Das Stundenhotel von St. Pauli (D)
Inchiesta di un procuratore su un albergo di tolleranza (IT)
De zwoele nachten van Hamburg (NL)
Hôtel du vice (F)
Hotel by the Hour
D 1970
R: Rolf Olsen
D: Curd Jürgens, Andrea Rau, Corny Collins, Yvonne Ten Hoff, Michael Maien, Konrad Georg, Rudolf Schündler, Brigitte Mira, Gine Magnol, Angelica Ott, Monika Hielscher, Manfred Spies u.a.
Deutsche Erstaufführung: 09.04.1970
Synchronkartei
Filmportal
Score: Erwin Halletz
OFDb
"Scheiße im Trompetenrohr!"
Als allein erziehender Vater hat man es nicht immer leicht. Davon kann auch Kommissar Canisius (Curd Jürgens) ein Liedchen trällern, denn Peter (Manfred Tümmler), der Sohn des verwitweten Hamburger Kriminalpolizisten, engagiert sich im Rahmen der APO gegen den Besuchs des Schahs, bei dem es bekannterweise zu blutigen Krawallen kam, für die sich in erster Linie die für den Jubel bezahlte Schahanhänger sowie die skandalösen West-Berliner Bereitschaftspolizei verantwortlich zeigten. Leider gerät auch Peter in dieser Nacht zwischen die Fronten, so dass er infolge massiver Polizeiprügel lebensgefährlich verletzt in das nächstgelegene Krankenhaus eingeliefert werden muss. Als Canisius die Nachricht über das tragische Unglück seines Sohnes erreicht, möchte dieser sofort seinen Dienst beenden, um Peter im Krankenhaus Beistand zu leisten. Dies wird ihm aber von seinem Vorgesetzten, dem unerbittlichen Polizeirat Dr. Marschall (Konrad Georg), strengstens untersagt, denn auf St. Pauli ist in dieser Nacht mal wieder mächtig der Teufel los. Bereits kurze Zeit später, wird Canisius, dessen Gedanken sich ständig um den ungewissen Gesundheitszustand seines Sohnes kreisen, zum Stundenhotel 'Ostend' gerufen, in dem ein grausamer Mord an einem Homosexuellen vonstattenging. Was folgt, ist ein akribischer Verhörmarathon, denn das Stundenhotel scheint in dieser Nacht äußerst gut besucht zu sein. Dabei trifft Canisius nicht nur auf allerhand seltsamse Gestalten, sondern auch auf äußerst ungewöhnliche Gäste, denen er von da an als in Frage kommende Tatverdächtige einem nach dem anderen sorgfältig auf den Zahn fühlt.
Wie ugo-piazza bereits beim PFARRER anmerkte, wurde DAS STUNDENHOTEL VON ST. PAULI zwar größtenteils in Berlin gedreht, obwohl sich die Filmhandlung voll und ganz im weltbekannten Hamburger Stadtteil abspielen soll. Eigentlich wäre es auch auch absolut kein Problem, diesen charmanten Schwindel locker mit einem breiten Schmunzeln anzunehmen, wäre da nicht der wirlichkeitsgetreue Rahmen, in den diese Rutschpartie eingebettet wurde: Der skandalöse Besuch des persischen Schahs in 'Berlin' 1967. Natürlich könnte es auch sein, dass es sich in Rolf Olsens Drehbuch um einen Schah aus Fantasialand handelt, der seinen Staatsbesuch anstatt in Berlin viel lieber auf der Reeperbahn abhielt. Wer weiß das schon...
Letztendlich ist es auch völlig wurscht, wo der Film gedreht wurde, denn DAS STUNDENHOTEL glänzt nicht aufgrund seiner Realitätstreue, sondern vielmehr durch seine exploitativen Attraktionen, von denen es im Film einen ganzen Haufen zu bestaunen gibt. Angefangen von den bizarren Gästen des Stundenhotels, über die herzafte Dialogregie bis hin zu einer gialloesken Mordszene, Rolf Olsens Sittenreißer hat so ziemlich alles zu bieten, was die Herzen krautploitativer Filmliebhaber höher schlagen lässt. Was die auffällige Giallo-Mordszene betrifft, so ist es nicht das erste Mal, dass Rolf Olsen mit dieser italotypischen Inszenierungsweise positiv in Erscheinung tritt, denn sowohl in FRANKFURT SIND DIE NÄCHTE HEIß als auch in WENN ES NACHT WIRD AUF DER REEPERBAHN präsentierte er bereits egoperspektivisch inszenierte Mordtaten, die offensichtlich von Mario Bavas BLUTIGE SEIDE inspiriert waren. Wenn es das Filmgenre des 'Teutonen-Giallos' geben würde, dann könnte man Rolf Olsen zweifelsfrei als dessen Begründer ansehen. Ansonsten gibt sich in der frivolen Bude der gepflegte Irrsinn nacheinander die Klinke in die Hand, während der sorgengeplagte Canisius unermüdlich unter den Gästen dem vermeintlichen Täter nachspürt. Neben dem ehemaligen ARZT und PFARRER Curd Jürgens lassen auch noch beispielsweise Andrea Rau als chronische Gafferin, Yvonne Ten Hoff als minderjährige Tochter eines hohen Staatsbeamten, Rudolf Schündler als einfältiger Familienvater oder Michael Maien in der Rolle eines zwielichtigen Portiers die Puppen tanzen.
Bleibt weiterhin zu hoffen, dass dieses exploitative Juwel deutscher Filmkunst irgendwann das Licht in der digitalen Veröffentlichungswelt erblickt, wobei ich mich lau daran erinnern kann, dass Thilo von SK im alten Forum verkündete, dass es mit der Materiallage für eine entsprechende Veröffentlichung äußerst düster aussieht. Wenn ich mich recht entsinne, dann soll neben der rotstichigen 35mm-Fassung, bei der sich keine ordentliche Farbkorrektur mehr bewerkstelligen lässt, nur noch eine minderprächtige TV-MAZ existieren, die aber für eine HD-Abtastung ebenfalls ungeeignet zu sein scheint.
Fazit: "Make love, aber lüge nicht!"
Olsens 'Teutonen-Giallo'-Show:
Vergleich TV- und VHS-Credits:
Filmplakate:
Filmausschnitte:
Filmdienst: "Homosexualität und Mord aus Eifersucht in einem Hamburger Stundenhotel, versetzt mit ein wenig Generationskonflikt und aufgesetzter Sozialkritik. Weiteres Produkt der "Sex- und Crime-Welle" aus den 60er/70er Jahren. - Wir raten ab."
Score: