CARMEN BABY - Radley Metzger

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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CARMEN BABY - Radley Metzger

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Uta Levka

CARMEN BABY


● CARMEN BABY / CARMEN, BABY (D|JUG|US|1966)
mit Claus Ringer, Barbara Valentin, Carl Möhner, Christiane Rücker, Arthur Brauss, Doris Arden, Michael Münzer und Walter Wilz
eine Produktion der Amsterdam Films | im Constantin Filmverleih
ein Film von Radley Metzger

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»Can't anyone satisfy you?«


Carmen (Uta Levka) lebt in einem kleinen südländischen Stächen und arbeitet dort als Bedienung in einem Café. Die junge Frau ist stadtbekannt, da sie es nicht einsieht mit ihren Reizen zu sparen, um sich als Objekt der Begierde zu inszenieren. Auch der Polizist José (Claus Ringer) kann nicht mehr aufhören, an sie zu denken. Als er Carmen eines Tages festnehmen und abführen soll, bittet sie um ihre Freilassung und stellt eine besondere Gegenleistung in den Raum, bis José schwach wird. Doch Carmen ist nicht nur für einen Mann geschaffen, was noch einige Konflikte und Eifersucht zutage bringen wird, bis man zielstrebig auf eine Katastrophe zusteuert...

Radley Metzgers "Carmen Baby" wurde seinerzeit bescheinigt, die immer wieder zitierte sexuelle Revolution widerzuspiegeln - zumindest in Fragmenten. Die internationale Co-Produktion ist ausschließlich mit deutschen Schauspielern besetzt, in der Uta Levka in der Titelrolle auf Händen getragen wird. Metzgers Filme dokumentieren ein Stück weit, dass er offenbar (weibliche) Epizentren wie in diesem Fall Levka gebraucht hat, um auf Touren zu kommen, was allerdings einen Rundumschlag zwischen Sinnlichkeit und Sex gleichkommt. Diese Komponente bleibt in der 1966 hergestellten Produktion auf eher angedeuteter Basis, die allerdings einen weiteren Meilenstein in Metzgers Filmografie darstellt, hebt sie sich doch ganz offensiv von Konkurrenten ab. Ganz offensichtlich setzte die Regie in ganz besonderem Maß auf die Deutsche, die bereits in dessen Vorgängerfilm "Mädchen zwischen Sex und Sünde" mitgespielt hatte. Die erotischen Szenen gehen unter Radley Metzgers Regie jedoch über die herkömmlichen Andeutungen heraus, da er dem Publikum einen hautnahen Kontakt gewährt. Die Geschichte stellt eine moderne Version von Prosper Mérimées Novelle "Carmen" dar, in der die umschwärmte Titelfigur aus der Zigarettenfabrik zu einer Bedienung in einem Café wird, Don José zum Polizisten und Escamillo zum Rock 'n' Roll-Sänger. Die Erfahrung konnte immer wieder beweisen, dass es sich um einen dankbaren Stoff handelt, der nach Belieben bearbeitet und in unterschiedliche zeitliche Fenster geschoben werden konnte. Hier stellt sich in Windeseile heraus, dass es sich bei Uta Levka um die goldrichtige Lösung für die von Männern belagerte und verführerische Titelfigur handelt. Ihre katzenhaften Bewegungen und fixierenden Blicke lassen die Männer der Szenerie - vielleicht auch die des Publikums - verrückt werden und in der Fiktion Dinge tun, die sich so mancher vielleicht nicht erträumt hätte.

Doch Carmen präsentiert sich als vielversprechender Hauptgewinn, falls ihre Wünsche erfüllt werden. Und sie werden stets erfüllt. Radley Metzger arbeitet sich hier elegant und überaus begabt an Spektrum der quasi kognitiven Erotik ab, da vieles im diskreten Rahmen bleiben soll. So sind zahlreiche Close-Ups der Interpreten zu sehen, die genau die Zeit in Anspruch nehmen, bis Carmen mit ihnen fertig ist. Metzger achtet auf Emotionen und Regungen in den Gesichtern der Darsteller, außerdem verleihen sie ihrer Lust akustischen Nachdruck und dies alles geschieht beinahe, ohne für nackte Tatsachen zu sorgen. Es handelt sich somit um eine sehr interessante und spannende Art der sexuell aufgeladenen Atmosphäre, wenn beispielsweise kaum etwas plastisch, aber alles in der Fantasie gezeigt wird, doch daraus wird sich noch ein fatales Vakuum für die Hauptpersonen entwickeln. Der Film funktioniert sogar gut, wenn man die Vorlage kennt, aber ebenso blendend, wenn man noch nie etwas von ihr gehört hat. Neben Uta Levka tummeln sich aber auch wahrhaftige Expertinnen des deutschen Erotikfilms in der Geschichte und es ist erstaunlich, zu welcher Bündelung es hier kommt. Zu sehen sind Barbara Valentin, Christiane Rücker und Doris Arden, deren übliche Zeigefreudigkeit hier unterdrückt scheint. Eine legendäre Strecke entsteht zwischen Walter Wilz und Uta Levka, als beide beim Sex durch ein nicht enden wollendes Sammelsurium bunter Gefäße und Gläser hin und her gefilmt wird, und man sich seinen Teil aufgrund der angedeuteten Bewegungen und Geräusche denken kann. Da Abwechslungsreichtum hier buchstäblich groß geschrieben wird, passen sich ach alle Darsteller einem ungewöhnlichen Konzept des gegenseitigen Erregungszustandes an, was immer man auch darunter verstehen will. Requisiten und Sets bewegen sich im Auge von Hans Juras Kamera zwischen Kunst und Krempel und nur selten wird Eindeutiges gezeigt, sodass sich auch dieser Beitrag in künstlerisch hochwertigeren Sphären bewegt.

Levka in der Hauptrolle sehen zu können, stellt sich als großes Nonplusultra der gesamten Produktion heraus, da sie es ohne Abstriche und Zeitverschwendung schafft, Radley Metzgers Carmen zu sein. Ihre Performance ist mitreißend, auffordernd und abgründig, sodass man immer nur zu wissen glaubt, mit wem man es eigentlich zu tun hat. Ihre Männergeschichten gleichen dabei einer regelrechten Strategie, die manchmal den Eindruck in die zweite Reihe verfrachtet, dass es ihr ausschließlich ums Vergnügen geht, aber sie will weiter kommen, sodass jeder Etappensieg immer mindestens einen ihrer Freier abhängen wird. Hier ist Claus Ringer zu nennen, dessen Begeisterung in Fanatismus umschlägt. Er präsentiert den jungen Polizisten sehr überzeugend und man ahnt innerhalb seiner emotionalen Achterbahn, dass es noch zu einem Kurzschluss kommen wird. Interessant ist noch der für ihn ziemlich ungewöhnliche Auftritt von Walter Wilz als umjubelter Rockstar, der von Carmen auf der Tanzfläche erobert wird, wohlgemerkt mit einem Solo. Die Damen Christiane Rücker, Doris Arden und Barbara Valentin bleiben von Radley Metzger beinahe unangetastet, was aus der Perspektive des deutschen Films beinahe ungewöhnlich, vielleicht sogar verschwenderisch aussehen mag. "Carmen Baby" ist und bleibt ein leider in Vergessenheit geratener Klassiker des kunstvoll verspielten Erotikfilms, der sich unter der US-amerikanischen Regie den durchaus angebrachten Luxus erlaubt, völlig eigene Wege zu gehen. Der Verlauf verfügt über eine erstaunliche Klaviatur der Spannung, die sich in unterschiedlichen Facetten präsentiert. Für heutige Begriffe mag das Ganze ein wenig zu zahm anmuten, allerdings filtert Metzger die Ansprüche und Marschrichtungen zeitgenössischer Sex- und Erotikfilme erfolgreich beiseite, sodass der Fokus auf seinen Ideenreichtum gelegt werden kann. Der Film hat bei Auftauchen einen Blick verdient und gehört mit all seiner einfachen Brillanz zu den faszinierenderen Vertretern seiner Klasse. Macht wirklich Spaß!

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