SCHONUNGSLOS - Abner Biberman

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Percy Lister
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SCHONUNGSLOS - Abner Biberman

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"Schonungslos" (Original: The Price of Fear) (USA 1956)
mit: Merle Oberon, Lex Barker, Warren Stevens, Charles Drake, Gia Scala, Konstantin Shayne, Stafford Repp, Mary Field, Phillip Pine, Dan Riss, Tim Sullivan, Robert Carson, Roy Engel u.a. | Drehbuch: Robert Tallman nach einer Geschichte von Dick Irving Hyland | Regie: Abner Biberman

Jessica Warren ist eine erfolgreiche Finanzberaterin und fährt gerade von einem lukrativen Geschäftsabschluss nach Hause, als sie wegen überhöhter Geschwindigkeit einen Fußgänger unter die Räder nimmt. In ihrer Panik verlässt sie den Unfallort, was sie jedoch bald bereut. Als sie die Polizei verständigen will, wird ihr Wagen gestohlen und blitzschnell ergreift die Börsenberaterin ihre Chance: Der Unbekannte soll für ihre Verfehlung büßen und wegen Fahrerflucht angeklagt werden. Doch Dave Barrett wird zeitgleich wegen Mordes gesucht, eines Verbrechens, das er nicht begangen hat. Nun stehen Aussage gegen Aussage und die Frage "Bewährungsstrafe oder elektrischer Stuhl" wird immer dringlicher....

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Universal Film produzierte "Schonungslos" mit einem kleinen Budget und vertraute dabei auf die präzise Schauspielerführung durch Regisseur Biberman und den bewährten Drehbuchautor Tallman, der den Sensationsreißer "Cry Innocent" aus der Feder von Hyland zu einem spannenden Drama weiterentwickelte. Der Fokus liegt auf den beiden Hauptdarstellern, welche neue Wege beschreiten und sich von eingefahrenen Rollenmustern lösen wollten. Während die Hollywood-Diva Merle Oberon in den Dreißiger Jahren ihre großen Leinwanderfolge feierte, sollte Lex Barker erst durch die Karl-May-Verfilmungen der Sechziger Jahre zu weitreichender Popularität gelangen. Seine Eignung für den düsteren Kriminalfilm bewies er auch als FBI-Agent in den "Dr. Mabuse"-Filmen, die er um eine weltmännische Note bereicherte. Der parallele Ablauf zweier Erzählstränge, die bald ineinander münden und deren Verflechtung zu neuen, verschärften Problemen führt, zeichnet zwei Charaktere, die sich trotz vorsichtiger Annäherung fremd bleiben und deren unterschiedliches Verständnis von Wahrheit und Gerechtigkeit immer wieder für Irritationen und Rückschläge sorgt. Jede Figur ist im eigenen Schicksalskokon eingesponnen und sucht nach Auswegen, um falschen Anschuldigungen oder einer Enthüllung der eigenen Verantwortungslosigkeit zu entkommen. Als weitaus erbarmungsloser erweist sich dabei die Frau, die sich mit eisernem Willen in ihrer Branche einen Namen machen konnte und ihre Existenz nun durch das Verkehrsdelikt bedroht sieht. Merle Oberon agiert sehr dosiert und setzt ihre Emotionen mit Bedacht ein, was sie teilweise spröde wirken lässt. Ihr zurückhaltendes Spiel kommt der Handlung jedoch insofern zugute, als sich ihre Aktionen immer wieder durch Zweifel, Sinnesänderungen und Reaktionen auf ihre Umgebung ändern.

Die Verknüpfung verschiedener Vergehen lässt die Geschichte unkonventioneller erscheinen als ähnliche Vertreter des Genres, obwohl sich die Gewalt vor allem in Drohungen und Einschüchterungen zeigt und die wenigen Morde offscreen ablaufen oder beiläufig gezeigt werden. Warren Stevens fällt hierbei eine entscheidende Rolle zu, die er geschmeidig und mit hinterhältigem Charme ausstattet, was angesichts des eher blassen Polizeiermittlers von großer Wichtigkeit ist. Lex Barkers Darstellung ist von angenehmer Ausgeglichenheit; die Härte, welche er in späteren Filmen oftmals zeigen muss, geht ihm noch ab, sein Auftreten bringt Ruhe in die Szenerie, die von der Nervosität der Gegenseite lebt. Dave Barrett ist die positive Figur der Handlung, die selbst für jene vertrauenswürdig wirkt, welche ihm eigentlich zürnen sollten. Gia Scala gibt in ihrer Nebenrolle als Tochter des Unfallopfers das Paradebeispiel der stillen, unauffälligen Frau, deren Kampf für Recht und Gerechtigkeit zu oft unbeachtet bleibt und sie wie eine Bittstellerin am Rande der Ereignisse erscheinen lässt. Die Zeichnung ihrer Rolle bringt Anlagen für eine psychologisch interessante Komponente mit, die jedoch angesichts des Schwerpunktes, der eindeutig auf Jessica Warren und Dave Barrett liegt, zu wenig ausgereizt wird. Im Verlauf der Handlung driftet die weibliche Hauptrolle zu sehr ins Melodrama ab, nachdem sie sich zuvor durch Überlegenheit und Kombinationsgabe ausgezeichnet hatte. Erneut bedient Hollywood hier ein Klischeebild, welches das Geschlechterverhältnis wieder 'geraderücken' soll, nachdem es eine Weile so ausgesehen hat, als würde ein sanfter Mann hier mit einer starken, unabhängigen Frau konfrontiert werden. "Achtung! Der Zug fährt ein."

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