KOPFGELD FÜR RINGO - Sergio Bergonzelli

Staubige Dörfer, schweigsame Pistoleros und glühende Colts.
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Sid Vicious
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KOPFGELD FÜR RINGO - Sergio Bergonzelli

Beitrag von Sid Vicious »

Originaltitel: Uno straniero a Sacramento
Regisseur: Sergio Bergonzelli
Kamera: Bitto Albertini
Musik: Felice Di Stefano
Drehbuch: Bitto Albertini, Sergio Bergonzelli, Jim Murphy
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Während eines Rindertransports verliert Mike Jordan seinen Vater wie seinen Bruder und die Herde ihren rechtmäßigen Besitzer. Mike, der im Anschluss an den Überfall zwei der Angreifer stellen wie töten kann und sich hernach auf den Weg nach Sacramento macht, um die Indikatoren des Angriffs ausfindig zu machen, erfährt von Lisa Morgan, dass in diesem Teil von Kalifornien die Uhren anders als gewohnt ticken. Der Ranger Barnett, der Lisa liebend gern ehelichen will, aber anstelle des Ja-Worts ein ganzes Arsenal von Körben empfängt, hat sich ein Vermögen sowie den Schutz des Richters und des Sheriff erschwindelt, sodass er jeden beseitigen lässt, der ihm nicht in den Kram passt. Was Mike schon bald am eigenen Leib erfahren wird…

Sergio Bergonzelli hat mit seinen beiden Inszenierungen um den Freibeuterkapitän Surcouf (UNTER DER FALGGE DES TIGERS, DONNER ÜBER DEM INDISCHEN OZEAN) zwei überaus unterhaltsame Piratenfilme und mit IN THE FOLDS OF THE FLESH einen verflucht geilen Giallo inszeniert. Auch seine freizügigeren Regiewerke wie LIBIDO - DAS GROSSE LEXIKON DER LUST und VERBOTENE ZÄRTLICHKEITEN besitzen ein Potential, das die Filme empfehlenswert macht.

Bei seinen Western bleibt Bergonzellis Talent allerdings vorwiegend im Dornröschenschlaf, denn DAS LETZTE GEWEHR, EL CISCO wie PRONTO, AMIGO habe ich als bestenfalls mittelprächtig in Erinnerung behalten. Eine Mittelprächtigkeit, die man auch KOPFGELD FÜR RINGO - sofern man es gut mit dem Film meint und Toleranz über Pedanterie stellt - zugestehen kann.

Die deutschen Credits besagen, dass die Geschichte, welche KOPFGELD FÜR RINGO reflektiert, dem Roman („I will kill you“) eines gewissen Jim Murphy verpflichtet ist. Da ich darüber nichts Handfestes in Erfahrung bringen konnte, lasse ich die Behauptung mal so stehen. Ergänze diese aber mit der Feststellung, dass Bergonzelli jene vermeintliche Vorlage ziemlich schludrig inszenierte. Das fertige Produkt ist weitestgehend von Spannung befreit und die Erzählweise lässt obendrein einiges zu wünschen übrig.

Zu wünschen lässt auch die Spielweise von Mickey Hargitay in der Rolle des Ringo übrig. Der Mann, der zugleich Herkules, Hyäne wie Jayne Mansfields Göttergatte war, könnte jedoch mit seiner Performance die filmwissenschaftlichen Wochenendkurse für die Interpretation von Mimik und Gestik sowie der allgemeinen Körpersprache in eine fortwährende Spaßveranstaltung verwandeln. Hargitay bewegt sich durch Bergonzellis Western wie ein illegaler Besucher im zauberhaften Land, mit dem Ziel beim hiesigen und allgemein bekannten Zauberer ein Einungszertifikat für die Mitgliedschaft bei den Chippendales zu ergaunern. Freier Oberkörper, Cowboyhut und Halstuch reflektieren eine Kombination, die man nicht wirklich von einem harten Westerner erwartet, die allerdings, sofern man das Produktionsjahr (1965) von Bergonzellis zweiter Westernregiearbeit betrachtet und eine kleine Portion Spitzfindigkeit wie Sarkasmus zueigen hat, als ein optisches Bindeglied zwischen Italo-Western und Pepla fungieren kann. Und damit habe ich mich lang genug von Mickey Hargitays außerordentlich absonderlicher wie bemerkenswert abenteuerlicher Darbietung zur Rumalberei verführen lassen, schließe demgemäß das Kapitel und werde der Tastatur fortan wieder ernsthafte Sätze anvertrauen.

Auch wenn Mickey Hargitay - freilich ungewollt - für zahlreiche amüsante Momente sorgt, geht der Sympathiepreis nach meinem Dafürhalten an Aldo Berti in der Rolle des lässigen, aber nicht unbedingt leicht durchschaubaren Chris. Ein Westerner, der Dank Mike Jordans Hilfe so eben dem Tod durch den Strang entgeht und die Lebensrettung mehrfach mittels ähnlicher Rettungsaktionen honoriert.

Die Thematik, das Lynchen als ein Event für die Massen zu inszenieren, wird leider nur oberflächlich (kleine Modellgalgen werden inklusive der daran baumelnden Figur als Kinderspielzeug wie Erwachsenensouvenir zum Erwerb angeboten) angerissen. Krawatten-Parties bzw. Necktie-Parties, zu denen man sich in der realen Geschichte des Wilden Westen auch ganz spontan hinreißen ließ, um für Spektakel und gute Laune zu sorgen, lagen stets im Trend der Eroberer und Zivilisierer. In den amerikanischen Westenlichtspielen wurde das Lynchen als Kollektiv-Event sowie ihre praktizierenden Vigilante-Komitees und Bürgerkommandos bereits vor Einführung des Tonfilms x-mal thematisiert. Die Beiträge aus den 1950ern reflektierten kraft ihrer thematisierten Lynchaktionen häufig - und das sollte nicht wirklich nicht schwierig zu erraten sein - die Hexenjagden der McCartey-Ära.

Nebst der Lynchthematik birgt KOPFGELD FÜR RINGO die Motive Rindertransport und Rinderdiebstahl. Der Grund des Rindertransports wird uns nicht mitgeteilt. Mike Jordan und seine beiden Angehörigen sind halt unterwegs, um eine Herde von A nach B zu bringen. Wem diese Behauptung zu pauschal ausfällt: Die Inspiration für die Rindetrecks begründet sich in vielen amerikanischen Westernlichtspielen wie auch in der amerikanischen Historie mit Angebot und Nachfrage. Der Norden hatte Bedarf an Schlachtvieh und der Süden konnte diesen Bedarf decken. Ergo kam der große Teck ins Rollen. Diese Viehtrecks bestanden im Durchschnitt aus ca. 30 Cowboys und 3.000 Rindern. Bergonzelli reduziert diese Zahl - was vermuten Sie bzw. was erwarten Sie von einem kostengünstigen italienischen Western? - auf rund 25 Longhorns. Obwohl der Ansporn zum Rindertransport nun ge- wie erklärt ist, sollten Sie im Hinterkopf behalten, dass dieser innert Bergonzellis Western nur eine untergeordnete Rolle spielt und über ihm der Diebstahl der Tiere sowie die Gewinnmaximierungsabsichten und die zwangläufig begleitenden Skrupellosigkeiten eines Ranchers thronen.

Ein Rancher vor dem sich nahezu jeder (Mickey Hargitay freilich nicht, denn Hyänen trotzen selbst vor dem Spiegel dem Tod) fürchtet, da er als Indikator der Gewalt fungiert. Diese kollektive Furcht kann dem Rezipienten allerdings nicht als solche vermittelt werden. Dem Regisseur mag es einfach nicht gelingen, für die Bedrohlichkeit der vermeintlich Bösen und einhergehende Spannung zu sorgen. Zudem plätschert die Geschichte vor sich hin wie der Landregen im schönen Sauerland und bietet keinerlei Überraschungen respektive Wendungen, die den Zuschauer ggf. am Schopfe packen und ihn zumindest etwas tiefer in den Film hineinziehen könnten. Das Gebotene ist äußerlich wie innerlich äußerst dürftig ausgefallen. Natürlich gibt es deutlich schlechtere italienische Westernproduktionen, aber Werder Bremen hatte zum Ende der abgelaufenen Bundesligasaison 2020/2021 auch 15 Punkte mehr auf dem Konto als der FC Schalke 04 – abgestiegen sind trotzdem beide Teams!
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