Joseph Roth und Franz Kafka haben es vorgemacht, und ich nehme mir dieses Recht jetzt auch heraus: Der folgende Text wird ein Fragment bleiben! Zu überwältigend und verwirrend die Eindrücke, zu schwer zu beschreiben die Empfindungen bei der Sichtung, und diese liegt dann auch noch mehrere Monate zurück. Was bei einem 08/15-Film von der Stange noch funktionieren würde, nämlich eine längst vergangene Sichtung zu beschreiben, kann bei einem Film von Renato Polselli nicht funktionieren. Und bei BLACK MAGIC RITES schon gleich zweimal nicht …
Im Folgenden also dasjenige, was mir direkt nach dem Filmerlebnis durch den Kopf gegangen ist. Wie gesagt, der Text ist nicht zu Ende gebracht worden, und ob er das jemals wird steht in den Sternen. Aber wer den Film noch nicht kennt kann nach der Lektüre vielleicht verstehen, woran ich letzten Endes gescheitert bin. Und wer ihn schon kennt bekommt hoffentlich Lust, sich dieses unfassbare Spektakel mal wieder anzutun …
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Jack Nelson kauft sich die Hälfte eines alten Schlosses, und feiert den Erwerb der Immobilie praktischerweise gleichzeitig mit der Verlobung seiner Bekannten Laureen mit Richard Brenton. Jack weiß aber nicht, dass vor 500 Jahren auf diesem Schloss die angebliche Hexe Isabel verbrannt wurde, und dass jetzt die Zeit gekommen ist, mittels Blutopfern die Wiederauferstehung Isabels einzuleiten. Denn Lauren ist die Reinkarnation der Hexe Isabel, und Jack war in diesem früheren Leben ihr Liebhaber. Jeder der heutigen Gäste auf dem Schloss hat auch vor 500 Jahren bereits eine Rolle gespielt, und in einer Person kommen sie alle zusammen: In dem Besitzer der anderen Schlosshälfte, einem Okkultisten, der seit Jahren das Grab von Jack Nelson sucht.
Es ist schwer zu verstehen. Bekanntes und Unbekanntes liegen nah bei einander.
Drogenrausch. Brennende Kreuze. Eine Hexe, der das Herz entnommen wurde. Goldfischgläser, in denen sich nackte, angekettete Frauen spiegeln. Endloses Starren in den leeren Raum. Der schnellste Monolog der Filmgeschichte (nämlich wenn Stefania Fassio sich dafür rechtfertigt, die Treppe hinuntergefallen zu sein, indem sie unserklärtdassdaseinMonsterwarmitgrünenAugenweiljaalleMonstergrüneAugenhabenundeskamvonhintenundsiekonntesichnichtwehren …). Ein Okkultist mit einem etwas heruntergekommenen Schiffsmodell auf dem Schreibtisch. Die drei Supermänner in ihren roten Strampelanzügen, die flüssige Götterspeise mit Waldmeistergeschmack in aufgerissene Frauenschlunde schütten. Psychedelische Rockmusik der härteren Gangart. Ein Grab aus vertrockneten Holzästen.
Filme von Renato Polselli sind ja bekanntlich immer etwas anders. Weder ist DAS GRAUEN KOMMT NACHTS ein Giallo wie man ihn sich vorstellt, noch ist LUST ein Erotikstreifen klassischer Provenienz. BLACK MAGIC RITES läuft offiziell als Horrorfilm – ein Hoch auf das Schubladisieren, dem unsere Erwartungshaltungen entspringen und uns dann so oft enttäuschen.
Denn auch BLACK MAGIC RITES ist anders. Grundlegend anders. Zwar geht es schon irgendwo um die Wiederauferweckung einer toten Hexe und ihrer Rache, durchgeführt von ein paar Satansjüngern in den Kostümen der drei Supermänner. Aber das ist nur der vordergründige Teil des Films, der oberflächliche Part, der unter dem Begriff Horror das Publikum anlocken soll.
Der restliche Teil des Films, also alles, was unter dem Begriff “filmisch“ zusammenfasst: Schnitt, Musik, Schauspieler, Drehbuch, Kamera, all diese Dinge sind beileibe nicht filmisch, sondern hochgradig psychedelisch! Schauen wir da doch mal im einzelnen drüber (was ja eigentlich Quatsch ist, weil Polselli-Filme eigentlich immer in ihrer Gesamtheit betrachtet werden sollten):
Der Schnitt ist oft schnell und zuweilen auch interessant. Soll heißen, dass die Reihenfolge der schauspielerischen Aktionen nicht immer korreliert mit dem, was uns der Schnitt eigentlich zeigen möchte. Tag. Nacht. Innen. Tag. Außen. Nacht … Ihr wisst was ich meine. Und das soll heißen, dass vor allem gegen Ende die Bettszenen mit Stefania Fassio, der blonden unbekannten Darstellerin und dem ebenfalls unbekannten Pinscher sowas von deplatziert hineingeschnitten wurden, dass der Verdacht nahe liegt, dass hier eine andere Fassung vorliegt. In seiner Recherche zum LUSTHAUS DER TEUFLISCHEN BEGIERDEN belegt Richie Pistilli ja das Vorhandensein mehrerer, komplett unterschiedlich geschnittener und inhaltlich gravierend anderer Fassungen. Wie gesagt, diese Bettszenen haben mit dem eigentlichen Film eigentlich nichts zu tun. Darauf deutet auch die verwandte Musik hin, die eher an Slapstick-Komödien erinnert.

Überhaupt die Musik. Beginnt der Film noch spannend, mit einer musikalischen Hommage an Der FLUCH DER SCHWARZEN SCHWESTERN (nämlich Trommeln), über denen dann ein Chor wertvolles Wissen spricht: “Gestern wie heute, heute wie gestern. Alles ist dasselbe! Warum?“ Irgendwann allerdings hat es sich dann mit dem Chor, es kommt eine Bontempi-Orgel zum Einsatz, genauso wie das bereits erwähnte Slapstick-Orchester, und dann Peng Knall Bumm Psychedelic Rock der härteren Gangart! Einfach mal eben so. Ich habe jetzt bestimmt was vergessen, aber das macht nichts, ich kann den Film ja jederzeit wieder rauchen …
Die Schauspieler. Oder so. Ich meine, wir sind uns alle einige, dass Mickey Hargitay sicher ein sympathischer Kerl, aber als Schauspieler nicht unbedingt die oscarreife Nummer 1 war. Und jetzt kommt die Überraschung: Zusammen mi Rita Calderoni rockt er hier den Film wie nichts Gutes.