Horror Infernal
(Inferno)
IT, 1980
Regie: Dario Argento
Musik: Keith Emerson
Darsteller: Leigh McCloskey, Daria Nicolodi, Irene Miracle, Eleonora Giorgi, Sacha Pitoëff, Alida Valli, Veronica Lazar, Gabriele Lavia, Leopoldo Mastelloni, Ania Pieroni u.v.m.
Inhalt: Nach der Lektüre eines Buches über Alchemie stellt Rose erschrocken fest, daß ihr Wohnhaus eine der drei Brutstätten der Hölle beherbergt. Zutiefst beunruhigt schreibt sie sofort an ihren Bruder Mark. Anschließend macht sie sich auf die Suche nach Indizien, die die Thesen des Buches untermauern. Doch noch bevor Mark den Brief lesen kann, müssen deswegen zwei Menschen sterben. Als er dann in New York eintrifft ist auch seine Schwester nicht mehr am Leben. Da Rose zu diesem Zeitpunkt aber lediglich vermißt wird, ahnt Mark nicht, welche Schrecken ihm noch bevorstehen... [Quelle: OFDb]
Kurzkritik: Hui, was habe ich mich im Vorfeld schon auf diese besondere Sichtung* gefreut.
Inferno, Dario Argentos eigenständige Fortsetzung zu seinem exzessiven Sinnesbetäuber
Suspiria, war aus meiner eigenen Sichtweise schon seit jeher neben
Profondo rosso sein wichtigster und mir liebster Film, der schon vor 15 Jahren, nach der ersten Komplettsichtung vom transfer-verruckelten DVD-Bootleg, den nötigen Stromstoß bei mir vollbrachte, welchen sein '77er Werk bisher leider immerzu ausblieben ließ. Folglich steht
Inferno auch um einiges höher in meiner Gunst, als der beinahe von jedermann mehr geliebte Vorgänger. Dies aber keinesfalls einer möglichen Trotzreaktion wegen!
Es hat vielerlei Gründe, warum
Feuertanz der Zombies (ja, ich gehe gern das jeweilige Alternativtitel-ABC durch) einen massiveren Einschlag in mein Geschmacksempfinden hinterlassen konnte, auch wenn es wahrlich kein Film wie ein Axthieb* ist. Das mag sicherlich an der nicht so stringent erzählten Plotnavigation liegen, denn Argento zentriert hier sein Personengeflecht nicht nur um einen möglichen Helden und den Rest dazu als simples Kanonenfutter auf der einen Seite, sowie die ausführenden Werkzeuge des Bösen auf der anderen, sondern läßt im Grunde genommen gleich drei verschiedene Mitstreiter aus Neugier + Unwissenheit eine Gefahr für die unheilige Trinität darstellen.
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Zum einen Rose (Irene Miracle) in New York, sowie Sara (Eleonora Giorgi) in Rom, und Rose's Bruder Mark (Leigh McCloskey), der von der italienischen Hauptstadt im späteren Verlauf zu Hilfe eilend an die amerikanische Ostküste jettet. Während die beiden Damen aus reinem Interesse in mögliche Schwierigkeiten geraten, ist in Inferno der Mann die Person, die eigentlich nur ihre familiere Pflicht und Geschwisterliebe als Beweggründe wahrnimmt, um das im Film zugrunde liegende Mysterium zu erkunden. In seinen vorherigen Kriminalfilmen, bzw. gelblich angehauchten Thrillern, wurden immer zuerst männliche Person in den Strudel mörderischer Verstrickungen hineingerissen und setzten in der folgenden Laufzeit alles daran, des Rätsels Lösung zu dechiffrieren. Frauen waren da meist nur Beiwerk für Zerstreuung oder mögliche Gegenspieler, bei denen oben in der Birne schon der halbe Dachstuhl abgebrannt sein mag. Eine alleinige Heldin suchte man da vergebens, während Argento diese widerum mehrmals in seinen Horrorwerken zur last woman standing kröhnen ließ. Völlig verdient, denn zugegebenermaßen sind die Frauen in Argentos Präsentationen oftmals die interessanteren Charaktere, während die maskulinen Parts immer eine stereotype Prägung besitzen. Zufall? Möglichweise. Glaube ich aber nicht so recht dran. Wenn man mal zählen würde, wieviele Damen in seinem bisherigen Gesamtwerk schon weggeschnetzelt wurden, wäre die Anzahl dieser mit Sicherheit höher als bei den Herren. Vielleicht eine Art Kompensation des Regisseurs, um sein mögliches Problem dem weiblichen Geschlecht gegenüber etwas zu ... ach, ich schweife ab und viel mehr als eigenes Theoriegewichse, möchte ich der Sache sowieso nicht beimessen. Jedenfalls stimmt es mich glücklich, dass Argento seine feminimen Mitstreiter von Suzy (Suspiria), über die Horror infernalische Damenriege, bis letztlich hin zu Jennifer (Phenomena) in Richtung Perfektion entwickelte.
Aber zurück zu den leading ladies im hier vorliegenden Film, denn die werden in ihrer Screentime allesamt sympathisch dargestellt, auch wenn Sara ihre Verführungskünste mittels verängstigter Schutzsuche im Lift gekonnt ausspielt. Man baut als Zuschauer eine gewisse Nähe aus der Distanz auf, die es anhand Argentos geschickt eingestreuter Spannungshöhepunkte erlaubt, immer mehr mit den Protagonistinnen mitzufiebern. Selbst Daria Nicolodi als befreundeter Nachbarin von Rose, die in einfach in jeder ihrer zahlreichen Rollen anders gestylt ist und daher nie diesen "Ah ... da isse ja schon wieder"-Effekt einer tendenziellen Abnutzung erzielt, nimmt eine Art helfende Hand gegen das drohende Übel ein, wenn auch nur von relativ kurzer Dauer. Das Leigh McCloskey in seiner Rolle als unerfahrener Hauptermittler gegen die unheimlichen Begebenheiten ziemlich blass rüberkommt, ist aus meiner Sicht daher völlig gewollt. Dass man ihm am Ende dennoch die Daumen drückt, liegt weniger an seiner (nicht dazugewonnenen) Ausstrahlung, sondern vielmehr an der ausschreitenden Art, wie Argento das finstere Grauen in Personalunion mittels Spannung und marschierendem Rhythmus enttarnt, zudem im Finale alles hochreizt und dem Originaltitel dabei alle Ehre macht.
Auch wenn die progrockenden Kobolde diesmal nicht am Vertonungshebel sitzen, macht Keith Emerson fast den eindrucksvolleren Job, der sich aber selbst erst im Filmverlauf in seiner kompletten Bandbreite zu erkennen gibt. Vom düsteren Piano, über Chöre und atmosphärischer Dichte ist hier alles drin. Wenn dann kurz vor + zum Schluss das progressiv-bretternde Stück "Mater Tenebrarum" einsetzt, wippen die Füße mitreißend zum trivialen Groove. Meisterleistung! Da ist schon der Kinotrailer (siehe unten) eine halbe Symphonie. Und in der finalen Szene, in der die Maskerade schlussendlich fallen darf, schieb ich immer wieder eine saftige Gänsehaut, da diese die Klangsymbiose aus Synthetik und immer mehr aufputschendem Chor einen Nervenkitzel generiert, der extrem intensiv die eigenen Sinneswände durchbricht. Natürlich im Kino bei voller Lautstärke (...verspätetes Sorry an das Publikum, aber es war mein ausdrücklicher Wunsch, dass beim Festivalabschluß die Volume etwas höher gedreht wurde...) ein Hochgenuß sondergleichen.
Für mich ist mit diesem Film die Geschichte der drei Mütter auch fertig erzählt, es wäre daher keine Fortsetzung von Nöten gewesen, denn mal ehrlich, der Tod, also der Name, unter dem die beiden verbliebenen Furien unter anderem besser bekannt sind, sagt doch schon alles über den weiteren Verbleib ihrerseits aus. Mir wäre es deshalb neu, wenn man diesen irgendwie bezwingen oder gar zerstören könnte, daher verendet aus meiner Sicht keine der beiden sogenannten Hexen, auch wenn erneut eine operative Zentrale der Apokalypse zum Schluss abfackeln darf. Damit verschwinden glücklicherweise auch genug Beweise für deren Existenz, für die im Film so viele Personen im giallo-typischen Metzelmuster ihr Leben lassen mußten, denn merke: "Wer zuviel weiß, spielt mit seinem weiteren Dasein!"
Argentos zweiter Film über den fantastischen Terror in Reinkultur, bleibt damit auch weiter für mich (leicht) unangefochten an der Spitze seines Œuvre, zu speziell ist hier der Erzähltakt, der seine anfängliche Handlung nach dem 1. Akt abrupt in eine andere Metropole verlegt, bevor er diesen Strang später wieder aufnimmt. Zu speziell ist hier die erzielte Farbdramaturgie, die den Vorgänger dank seiner helleren roten oder dunkleren blauen Tönen, sowie mehreren gefärbten Kontrasten gleichzeitig in einer Einstellung, wahrlich etwas in den Schatten stellt, vor allem strahlen die Wände hier eine fast intensivere leuchtende Bedrohung aus. Speziell auch der Umbruch in der Musik, der bis auf wenige Ausnahmen komplett auf Klassik setzt. Egal ob im alten oder neuen Anstrich, die subversiven Antik-Klänge untermalen die mögliche Überlegenheit zu den vorherigen Werken des Filmemachers und unterstützen fast (alp-)traumartig das Geheimnis, welches unter den Sohlen jener Schuhe zu finden ist.
* diese Besprechung wurde nach der analogen Sichtung beim
Terrore a Norimberga-Festival in Nürnberg im Oktober 2019 verfasst
** Werberatschlag-Insider eines späteren Film des Regisseurs