TÖTE RINGO, TÖTE - Osvaldo Civirani

Staubige Dörfer, schweigsame Pistoleros und glühende Colts.
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Sid Vicious
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TÖTE RINGO, TÖTE - Osvaldo Civirani

Beitrag von Sid Vicious »

Regisseur: Osvaldo Civirani
Kamera: Osvaldo Civirani
Musik: Nora Orlandi
Drehbuch: Enzo Dell'Aquila, Roberto Gianviti
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Der Sheriff, Jeff Randall, will für (s)einen entspannten Lebensabend vorsorgen. Zu diesem Zweck rekrutiert er Arizona Roy, den er soeben vor dem Tod durch den Strang rettete und mit dem er nun einen Goldraub durchziehen will. Der Überfall ist erfolgreich, aber Roys Unvorsicht und die Schlampe, Jane, sorgen dafür, dass das Gold beim mexikanischen Oberhalunken, Vargas, und seinen Jungs landet. Wird Jeff das Edelmetall zurückerobern und Roy ein zweites Mal vor dem sicheren Tod retten?

Die Jagd nach Geld und Gold erweist sich im Œuvre des Italo-Western als ein stets willkommener compañero, dessen Relevanz mit der des Rachemotivs (zwei Triebfedern, die von Zeit zu Zeit auch Hand in Hand gehen) vergleichbar ist. „Töte, Ringo, töte“ bediente sich der erstgenannten Option und startete am 22.12.1966, einen Tag vor „Zwei glorreiche Halunken“, in den italienischen Kinos. Natürlich haben die beiden Filme nichts miteinander zu schaffen, außer das die Firmierung „The Good, the Bad and the Ugly” zu einem Wortspiel Marke „The Good, the Bad and the Bitch” motiviert, was einen wesentlich spannenderen Klang transportiert, als das lapidare „Sheriff with the Gold“ bzw. „Uno sceriffo tutto d'oro“. Die Termini eines Sprosses, welcher der Blütezeit des italienischen Westerngenres entsprang und neben den vernachlässigten Mauerblümchen, allerdings in deutlicher Distanz zum moronischen und fidanischen Unkraut gepflanzt wurde. Ein Genrevertreter, der der Flora zwar keine sonderlich schmückende Zier verleihen kann, aber wesentlich mehr Düngemittel in der Gießkanne hat, als beispielsweise der ca. 1 Jahr später (ebenfalls von Osvaldo Civirani) inszenierte „Der Sohn des Django“.

„Töte, Ringo, töte“ startet sogar äußerst verheißungsvoll. Tiger und seine Lumpenhunde haben sich im Office des Sheriffs niedergelassen und warten auf dessen Rückkehr, um den Gesetzeshüter zur Hölle zu schicken. Innert dieser appetitanregend inszenierten Konstellation, macht sich eine Unberechenbarkeit breit, die zugleich die Neugier des Zuschauers weckt. Das Warten auf einen Unbekannten! Welche Gefahr muss von diesem Mann ausgehen, wenn es ihm gelingt, acht (!) Pistoleros gegen sich zu mobilisieren. Diese Taktik (die Vorbereitung auf eine anstehende Konfrontation mit einem Fremden, um sich mit ihm zu duellieren oder ihn als Unterstützer zu gewinnen) lässt sich in einigen Western italienischer (z. B. „Spiel mir das Lied von Tod“) und nicht italienischer (z. B. „Zwölf Uhr mittags“) Prägung finden. Die Genannten fungieren zugleich als Paradebeispiele, da sie mit ihren Expositionen den Konfliktaufbau lehrbuchmäßig einleiten.

Das achtköpfige „Empfangskomitee“ bietet mit Luciano Rossi, in der Rolle des Desperados, Jack, der seine Schießkünste bei der Jagd auf Hühner unter Beweis stellt, den mit Abstand markantesten Charakter. Rossi, der in Joe D´Amatos „Die Mörderbestien“ einen wichtigen Faktor (Gretas Bruder Franz) in einem wahnsinnigen und zugleich haarsträubenden Finale darstellt, glänzt während seines Kurzauftritts in „Töte, Ringo, töte“ erneut mit seiner grenzdebilen Mimik. Er, Jack, sowie der Rest der Bande versprühen gar die frühe Hoffnung auf einen extravaganten Italo-Western, der ggf. den Wahnsinn aus „Töte Django“, „El Puro“, „Il Nero“ oder „Willkommen in der Hölle“ transportieren könnte. Aber Pustekuchen, denn nachdem der Sheriff, Jeff Randall, mit den Kanaillen aufgeräumt hat, flacht der Film auch gleich deutlich ab und neigt vorübergehend zu unkoordinierten Abläufen. Man kann dieses Intervall jedoch wohlwollend tolerieren und als eine Findungsphase betrachten, welche „Töte, Ringo, töte“ nach ca. 15 Minuten in den Griff bekommt, sodass der Rezipient anschließend in geordnete Bahnen gelenkt wird.

Die angesprochene Auseinandersetzung zwischen Jeff Randall und den Banditen, welche in den Einstellungsgrößen Total, Halbtotal und Halbnah dargestellt wird und den Body Count schlagartig nach oben schnellen lässt, mündet in ein Konstrukt, das eigentlich finalen Charakter hat. Schließlich strömen, nachdem Randall jeden einzelnen Galgenvogel eliminiert hat, zig Bürger aus ihren Häusern, um an Randalls Triumph teilzuhaben. Man könnte von einem typischen Westernfinale sprechen, das den (Anti)helden nach seiner verrichteten Arbeit dazu drängt, die kleine gesonderte Welt zu verlassen, um wieder im Nichts zu verschwinden. Osvaldo Civirani macht also dort weiter, wo andere aufhören, doch was revolutionär klingen mag, ist nicht mehr als durchschnittliche Hausmannskost.

„Man nannte mich Ringo, bevor ich Sheriff wurde.“ (Jeff Randall)
„Du bist Ringo, der gefürchtete Killer?“ (Arizona Roy)
„Genau.“ (Jeff Randall)

Die wahre Identität des Jeff Randall: Ist er nun Sheriff, Marshall oder tatsächlich der sagenumwobene Pistolero Ringo? Leider habe ich keine Möglichkeit, die Originaltonspur zurate zu ziehen, um das Rätsel zu lösen. Folglich müssen wir uns auf das entlarvende Hin und Her der deutschen Synchronisation verlassen, wodurch ein möglicher Eureka Effect, wie ihn z. B. „An den Galgen, Bastardo“ liefert, ausbleibt. Ungeachtet dessen, handelt es sich um eine vorzügliche deutsche Bearbeitung (Film-Synchron GmbH Berlin), die meinen Gesamteindruck (vom Film) deutlich aufwertet kann.

Auch wenn die Story (die Jagd nach Gold) eine altbackene Verfahrensweise transportiert, kann man dem Film nicht absprechen, dass er mit einigen interessanten Momenten und Wendungen ausstaffiert ist. Überdies machen die Hauptprotagonisten, Jacques Berthier (als Jeff Randall) und Luigi Giuliani (als Arizona Roy, für dessen Rolle ursprüngliche Klaus Kinski vorgesehen war), einen ordentlichen Job. Luciano Rossi hat leider zu wenig Spielzeit und darf nur in der Anfangsphase für etwas „Zirkusmief“ sorgen. Somit bleibt unter dem Strich ein zeitweise dahinplätschernder, aber keineswegs uninteressanter Italo-Western.
https://italo-cinema.de/italo-cinema/it ... ingo-toete
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nerofranco
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Re: TÖTE, RINGO, TÖTE - Osvaldo Civirani

Beitrag von nerofranco »

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"They say that gold will change a man
that yellow stone that glows on the sand
he hasn’t even time for loving
for love for him is gold

A simple man becomes a king
be king a man must have gold
and if there comes a day for dying
he’ll die, he’ll die for gold."
(The Golden Man)

Der eigentlich ehrenwerte Sheriff Jeff Randall überredet seinen Gefangenen Arizona Roy mit ihm einen Goldraub durchzuziehen, wozu der natürlich nicht nein sagen kann. Der riskante Coup gelingt, doch durch unglückliche Umstände gelangt der mexikanische Bandit Vargas mit seinen Männern an das Gold. Nun müssen sie in die Höhle des Löwen, um ihre Beute zurückzuholen. Allerdings weiß Roy nicht woran er an Jeff ist, handelt es sich bei ihm um Sheriff Jeff Randall oder doch um den gnadenlosen Killer Ringo.

Uno sceriffo tutto d'oro (Töte, Ringo, töte) bildete den Auftakt einer kleinen, fünf Filme umfassenden Reihe Western, die Osvaldo Civirani bis Anfang der 70’er inszenierte. Darunter fallen auch zwei Westernkomödien, die er mit den bekannten Duos Ric e Gian (Ric e Gian alla conquista del West) sowie Cicco und Franco (I due figli di Trinità) realisierte. Civirani saß bei seinen Arbeiten nicht nur auf dem begehrten Regiestuhl, sondern war auch für die Kamera und das Drehbuch zuständig und produzierte zudem einige seiner Filme. Der 1966 entstandene Uno sceriffo tutto d'oro ist mein ganz klarer Favorit unter seinen fünf Western, wobei ich Ric e Gian alla conquista del West noch nicht gesehen habe, und auch klar besser als die durchaus ordentlichen Il figlio di Django (Der Sohn des Django) und T'ammazzo! - Raccomandati a Dio (Django – wo steht dein Sarg?).

Die Story des Films ist ein wenig konfus, vor allem weil man bis zum Schluss nicht genau weiß ob Jeff Randall nun ein ehrenwerter Sheriff oder doch der gefürchtete Revolverheld Ringo ist, oder vielleicht eine Mischung aus beiden. Die Geschichte an sich ist aber recht simpel. Jeff bewahrt den zum Tode verurteilten Arizona Roy vorm Galgen und überredet das Schlitzohr mit ihm einen Goldtransport zu überfallen. Der gelingt zwar aber wie das bei Gold so üblich ist zieht es haufenweise finstere Gestalten an, in diesem Fall die hübsche Jane und den Banditen Vargas, die ihnen ihre Beute wieder abluchsen wollen. Das Gold wechselt ein paar Mal den Besitzer kommt am Ende aber wieder zu den richtigen Personen.

"Richter sind Menschen, auch wenn sie nicht so aussehen."

Uno sceriffo tutto d'oro beginnt richtig stark und lässt auf Großes hoffen. Der Film beginnt mit einem sehr schönen, in Blau gefärbten Vorspann, der mit einem von Don Powell gesungenem Lied unterlegt wurde. Dieses nette Liedchen mit dem schönen Titel The Golden Man ist wunderbar melancholisch ausgefallen, glücklicherweise ohne jemals ins schmalzige abzudriften. Danach folgt bereits der beste Part des Films. Tiger, dargestellt von Ivan Scratuglia, hat den Sheriff ermordet und mit seinen Männern die Stadt unter seine Kontrolle gebracht. Zu Tigers Leuten gehört auch der irre Jack, gespielt von Luciano Rossi, der für sich auch die beste Szene im ganzen Film verbuchen kann. Jack lehnt dabei lässig an einem Balken und zielt mit seinem Colt lachend auf herumlaufende Hühner und macht Schussgeräusche. Als dann aber ein alter Kerl auftaucht wird er schlagartig ziemlich verbissen und beginnt sofort auf ihn zu schießen, um daraufhin noch heftiger zu Lachen. Leider werden Scratuglia und Rossi von Sheriff Randall gleich anschließend, in einer gut inszenierten, bleihaltigen Schießerei, weggepustet. Dieses anfänglich gute Niveau kann der Film dann zwar nicht halten bleibt aber trotz alledem überdurchschnittlich.

Jeff Randall wird dargestellt vom Franzosen Jacques Berthier, der neben diesem Western hier darüber hinaus noch in Roberto Mauris Colorado Charlie und Sergio Corbuccis Il bianco il giallo il nero (Stetson - Drei Halunken erster Klasse) mit von der Partie war. Für den etwas älteren Sheriff ist Berthier eine sehr gute Wahl und er macht seine Sache auch wirklich gut. Sein Randall ist eine etwas undurchsichtige Figur, weiß man bis zum Schluss eigentlich nicht wer er wirklich ist und was er in Wahrheit vorhat. Ist er tatsächlich ein Sheriff, nur ein windiger Bandit, ein richtiger Marschall oder doch der gefürchtete Revolvermann Ringo. Kann natürlich auch sein, dass der Ringo nur in der deutschen Fassung auftaucht, vielleicht wegen der kurz zuvor erschienen Ringo-Filme mit Giuliano Gemma. Für den Banditen Arizona Roy entwickelt sich Randall zu einer Art Vaterfigur und Freund. Blondschopf Luigi Giuliani ist ebenfalls eine gute Wahl als charmanter Gauner, der sogar seine hübschen Entführungsopfer zu verführen versteht. Giuliani hat eine tolle, wenn für ihn auch unangenehme, Szene als er, während Vargas eine große Fiesta schmeißt, an ein Wasserrad gebunden wird und sich dort die ganze Zeit überdreht und dabei kräftig Wasser schlucken muss. Anstelle von Giuliani hatte Civirani zuerst Klaus Kinski ins Auge gefasst, der hatte aber verlangt, dass er sich bei seinen Szenen selbst ins rechte Licht rücken darf, was Civirani aber nicht akzeptierte. (1)

Zwischen die Männer stellt sich die fesche Caterina Trentini als durchtriebene Jane, die die drei Männer (wenn man ihren Mann noch dazu nimmt) gegeneinander ausspielt, um selbst an das Gold zu gelangen und damit abzuhauen. Zu ihrem Pech ist Randall aber nicht nur schnell mit dem Colt, sondern hat auch was im Hinterstübchen. Toll ist auch Fortunato Arena als mexikanischer Obergangster Vargas, der auch an das Gold ran will, Randall und Roy allerdings etwas schneller waren. Ansonsten noch mit dabei sind unter anderem Franco Pesce, Nando Angelini und Roberto Messina, den ich allerdings gar nicht entdecken konnte. Amerigo Castrighella blitzt auch mal kurz hervor als er von Jane eins über die Rübe bekommt.

"Contro il sangue e la violenza la sua Colt faceva giustizia al primo colpo." (2)

Optisch ist der Film recht ansprechend geraten, nichts außergewöhnliches aber durchaus ansehbar. Action und Wendungen in der Geschichte gibt es auch genügend, so dass einem niemals langweilig wird. Dem Film sehr gut zu Gesicht stehen auch die sehr gut ausgewählten Schauplätze, die teilweise wirklich etwas hermachen. Dazu zählen unter anderem eine unter einem Stein befindliche Bar, in der sich Roy mit dem Gold versteckt und die wunderbare Felsenlandschaft, die doch stark auf Sardinien als Drehort schließen lässt. Ebenso schön anzusehen war die Hazienda, auf der sich Vargas mit seinen Leuten herumtreibt. Ausgezeichnet gelungen ist dieses Mal die Synchro, die mit jeder Menge toller und bekannter Stimmen aufwarten kann. Man kann an dem Film auch sehen was eine gute Synchronisation ausmacht, der gewinnt (oder hält zumindest die ursprüngliche) so deutlich an Qualität. Allerdings scheint mir als hätte man bei der deutschen Videofassung doch ein wenig herumgeschnipselt, gibt es doch ein paar Handlungssprünge zu verzeichnen ebenso wie einige Szenenübergänge, die mit Sicherheit nicht originalgetreu sind. Meine Fassung geht circa 82 Minuten, Bruckner und die spaghettiwesterndatabase schreiben was von 89 Minuten. Gekürzt ist er aber auf alle Fälle.

Die Musik von Nora Orlandi hat wie bereits erwähnt ein sehr schönes, melancholisch angehauchtes Titellied zu bieten. Aber auch der Rest dudelt angenehm im Hintergrund und haucht dem Film so ein klein wenig Melancholie ein. Teile des Soundtracks erinnern mich ganz stark an Gianni Puccinis erstklassigen Dove si spara di più (Glut der Sonne), bei dem allerdings Gino Peguri für den Soundtrack verantwortlich war. Äußerst originell und witzig ausgefallen sind auch zahlreichen Pseudonyme der beteiligten, so bekommen wir wunderbare Namen geboten wie etwa Bob Messenger, Ares Lucky, Ivan Scratt, Glenn Eastmang oder Hubert Dickinson. Am Drehbuch wirkte auch Enzo Dell'Aquila mit, der später mit ...e venne il tempo di uccidere (Einladung zum Totentanz) selber einen recht guten Genrebeitrag als Regisseur ablieferte.

Osvaldo Civirani schuf mit seinem Westerndebüt Uno sceriffo tutto d'oro einen mehr als ordentlichen Genrebeitrag, der mich äußerst gut unterhalten hat und mit Sicherheit zu Unrecht dermaßen in Vergessenheit geraten ist. Der Film bietet eigentlich alles was man von einem Western dieser Art erwartet: gute Darsteller, schöne Drehorte, einen netten Soundtrack, eine einigermaßen interessante Geschichte sowie genügend Action und Wendungen. Obendrauf gibt’s auch noch eine tolle deutsche Synchronisation. Wer gute Westernunterhaltung sucht sollte sich Töte, Ringo, töte auf keinen Fall entgehen lassen.


(1) Giusti, Marco: Dizionario del Western All'Italiana. Milano, Arnold Mondadori Editore S.p.A. S.452
(2) Giusti, Marco: Dizionario del Western All'Italiana. Milano, Arnold Mondadori Editore S.p.A. S.452

Links:
http://www.spaghetti-western.net/index. ... 27oro,_Uno
http://www.imdb.com/title/tt0202572/
http://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%B6te, ... _t%C3%B6te

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