John Steiner Lina Polito
● LE DEPORTATE DELLA SEZIONE SPECIALE SS / DEPORTED WOMEN OF THE SS SPECIAL SECTION (I|1976)
mit Erna Schurer, Sara Sperati, Solvi Stübing, Guido Leontini, Paola D'Egidio, Stefania D'Amario und Rik Battaglia
eine Produktion der Nucleo Internazionale Produzioni Cinematografiche
ein Film von Rino Di Silvestro
Frauen sind in einem Zug zusammengepfercht und noch handelt es sich für sie um eine Fahrt ins Ungewisse. Der im Genre bewanderte Zuschauer ist den tragischen Protagonisten jedenfalls gedanklich einen deutlichen Schritt voraus und man wartet förmlich auf den Startschuss für bestialische Folter, grenzenlose Erniedrigung, feigen Mord und Strapazen aller Art. Bereits im Waggon werden ein paar Charaktere im Kurzdurchlauf vorgestellt, beziehungsweise es bleibt bei dem Versuch, und noch während die Akustik des Zuges die Szenerie dominiert und eine erste Rückblende abgehandelt wird, befindet man sich auch schon am Zielort, nämlich in einem schäbigen Frauen-Konzentrationslager das unter strengem Regiment steht. Etliche Befehle und Parolen sind auf Deutsch zu hören, was die unbehagliche Stimmung nur anheizen wird, bis schließlich Fräulein Oberaufseherin erscheint und knapp erläutert, wie der Aufenthalt weiter gehen wird. Es folgen eindringliche Untersuchungen und die übliche Palette an Geschmacklosigkeiten, sodass sich in Verbindung mit den gezeigten Bildern schnell herausstellt, wie Rino Di Silvestro seinen vierten von insgesamt nur acht Regie-Beiträgen aufziehen wird. Daher formt sich der Eindruck, dass alles daran gesetzt werden wird, sich so schnell wie möglich eine primitive Schmuddel-Atmosphäre herbei zu drehen, um die interessierte Zuschauer-Gemeinde umfassend, beziehungsweise unmissverständlich anzusprechen. Man kann wohl sagen, dass "Deported Women of the SS Special Section" den entscheidenden Vorteil mit sich bringt, wesentlich besser besetzt zu sein als viele seiner Genre-Kollegen und tatsächlich ist ein beinahe allseits gehobenes darstellerisches Niveau zu sehen, was vergleichsweise beinahe schon ungewöhnlich anmuten will.
Die Produktion bedient sich des typischen Rollenschemas John Steiners sehr effektiv und er ist erneut als sadistischer Zeitgenosse zu sehen, der alleine aufgrund seiner Erscheinung schon für Angst und Schrecken sorgen kann. Seine Uniform, seine Gebärden und sein Status geben ihm Sicherheit und die Absolution, schalten und walten zu können, wie es ihm gefällt. Ihn umgibt eine eigenartige Aura, die meistens Dominanz, aber zeitweise auch Unsicherheit und Zerrissenheit wiedergibt. Seine sexuellen Ausschweifungen gehen eine widerwärtige Kopplung mit Sadismus und Erniedrigung ein, für ihn spielt es offensichtlich keine Rolle wer gerade herhalten muss, Hauptsache sein Gegenüber kann wie ein Hund gedemütigt werden. In diesem Zusammenhang kommt es zu Szenen mit seinem Diener "Dobermann", der für sein leibliches Wohl zu sorgen hat, und das in jeder erdenklichen Beziehung. Diese Liaison dangereuse zwischen beiden geht sogar über bloße Andeutungen hinaus, wird gleichzeitig forciert und entschärft durch das Faible für die Gefangene Tania Nobel, die er wie ein Heiligenbild verehrt, sie uneingeschränkt besitzen möchte. Diese wird sehr eingängig von Lina Polito dargestellt, mit der man als Zuschauer mitfiebern kann, da sie ihr Leiden transparent zu schildern weiß. Die Schauspielerinnen sind in "Deported Women of the SS Special Section" ausschließlich in die Sektionen Gut und Böse eingeteilt. Hier fällt insbesondere die Leistung von Erna Schurer auf, die mit ihrer gespenstischen Präsenz für Zucht, Ordnung und letztlich Angst sorgen kann und ihren eiskalten Verstand bei jeder sich bietenden Gelegenheit einzusetzen weiß. Solvi Stübing gibt die Helfershelferin aus der zweiten Reihe sehr kompetent und insgesamt schaut man auf gute darstellerische Leistungen, die diesen Film mit seinem oftmals zu eintönigen Verlauf doch sehr aufwerten.
Guido Leontini und Rik Battaglia zeichnen des Weiteren mehr oder weniger Figuren, die zwar auf der falschen Seite agieren, aber Täter und Opfer zugleich darstellen und somit auffallen. Die Variationen rund um die Personen und deren Beziehungen zueinander, sowie das Quäntchen mehr Tiefgang bereichern den Verlauf ungemein, zumal diese Marschrichtung in ähnlichen Beiträgen eher selten zu finden war. Im Endeffekt müssen dennoch deutliche Abstriche bei der viel zu starren Geschichte gemacht werden, denn sie war in genau dieser Fasson schon mehrmals zu sehen. In diesem Sinn dreht sich die spannende Frage selbstverständlich darum, wie die Monster der Willkür zur Strecke gebracht werden können, und ob die bedauernswerten Gefangenen einen Ausweg aus der Endstation Hölle finden werden. Rino Di Silvestro setzt bei den Themen Spannung und Tempo auf die Verstärker Sadismus, Folter, Qual und abartige Neigungen, die in einem solch unbarmherzigen Flick ja naturgemäß eine Art Elixier darstellen. Eine besondere Erwähnung ist dennoch das hier anvisierte Kontrastprogramm wert, das von Stelvio Ciprianis wundervoller Musik nahezu dutzende Gesichter des Todes, aber auch der Hoffnung bekommt. Dieser Beitrag aus der Hochphase der Naziploitation-Filme kann unterm Strich in Erinnerung bleiben und zwar wegen seiner überdurchschnittlich prominenten Besetzung. Im Sinne des Handlungsrahmens werden zwar einige Neuerungen präsentiert, die im Sumpf des unteren Niveaus jedoch spurlos verschwinden werden. Als Ganzes bietet "Deported Women of the SS Special Section" recht herkömmliche Zutaten und für das interessierte Publikum gute Unterhaltung, sodass man bei Rino Di Silvestros Beitrag auf einen insgesamt soliden Vertreter blicken darf, der seinen Auftrag erfüllt und sich ausgiebig in der Mechanik des miesen Geschmacks suhlt.