IL MEDAGLIONE INSANGUINATO - Massimo Dallamano

Nebelige Schlösser, mystisches Gewirre und blutiges Gekröse.
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Prisma
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IL MEDAGLIONE INSANGUINATO - Massimo Dallamano

Beitrag von Prisma »



IL MEDAGLIONE INSANGUINATO


● IL MEDAGLIONE INSANGUINATO - PERCHÉ / THE NIGHT CHILD (I|GB|1975)
mit Richard Johnson, Joanna Cassidy, Nicoletta Elmi, Edmund Purdom, Dana Ghia sowie Ida Galli und Lila Kedrova
eine Produktion der Italian International Film | Magdalena Produzione
ein Film von Massimo Dallamano

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»Where did you get that medallion?«


Michael Williams (Richard Johnson), ein englischer Journalist und Produzent von Dokumentationen, soll in Spoleto einen Film über die Darstellungen von Teufeln und Dämonen in der Kunst drehen. Er nimmt seine Tochter Emily (Nicoletta Elmi) und deren Kindermädchen Jill (Ida Galli) mit auf diese Reise. Emily soll den schrecklichen Tod ihrer Mutter (Dana Ghia) vergessen, doch die Dinge beginnen sich ganz merkwürdig zu entwickeln. Nachdem Michael die Bekanntschaft mit der eigenartigen Contessa Cappelli (Lila Kedrova) gemacht hat, legt das Mädchen plötzlich Verhaltensweisen an den Tag, die alle Beteiligten verwirren. Fortan hat Emily eigenartige Visionen und Tagträume, die in Verbindung mit einem Medaillon stehen, das ihr Vater einst ihrer Mutter schenkte. Auch sieht sie sich selbst in Situationen der Verfolgung, allerdings liegen diese Szenen zwei Jahrhunderte zurück und werden im Detail auf einer Malerei gezeigt, die für die Dokumentation ihres Vaters relevant ist. Die Contessa warnt Michael eindringlich, Spoleto so schnell wie möglich zu verlassen, da er das Unheil sonst nicht mehr aufhalten könne. Doch er reagiert zu spät, denn der erste Mord ist bereits geschehen...

Bei 'The Night Child' handelt es sich um einen hoch interessanten Beitrag von Allround-Talent Massimo Dallamano, welcher lange Zeit nicht preisgibt, in welche Richtung es genau gehen wird. Zunächst liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine Art Exorzisten-Interpretation handeln könnte, und als Nicoletta Elmi nach geraumer Zeit ähnliche Zustände bekommt wie Linda Blair in "Der Exorzist", fühlt man sich schließlich bestätigt. Doch es handelt sich dabei nur um wenige Sequenzen und der Film Zeigt eindrucksvoll, dass er in eine völlig andere Richtung gehen möchte - und dies auch tun wird. Das übersinnliche Thema ist alles andere als uninteressant, die geheimnisvolle Umsetzung macht insgesamt eine große Überraschung aus diesem traumwandlerischen Film, der vielleicht hin und wieder ein zu behäbiges Erzähl-Tempo mit sich bringt, aber seine relativ komplexen Inhalte langsam in kunstvoller Fasson preisgibt. Es wird kein einziger Tropfen Blut zu sehen sein sowie keine unnötigen Abartigkeiten, die sparsamen Effekte sind wohl dosiert und der Gesamteindruck vermittelt eine gewisse Raffinesse. Das Sahnehäubchen des kompletten Films ist das wunderschöne und idyllisch wirkende Musik-Thema von Stelvio Cipriani, das in verschiedenen Variationen jeden einzelnen Moment hervorragend unterstützt und einen spürbaren Kontrast zum Geschehen darstellt. Nach dem Anschauen ist es gut möglich, dass es noch Tage lang in der Erinnerung verweilt. Als solide Verstärker im Rahmen der Überzeugungskraft hat sich hier zudem eine hervorragende Besetzung versammelt.

Richard Johnson ist als Witwer, der sich offenbar mit Arbeit ablenkt, zu sehen, und für den es seit dem Tod seiner Frau nur noch seine Tochter gibt. Vielleicht fehlen ihm daher auch die Antennen für die stille Liebe von Emilys Gouvernante ihm gegenüber. Als er Joanna Morgan kennen lernt, die ihm für seine Dokumentation zur Verfügung steht, wendet sich das Blatt und die beiden beginnen eine überschnelle Affäre miteinander. Richard Johnson spielt mehr als solide, seine schöne Partnerin Joanna Cassidy sogar leichtfüßig, und als Hauptrollen hinterlassen die beiden einen sehr guten Eindruck, auch wenn sie im Geschehen immer wieder von einer omnipräsenten Nicoletta Elmi überlagert werden. Sie stellt ohne jeden Zweifel das Abbild des unberechenbarsten Gesichts des zeitgenössischen Genre-Kinos dar. Diese Mischung aus unschuldiger Erscheinung und potentieller Gefahr wirkt mehr als erstaunlich; ein wirklich schreckliches Kind, das einen das Fürchten lehren kann, da man in keiner Sekunde ahnt, was sie als nächstes tun wird. Ihre Szenen sind hervorragend dargestellt und perfekt choreografiert worden. Ida Galli als Kindermädchen wirkt bieder und blutleer, es ist kein Wunder, dass sich ihr Chef nicht für sie interessiert. Die Italienerin spielt wie immer glaubhaft und erfreut besonders in ihren Szenen, in denen sie zu Temperament und Reaktionen gezwungen wird. Die großartige Dana Ghia bekommt man lediglich in wenigen Momenten zu Gesicht, die als Rückblenden angelegt sind. Auffällig dabei ist die Optik, denn sie unterscheidet sich äußerlich kaum von ihrer Kollegin Ida Galli. Eine weitere großartige Figur interpretiert Lila Kedrova, als mysteriöse Gräfin, die wie eine Botin des unabwendbaren Unheils wirkt. Ihre Vorahnungen schweben wie ein Fluch über der Geschichte und über sie wird letztlich auch eine subtile Spannung aufgebaut. Ein sehr ausgewogenes Ensemble.

'The Night Child' wird dank der unkonventionellen, aber auch kompetenten Regie von Massimo Dallamano zu einem Volltreffer. Mangels Effekthascherei entsteht sogar manchmal die eigenartige Empfindung, es mit einer Art der Plausibilität zu tun zu bekommen, wenn auch nur im relativen Sinn. Die Inszenierung gleicht oft einem Traum, der sich einerseits kunstvoll präsentiert, andererseits aber aus dem Nichts seine bösen Hände nach den beteiligten Personen ausstrecken kann. Die dazu angefertigten Sequenzen können oftmals weder von den Protagonisten, noch vom Zuschauer richtig auseinander gehalten werden. Ein Labyrinth aus Traum und Wirklichkeit, das trotz mäßigen Tempos faszinieren und fesseln kann. Vom Prinzip her erinnert das Konzept weitgehend an den unter der Regie von James Kelly entstandenen Film "Diabolisch", wobei sich angesichts einer Genre-Zugehörigkeit auch wieder nur schwer Parallelen finden ließen. Insgesamt erteilt "Il medaglione insanguinato" eine kleine Lehrstunde im Bereich der Optik, denn die Kamera-Arbeit ist ausgezeichnet und begünstigt immer wieder eine Spannung, die selbst in Sequenzen der vermeintlichen Ruhe aufkommt. Viele Zooms lassen die Personen oder deren Emotionen hautnah erscheinen und ungewöhnliche Perspektiven sorgen für den kleinen Thrill. Des Weiteren kann nicht oft genug betont werden, wie wichtig die Musik von Stelvio Cipriani für diese Produktion ist. Dass die Dialoge doch recht einfach ausgefallen sind, oder die Absturz-Szenen einiger Personen selbst für Mitte 70er-Verhältnisse schwach erscheinen, ist nicht weiter schlimm, denn es wird weitreichend versucht, höhere kognitive Ebenen anzusprechen. Ein Film voller Symbolik, Visionen und Metaphorik, voller Schönheit und Sinnlichkeit, aber auch brodelnder Gefahr und Nachdenklichkeit, darüber hinaus exzellent choreografiert und fotografiert - was will man eigentlich mehr? Ein Volltreffer./align]

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alan_cunningham
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Re: IL MEDAGLIONE INSANGUINATO - Massimo Dallamano

Beitrag von alan_cunningham »

Als ich Night Child zum ersten Mal sah (alte Italo-DVD), gefiel er mir nicht so besonders. Anscheinend hatte ich etwas anderes erwartet. Später sah ich
ihn dann nochmal (Arrow Video) und plötzlich war ich fasziniert! :) Und zwar so sehr, dass ich mir auch noch die edle Soundtrack-CD bestellte. Die
Atmosphäre des Films ist wirklich sehr intensiv. Ich weiss es nicht mehr genau, aber bei der ersten Sichtung erwartete ich wohl einen reinen Exorzist-
Verschnitt :shock: Atmosphäre, Drehorte, Musik und Darsteller (Nicoletta Elmi, Richard Johnson) ergeben hier wirklich ein echtes Meisterwerk! Ist
immer noch etwas unterschätzt, denke ich ...

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Prisma
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Re: IL MEDAGLIONE INSANGUINATO - Massimo Dallamano

Beitrag von Prisma »

alan_cunningham hat geschrieben:
Fr., 25.12.2020 14:34
erwartete ich wohl einen reinen Exorzist-Verschnitt

Das kenne ich und für Filme ist es dann manchmal ein bisschen schwer, es mir recht zu machen. Einerseits möchte ich keinen derartigen Verschnitt oder billigen Abklatsch sehen und erwarte Eigenständigkeit und die fast neue Erfindung des Rades, aber andererseits ist da die Erwartungshaltung, dass es schon zu derartigem Unterhaltungs- und Schock-Spektakel kommt. Man kann sich ja nicht immer frei machen davon, aber ein Tick Unvoreingenommenheit kann beim eigenen Resümee viel ausmachen. Deswegen lese ich mir bei mir noch unbekannten Filmen auch beispielsweise fast keine Inhaltsangaben mehr durch und schaue fast ausschließlich ins Blaue hinein. Dieser Film hier hatte mir aber gleich zu Beginn sehr gut gefallen, denn er entfaltet eine beklemmende Atmosphäre und setzt seine Pointen sehr gezielt. Auch die erwähnte musikalische Untermalung bleibt im Gedächtnis. Dass der Film unterschätzt, wenn nicht sogar zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist, finde ich schade, da er wirklich viel zu bieten hat.

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