UNDER THE SKIN - Jonathan Glazer

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Maulwurf
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UNDER THE SKIN - Jonathan Glazer

Beitrag von Maulwurf »

Under the Skin
Under the skin
Großbritannien/Schweiz/USA 2013
Regie: Jonathan Glazer
Scarlett Johansson, Paul Brannigan, Robert J. Goodwin, Krystof Hádek, Scott Dymond, Jessica Mance, Michael Moreland, Jeremy McWilliams, Lynsey Taylor Mackay, Dougie McConnell, Kevin McAlinden, D. Meade


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https://ssl.ofdb.de/film/227906,Under-the-Skin

In der Gestalt einer attraktiven Frau fährt ES in einem Lieferwagen durch Glasgow und spricht Männer an. Wenn die Männer alleinstehend und vertrauensselig sind steigen sie zu ES in den Wagen. ES verspricht ihnen schnellen Sex, doch die Männer werden in eine Falle gelockt. Ihr Körper wird lebendig konserviert und irgendwann ausgesaugt. Nur die Haut bleibt übrig. Denn ES ist ein Wesen aus einer Anderswelt, dessen einziger Lebenszweck das Töten zu sein scheint. Mit ES reist noch ein dunkler Motorradfahrer, der aufräumt, damit keine Fragen auftauchen. Eines Abends spricht ES einen verwachsenen Menschen an, einen, der die sogenannte Elefantenkrankheit hat. Nennen wir ihn der Einfachheit halber John Merrick. ES nimmt John Merrick mit, aber das, was John Merrick sagt, was er denkt, was er fühlt, seine unglaubliche Einsamkeit, das berührt und überwältigt ES durch die Intensität der erlebten Emotionen. ES flüchtet in die Highlands, in ein kleines Kaff. Dort lernt SIE Radiomusik kennen, Kuchen, Fernsehen, und körperliche Liebe. Doch das Schicksal hat andere Pläne …

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Scarlett Johansson, mit Perücke und Schminke so hergerichtet dass sie nicht erkannt wird, fährt mit einem Lieferwagen durch Glasgow. In dem Lieferwagen sind Kameras so geschickt versteckt, dass sie nicht auffallen. Johansson spricht Männer an, zufällige Passanten, die dann gefilmt werden. Auch wenn Johansson durch die Straßen läuft und schauspielert ist eine versteckte Kamera bei ihr und filmt die Reaktionen der Passanten. Das Kino durchbricht die Grenze zur Realität. Und umgekehrt.

Auf der anderen Seite dann hochartifizielle Szenen, die jedem Bezug zur realen Welt entbehren. ES übernimmt den Körper einer Frau. ES lockt die Männer in eine Flüssigkeit, auf der ES laufen kann, während die Männer untergehen und hilflos im Nichts treiben. Weiter weg kann Realität gar nicht sein – als Vergleich fallen mir vielleicht französische Comics aus den 70ern ein, die ebenfalls oft in einer in sich logischen Welt angesiedelt waren, welche vollkommen autark neben einer wie auch immer gearteten Realität stehen konnte.

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Und wenn UNDER THE SKIN nicht so einen furchtbaren dramaturgischen Hänger hätte, dann wäre die Bewertung um einiges höher ausgefallen. Die erste Stunde ist bildgewaltiges und hypnotisches Kino. Fast ohne Dialoge wird mit Gesichtern und Stimmungen erzählt. Mit Körpern und vor allem mit langen und eindringlichen Einstellungen. Wenn ES/SIE im Nebel verschwindet, dann bleibt die Kamera auch mal noch einige Zeit im Wagen und beobachtet den Dunst, der durch die Einöde zieht. Wie ein Beobachter, der dem Objekt der Begierde nicht folgen mag. Leider kann diese Magie in den Highlands nicht aufrecht erhalten werden. Die Stimmung drängt dort öfters fast ins Komische, wenn zum Beispiel SIE beim versuchten Geschlechtsverkehr entdecken muss, dass zwischen ihren Beinen etwas anderes ist als bei dem Mann, und SIE mit einer Lampe dorthin leuchtet um das Problem zu verstehen.

Erst zum Schluss, im Wald von Lochgilphead, ist die Magie wieder da. Der Waldarbeiter, SIE und die Verbindung zur Natur, zum Wald, und dann wieder der Waldarbeiter. Der Motorradfahrer, der sich ebenfalls längst als Wesen aus einer Anderswelt zeigt, und der auf einem verschneiten Berg steht und verzweifelt nach ES sucht. Die grausamen Bilder am Ende …

Wer Filme wie WALHALLA RISING mag, oder den “klassischen“ Rollin aus den 70ern, der darf hier unbedenklich zugreifen. UNDER MY SKIN ist fremd, wild, anders und blutig, Hypnotisch und beeindruckend. UNDER MY SKIN zieht den Zuschauer wie ein Wesen aus einer anderen Welt in seinen Bann um es auszusaugen, und nur die leere Hülle auf dem Sofa zurückzulassen.

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8/10

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