Tina Lattanzi) reist die begnadete Kriminalromanleserin Nora Davis (Letícia Román) mit einem Flieger der TWA-Airlines von New York nach Rom, um ihre schwerkranke Angehörige in deren häuslichen Umfeld zu pflegen. Noch während des Fluges bekommt Nora von ihrem Sitznachbarn, einem gewissen De Vico (Milo Quesada) eine Zigarette angeboten, die sie ohne groß zu überlegen dankend annimmt. Doch kaum am Flughafen in Fiumicino gelandet, folgt für sie das böse Erwachen, denn De Vico wird in der Empfangshalle von einer bereits auf ihn wartenden Polizeimannschaft verhaftet, da er sowohl Kokain schmuggelte als auch fertige Cannabis-Zigaretten, von denen er eine zuvor der ahnungslosen Nora im Flugzeug angedreht hatte. Als Nora kurz darauf völlig verdattert am Haus ihrer Tante eintrifft, macht sie zunächst Bekanntschaft mit dem behandelnden Arzt ihrer Tante, Dr. Marcello Bassi (John Saxon), bevor sie sich liebevoll um die pflegebedürftige Dame zu kümmern beginnt. Allerdings verschlechtert sich der Gesundheitszustand der älteren Dame gleich in der ersten Nacht rapide, bis sie urplötzlich sanft entschläft.
Völlig aufgelöst macht sich Nora in der dunkelsten Nacht auf den Weg zu einem nahegelegenen Krankenhaus, wobei sie bereits nach wenigen Metern sowohl das Opfer eines Taschendiebes wird als auch Augenzeugin einer grausamen Mordtat, die auf der weltbekannten Trinità dei Monti-Treppe vonstattengeht. Traumatisiert von dem soeben Miterlebten verliert Nora ihr Bewusstsein. Als sie wieder zu sich kommt, findet sie sich in einem Krankenbett des nahegelegenen Krankenhauses wieder, wo ihr aber hinsichtlich ihrer Tatschilderungen niemand Glauben schenkt. Im weiteren Verlauf entdeckt entdeckt Nora im Haus der Nachbarin Laura Craven-Torrani (Valentina Cortese), mit der sich kurz zuvor angefreundet hatte, eine Kiste mit ausgeschnittenen Zeitungsartikeln, die allesamt von einem Serienmordfall handeln, bei dem die einzelnen Taten zwar ganz genauso wie der von ihr miterlebte Mord abliefen, aber eben bereits schon vor zehn Jahren. Dem geheimnisvollen Übeltäter wurde damals als der 'Alphabet-Killer' bezeichnet, da die Nachnamen seiner Mordopfer chronologisch mit den ersten drei Buchstaben des Alphabets begannen. Obwohl der vermeintliche Täter zum damaligen Zeitpunkt überführt wurde, scheint dieser offensichtlich seine Serienmorde nach einer zehnjährigen Pause wieder fortzusetzen, und zwar mit dem Buchstaben D wie Davis. Bleibt letztlich die Frage, ob sich Nora tatsächlich in Gefahr befindet oder ob der vermeintliche Mord einem Hirngespinst gleichkommt, das rauschbedingt ihrer Fantasie entsprang?
Angelehnt an den Filmtitel von Alfred Hitchcocks DER MANN DER ZUVIEL WUSSTE inszenierte Mario Bava 1962 mit THE GIRL WHO KNEW TOO MUCH einen quasi Prototyp des erst weniger Jahre später so richtig durchstartenden Giallo-Genres. Zwar besteht in der Fachwelt weiterhin Uneinigkeit, ob LA RAGAZZA CHE SAPEVA TROPPO tatsächlich als der erste italienische Giallo angesehen werden kann, zumindest orientierte sich der spannungsgeladene Film an den Mondadori-Kriminalromanen, von denen er dementsprechend auch die Ingridenzien übernahm, die für die Filmproduktionen des kurz darauf erst einsetzenden Siegeszug der Giallo-Erfolgswelle essentiell waren. Zudem weist der Film bereits das Element des nichtheimischen Protagonisten aus, was wiederum beispielsweise in PROFONDO ROSSO, TENEBRE oder zahlreichen anderen Genrevertretern insofern übernommen wurde. Mario Bava fungierte bei LA RAGAZZA CHE SAPEVA TROPPO nicht nur als Regisseur, sondern führte nebenbei auch noch die Kamera. Weiterhin überarbeitete er das von den Produzenten zur Verfügung gestellte Drehbuch in seinem Sinne, welches ursprünglich von keinen Geringeren als Sergio Corbucci, Mino Guerrini und Franco Prosperi verfasst wurde. Laut Luigi Cozzi soll das Drehbuch in seiner Ursprungsfassung eher einer romantische Komödie entsprochen haben, bevor Mario Bava dieses vornehmlich zu einem Thriller umschrieb.
Eine der größten Stärken des Films stellt die beeindruckende Schwarzweißfotografie dar, die dem Film durch ihr eindrucksvolles Spiel mit Licht und Schatten einen ganz besonderen Touch verleiht. Ausgesprochen intensiv kommt diese kunstvoll erschaffene Atmosphäre während der Szene in dem verlassenen Haus zur Geltung, in dem dann auch das Tonbandgerät vorgefunden wird, das als erstes Beweisstück für den vermeintlich miterlebten Mord dient. Zur Auflockerung unterbricht Bava die kinematografische Düsternis immer wieder mit komisch wirkenden Momentaufnahmen, die aber keinesfalls kalauerhaft daherkommen, sondern sich viel eher an dem feinsinnigen Humor zahlreicher Vertreter der Commedia all'italiana orientieren. Insgesamt kann festgehalten werden, dass LA RAGAZZA CHE SAPEVA TROPPO im Vergleich zu den meisten der später noch folgenden Giallo-Thrillern um einiges liebenswerter wirkt, was dem Film dann auch eine gewisse Einzigartigkeit in dem oftmals von sich gegenseitig abgekupfernden Giallo-Genres verleiht. Hinzu gesellt sich eine männliche Erzählerstimme aus dem Off, die den sowieso schon mitreißenden Handlungsverlauf noch packender wirken lässt, sowie zahlreiche Sehenswürdigkeiten der italienischen Hauptstadt, die durch die brillante Schwarzweißfotografie Bavas unheimlich faszinierend anmuten.
Laut den Aussagen John Saxons soll ihn Letícia Román von Rom aus angefragt haben, ob er nicht Lust hätte, an einem italienischen Arthouse-Film mitzuwirken, was er dann auch ohne groß zu überlegen tat. Erst nach seiner Ankunft in Rom soll er dann erstmals das Drehbuch zu Gesicht bekommen haben, woraufhin er erstaunt festellen musste, dass es sich bei dem zugesagten Arthouse- Film in Wirklichkeit um einen Horror-Thriller handelte. Bezüglich Mario Bava lässt John Saxon verlauten, dass er sich mit diesem zunächst sehr gut verstanden hätte, bis einer der Produzenten dem Regisseur das angebliche Mär auftischte, dass der italoamerikanische Gaststar ein über das übliche Maß herausgehendes Interesse an Letícia Román zeigt. Ob die angebliche Eifersüchtelei Bavas gegenüber Saxon letztlich der wahre Grund für das allmähliche Abkühlen des zuvor guten Verhältnisses zwischen den beiden war, oder anderweitige Sachverhalte dazu führten, lässt sich heutzutage wie so oft leider nicht mehr nachvollziehen. Zumindest legen sowohl Letícia Román als auch John Saxon, wenn auch weit entfernt von oscarreif, überzeugende Darbietungen aufs Parkett. Lediglich das Minenspiel der beiden wirkt stellenweise etwas außer Kontrolle geraten. Musikalisch wurde LA RAGAZZA CHE SAPEVA TROPPO mit zweckdienlichen Partituren des Komponisten Roberto Nicolosi unterlegt. Zudem wurde das Titellied von Adriano Celentano eingesungen.
In den Vereinigten Staaten wurde der Film unter dem Titel EVIL EYE gemeinsam mit seinem Vorgänger DIE DREI GESICHTER DER FURCHT von American International Pictures veröffentlicht, was wiederum zur Folge hatte, dass James H. Nicholson und Samuel Z. Arkoff wie so oft Hand anlegten und dem Film sowohl eine neue Filmmusik von Les Baxter als auch veränderte Handlungsspassagen sowie nachgedrehte Szenen verpassten. Obwohl für die nachgedrehten Szenen einige tolle Momente der italienischen Fasssung weichen mussten, weist die amerikanische Schnittfassung letztlich eine sechs Minuten längere Laufzeit auf. Ferner wurden sämtliche Szenen entfernt, die den Konsum von Drogen thematisieren, was bei der amerikanischen Fassung letztlich auch zu anderen Auflösung des Plots führt. Was ein wenig verwirrt, sind gezeigte Szenen, in denen die Hauptprotagonistin dennoch berauscht wirkt. Eigentlich möchte man meinen, dass diese Szenen in die italienische Fassung gehören, aber gerade in dieser sind die besagten Momente verwunderlicherweise eben nicht enthalten. Zudem enthält die amerikanische Schnittfassung mehr humorige Einlagen, wodurch der Film in Verbindung mit der neuen Filmmusik ein wenig wesensverändert erscheint (Schnittbericht).
Dankenderweise ist die AIP-Fassung in englischer Sprache ebenfalls auf der hervorragenden BD von Arrow enthalten.
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Italienischer Trailer: