ROMY SCHNEIDER

Leinwandsternchen und verkannte Stars im Blickpunkt
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Prisma
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ROMY SCHNEIDER

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ROMY SCHNEIDER

[*23.09.1938 | † 29.05.1982]

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Das Lexikon der deutschen Filmstars hat geschrieben:
Aus der zarten österreichischen Prinzessin mit den geflochtenen Zöpfen und einem Lachen, das die Kinderzähne freilegte, wurde die Halbzarte, die extravagante Französin, deren mondäner Reiz gerade darin bestand, dass sie ihr deutsches Sentiment nie ganz verleugnen konnte. Der französische Film gab ihr die Chance, sich endlich freizuspielen, sie war gern femme fatale oder Geliebte zwischen zwei Männern. immer aber ein Mensch, »dem man die Haut bei lebendigem Leib abgezogen hatte« (Michel Piccoli). So wurde der verletzliche Star erst in der Fremde zur großen Künstlerin, die immer aufs Ganze ging. das »Genie mit dem Kindergesicht« (J. Cocteau).


Romy Schneider wird am Abend des 23. September 1938, um etwa 22 Uhr, im Rudolfinerhaus in Wien als Rosemarie Magdalena Albach geboren. Sie ist die Tochter des beliebten Schauspielehepaares Magda Schneider und Wolf Albach-Retty. Der Name des Kindes setzt sich aus beiden Vornamen der Großmütter zusammen, aus Rosa väterlicherseits und Maria mütterlicherseits. Romy Schneider wächst im Familiensitz Mariengrund unter der Obhut ihrer Großeltern auf, da die ehrgeizigen Eltern ihren zahlreichen beruflichen Verpflichtungen nachgehen werden - bei Magda Schneider 6, beziehungsweise 22 Kinofilme bei Wolf Albach-Retty alleine während des Krieges. Das Kind erhält die deutsche Staatsbürgerschaft, da Mutter Magda diese ohnehin besitzt und Vater Wolf diese als Star der UFA bereits zuvor angenommen hatte. Am 21. Juni 1941 wird ihr Bruder Wolfdieter geboren. 1944 wird die sechsjährige Romy in der Volksschule in Schönau eingeschult, 1945 wird die Ehe der Eltern geschieden. Nach vier Jahren wird sie auf Wunsch ihrer Mutter ein Internat besuchen, und bereits dort formt sich der noch geheime aber unbändige Wunsch, Schauspielerin zu werden. Im Jahr 1953 erfolgt das Leinwand-Debüt als Romy Schneider-Albach bei der Berolina in einer tragenden Rolle in "Wenn der weiße Flieder wieder blüht". Schnell erkennt man ihre natürliche Gabe des Darstellens, ihre überzeugende Wirkung auf den Zuschauer und ihr heiteres, besonders filmtaugliches Wesen, sodass die Filmkarriere auch ohne klassische Ausbildung schnell ihren Lauf nehmen kann, bis Romy resolut bekundet, sie wolle die Größte werden. Ihre erste Hauptrolle spielt Romy Schneider in dem Film "Mädchenjahre einer Königin", der ein großer Erfolg wird. Nach fünf Filmen gelingt ihr mit der "Sissi"-Trilogie der endgültige Durchbruch zum Star, eine weitere Interpretation als Kaiserin von Österreich lehnt sie jedoch trotz des unglaublichen Gagenangebots von einer Millionen D-Mark strikt ab. 1958 bricht sie mit dem starbesetzten "Mädchen in Uniform" erstmals aus ihrem gewohnten Rollenfach aus und stellt ihr noch ungeschliffenes Talent als Charakterdarstellerin unter Beweis.

Unzufrieden mit den ihr angebotenen Rollen in Deutschland, geht sie 1958 eigenwillig und entschlossen nach Paris, wo sie zunächst neben Neuentdeckung Alain Delon spielt, und als Gage das Zwanzigfache gegenüber Delon kassiert. Am Theater übernimmt sie unter ihrem Mentor Luchino Visconti die Hauptrolle in dem Stück "Dommage qu'elle soit une p...", welches mit 120 Aufführungen zu einem großen Publikums-Erfolg avanciert. Hier spielte sie ebenfalls neben Alain Delon, mit dem sie auch Jahre lang verlobt war. In den 60er Jahren ist sie in einigen Hollywood-Produktionen unter namhaften Regisseuren zu sehen, jedoch wurden die meist ambitionierten Filme keine großen Erfolge. Das Paar Schneider/Delon trennt sich, die Schauspielerin kehrt nach Deutschland zurück und es kommt zu einer persönlichen Krise. 1965 lernt Romy Schneider bei der Eröffnung des Europacenters in Berlin den Schauspieler, Intendanten und Bühnenregisseur Harry Meyen kennen, den sie 1966 heiratet. Im selben Jahr kommt ihr gemeinsamer Sohn David Christopher Haubenstock zur Welt. Ein Jahr darauf stirbt Romy Schneiders Vater Wolf Albach-Retty im Alter von einundsechzig Jahren an einem Herzinfarkt. Die Schauspielerin zieht sich in Berlin-Grunewald ins Familien- und Privatleben zurück, doch schon bald sehnt sie sich danach, wieder ihrer Berufung nachzugehen. Ihre Rückkehr zum Film wird mit der britischen Produktion "Otley" von 1968 ein Misserfolg, mit "Der Swimmingpool" gelingt ihr allerdings ein fulminantes Comeback. Im Verlauf der siebziger Jahre steigt sie zum größten französischen Star auf. Ihr Markenzeichen werden moderne und selbstbewusste Frauen, die sich in komplizierten Lebensumständen und ungünstigen Verkettungen befinden, bei denen sie vor allem Tiefe und menschliche Abgründe zulässt und darstellt. Große Erfolge feiert sie unter der Regie von Claude Sautet und kehrt nach unterschiedlichen Rollen im Ausland immer wieder nach Frankreich zurück. 1975 wird Romy Schneider von ihrem Ehemann Harry Meyen geschieden, zu diesem Zeitpunkt ist sie bereits mit ihrem neuen Lebensgefährten und Privatsekretär Daniel Biasini zusammen, den sie Ende 1975 heiratet.

1976 erhält Romy Schneider bei der ersten Verleihung des César diese wichtige Auszeichnung des "französischen Oscars" für ihre Interpretation in "Nachtblende", als meilleure actrice, die beste Schauspielerin des Jahres, welche sie erneut 1979 entgegen nehmen darf. Außerdem gab es in dieser Kategorie drei weitere Nominierungen, 2008 erhält sie posthum den Ehrenpreis. 1977 übernimmt Romy Schneider wieder ein Filmangebot in Deutschland, was sie über Jahre immer wieder abgelehnt hatte. Für die nach dem Roman von Heinrich Böll verfilmte Adaption "Gruppenbild mit Dame" wird sie mit dem Filmband in Gold für die beste darstellerische Leistung ausgezeichnet. Im selben Jahr erblickt ihre Tochter Sarah Magdalena Biasini das Licht der Welt. In ihren Beruf kehrt sie sehr schnell wieder zurück und Romy Schneider stellt sich immer neuen Herausforderungen und ist unermüdlich auf der Suche nach anspruchsvollen sowie provokanten Rollen, die sie sich mittlerweile aussuchen kann. Harry Meyen, ihr geschiedener Mann und Vater von David, begeht im Jahr 1979 Selbstmord, bis im Sommer 1981 der schwerste aller Schicksalsschläge folgt: ihr erst vierzehnjähriger Sohn David verunglückt tödlich. Zu dieser Zeit entfacht sich ein öffentlicher Krieg mit der Presse, von der sie sich ihr Leben lang verfolgt und genötigt sah. Da Journalisten sich als "Krankenhaus-Personal" verkleideten um ihr totes Kind zu fotografieren, sieht man sie in einem ihrer letzten Interviews mit versteinerter Miene und verbitterten Worten rhetorisch fragen: »Ou est la morale, ou est le tact?« Zwischen Davids und Romy Schneiders Tod entsteht mit "Die Spaziergängerin von Sans-Souci" 1982 ihr letzter Film an der Seite von Michel Piccoli. Am 29. Mai 1982 wird Romy Schneider von ihrem Lebensgefährten Laurent Pétin tot in ihrer gemeinsamen Wohnung in der Rue Barbet-de-Jouy aufgefunden, als Todesursache wird Herzversagen bescheinigt, wobei die Presse fast einstimmig ihren Selbstmord interpretierte und dieses Gerücht bis heute beständig kursiert. Einschließlich ihrer zwei Fernsehproduktionen wurde Romy Schneider knapp über sechzig Filme alt und nur dreiundvierzig Jahre jung, ihre letzte Ruhe findet die Schauspielerin auf dem kleinen Friedhof von Boissy-sans-Avoir, wo sie mit ihrem Kind zusammengeführt wurde. Romy Schneider geht als Mythos und vielleicht letzter deutscher Weltstar in die internationale Kino-Geschichte ein.

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Dschallogucker
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Re: ROMY SCHNEIDER

Beitrag von Dschallogucker »

Zu Romy Schneider gab es in der DDR sogar erstaunlichweise einen großen Bildband. Erschien 1987 im Henschelverlag und kostete 78 DDR-Mark. Das war verdammt teuer (Bücher waren in der DDR allgemein sehr billig). Ich hab den meiner Mutter zu Weihnachten geschenkt, worüber sie sich sehr gefreut hatte. Als sie Anfang der 90er starb, bekam den ihre beste Freundin.
Vor 4 Jahren erinnerte ich mich daran und sah, dass man den sehr günstig gebraucht kaufen kann. Für nur 7,99 € kam er wieder in meinen Besitz!

So an die 20 Filme von ihr kenne ich.

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Prisma
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Re: ROMY SCHNEIDER

Beitrag von Prisma »

Dschallogucker hat geschrieben:
Di., 19.01.2021 15:04
Zu Romy Schneider gab es in der DDR sogar erstaunlichweise einen großen Bildband.

Erstaunlicherweise heißt dann wohl, dass ein solches Erscheinen eine Ausnahme war oder war es auf Romy Schneiders Person bezogen? Ich weiß es ja nicht, aber ich finde solche Infos immer sehr spannend, ob Romy Schneiders Filme bekannt waren, ob eher ihre frühen Filme gezeigt wurden oder auch ihre progressiveren Arbeiten späterer Jahre. Ich erinnere mich kaum an Filme außer der Reihe und wenn, dann wurden sie überwiegend auf Dritten Programmen spät in der Nacht gezeigt, was ich immer sehr schade fand, da es so viele Filme fernab von "Sissi" & Co. gibt, deren Entdeckung sich definitiv lohnen würde. Aber schön, dass das Buch wieder zurück zu dir gefunden hat; ich weiß, dass man sowas dann gerne wieder zurück haben möchte.

Dschallogucker hat geschrieben:
Di., 19.01.2021 15:04
So an die 20 Filme von ihr kenne ich.

Das ist wesentlich mehr, als viele von sich behaupten können. Ich glaube, es liegt sogar an Romy Schneiders frühem Image, dass sich etliche Zuschauer erst gar nicht an ihre späteren Arbeiten heran trauen, aber im TV werden hierzulande ja auch immer nur die gleichen Filme mit ihr gezeigt, sodass die Möglichkeit nur bedingt besteht, mehr mit ihr kennen zu lernen. Welchen von ihren Filmen magst du denn am liebsten? Oder gibt es mehrere Titel?

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Dschallogucker
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Re: ROMY SCHNEIDER

Beitrag von Dschallogucker »

Das sind hauptsächlich die 3, die bei NEW erschienen waren:
Trio Infernal, Abschied in der Nacht (das alte Gewehr), Nachtblende. Die hatte ich mir gekauft kurz nach VÖ.
Als Sissy kenne ich sie natürlich auch (die Neuverfilmung ist realistischer, kenne ich auch) . Ich hab aber hauptsächlich 70er Jahre Filme mit ihr.

Es war in der DDR eher unüblich, dass man von internationalen Schauspielern große Bildbände herausbrachte. Da reichten die Kapazitäten einfach nicht, um noch mehr bedeutende ausländische Schauspieler zu porträtieren.

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Re: ROMY SCHNEIDER

Beitrag von Prisma »

Dschallogucker hat geschrieben:
Sa., 23.01.2021 22:44
Ich hab aber hauptsächlich 70er Jahre Filme mit ihr.

Ich finde, dass ihre stärksten Filme auch überwiegend in dieser Dekade entstanden sind. Die Kopplung sehr guter Filme und überragender Leistungen von Romy Schneider sind - wie man so schön sagt - ganz großes Kino, aber leider zu wenig verbreitet. Wie gesagt, viele Produktionen wurden irgendwann ein paar Mal, einmalig oder keinmalig gezeigt, ansonsten immer die gleichen Filme, die ja sicherlich nicht schlecht sind, aber es doch wesentlich mehr als die bekannten Storys zu entdecken gibt. In letzter Zeit sind aber einige Sachen bei Filmjuwelen erschienen, die bislang einen gewissen Seltenheitsstatus hatten.

Dschallogucker hat geschrieben:
Sa., 23.01.2021 22:44
Es war in der DDR eher unüblich, dass man von internationalen Schauspielern große Bildbände herausbrachte. Da reichten die Kapazitäten einfach nicht, um noch mehr bedeutende ausländische Schauspieler zu porträtieren.

Dann hat es ja schon etwas zu heißen, dass Romy Schneider mit einem solchen Bildband bedacht wurde. Finde ich sehr interessant, auch dass du hier so ein bisschen darüber berichtest, bin ja immer interessiert an solchen Erfahrungswerten! Ich hatte mal eine Zeit, da habe ich mir auch die meisten derartiger Bildbände zugelegt, die man ja nicht gerade geschenkt bekommen hat. Für einen hatte ich seinerzeit bei Erscheinen auch 99 D-Mark bezahlt, aber ich fand und finde, dass es sich auch durchaus lohnt. In den letzten Jahren habe ich bei Romy Schneider allerdings ein wenig den Drive verloren, da ich so gut wie alles mit ihr gesehen habe.

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Re: ROMY SCHNEIDER

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● ROMY SCHNEIDER als MARGOT, MARQUISE DE SANTORINI in
DIE FRAU AM FENSTER (F|I|D|1976)



"Die Frau am Fenster" entstand im letzten Drittel von Romy Schneiders Karriere und zählt vielleicht zu den Auftritten, die nicht in einem Atemzug mit ihren ganz großen Coups genannt werden. Betrachtet man diese sich sorgsam entfaltende und voller Strahlkraft wirkende Rolle, zeigen sich ganz deutlich jene Konturen, die man stets mit der Ausnahme-Darstellerin in Verbindung bringt. Starke und unkonventionelle Frauentypen waren seit Jahren die Domäne der leidenschaftlichen Wahl-Französin, und auch unter Pierre Granier-Deferre, mit dem sie bereits drei Jahre zuvor in "Le Train - Nur ein Hauch von Glück" zusammenarbeitete, kommt es zu keinen gegenteiligen Eindrücken im Rahmen dieser erstaunlichen Inszenierung. »Wissen Sie, wie man in Italien den Ehebruch amtlich registriert? Der Polizei-Kommissar steckt zwischen die verschlungenen Körper der Liebenden einen Stock. Stößt er auf ein Hindernis, sodass der Stock nicht weitergleiten kann, ist der Ehebruch amtlich.« Provokante Sätze wie dieser sind häufiger mit süffisantem Lächeln und angriffslustiger Miene von der schönen Marquise de Santorini zu vernehmen, die dem Zuschauer gleich aufweisen, dass man es mit einer ungewöhnlich starken Persönlichkeit zu tun hat, die sich nicht um die Ressentiments der anderen schert. Es wird sich hierbei nur um einen der Gründe handeln, warum die aus Österreich gebürtige Marquise sich in genau dieser Position gesellschaftlicher Privilegien befindet. Eine Frau, über die und mit der man spricht. Ihr Ehemann, der einem Casanova ähnelt, ist Attaché der italienischen Botschaft und offenbar der Schlüssel für ein scheinbar unbeschwertes Leben auf der Überholspur. Diese Unbeschwertheit ist allerdings das ausschließliche Ergebnis ihrer eigenen Herkunft und Methodik, das Leben und die damit verbundenen Stationen so unkonventionell als möglich und nicht immer rational anzugehen.

Die wortgewandte Dame, welche die Kraft ihrer wie Minen ausgelegten Sprache beim entsprechenden Gegenüber als Waffe einzusetzen pflegt, ist mit einer auffälligen Schönheit und Eleganz ausgestattet, die in gleichem Maß Eintrittskarte und Freibrief für all das darstellen, was man mit einem erfüllten Leben in Verbindung bringen möchte. Doch der Schein trügt wie so oft, denn jeder glaubt, sich selbst der Nächste zu sein. Der Kern der Geschichte zeigt daher schnell auf, dass es sich nur um ein vordergründiges Glück handelt; eine Tatsache, über die sich Margot auch vollkommen bewusst ist. Sie und ihr Ehemann Rico geben sich einem gängigen Gesellschaftsspiel hin - einer Rochade der unterschiedlichen Partner. Es ist irritierend, dass weder Eifersucht noch Streit wahrzunehmen sind; eher sieht man zwei befreundete Verbündete, die sich im Rahmen ihrer klaren Absprachen und Regeln wohlfühlen. Auch die typischen Szenen einer Ehe bleiben vollkommen aus. Hauptsächlich beobachtet man die kritischen bis amüsierten Blicke einer Frau, die die überwiegend gewöhnlichen Avancements ihrer schlechteren Hälfte mustert, um sie mit ihren engsten Feindinnen auseinander zu pflücken, die sich auf dem Tennis- oder Golfplatz die Objekte für ihre Schäferstündchen aussuchen. Doch wie Margot selbst treffend formuliert, könne man nichts machen gegen einen Mann, der auf seinen Ruf als Verführer bestehe. Durch Romy Schneider kommt wie so oft Leidenschaft und Gefühl in die jeweiligen Geschichten, denn sie ist empfundenermaßen als eine der letzten Bastionen der Aufrichtigkeit zu sehen. Ihre Liaison mit Michel steht unter keinen guten Voraussetzungen und deutet eine unausweichliche Katastrophe an. Allen Warnungen zum Trotz, geht sie das Risiko unter der Bereitschaft, alles zu verlieren ein, und jeder in ihrem Umfeld weiß, dass ihr starker Wille und diese auffallende Unbändigkeit nicht zu brechen sind.

Luxus, Unabhängigkeit und Privilegien werden leichtfertig in eine Waagschale geworfen und man fühlt, dass nur eine Frau wie Margot bereit sein kann, alles hinter sich zu lassen, da sie dieses gesellschaftliche Korsett lange genug und widerwillig getragen hat. Ihrer Unnahbarkeit und der Rolle einer Dame von Welt ist sie offensichtlich überdrüssig geworden, doch unterm Strich kristallisiert sich ein ehrliches, starkes Gefühl heraus, das man im Volksmund Liebe nennt. Auf ihre Verbündeten kann Margot auch weiterhin zählen, doch es drängen sich Personen in den Vordergrund, die sie am liebsten unter Kuratel stellen würden. Romy Schneiders exzellentes Schauspiel trägt zu den vielen erlesenen Momenten dieser Geschichte bei, die den Zuschauer nicht unberührt lässt. Neben der angebotenen Gefühlsklaviatur sorgt auch ihre strahlende Aura für Aufsehen, von ihren eleganten Ensembles ganz zu schweigen. Es ist immer interessant, eine gelöste Romy Schneider beobachten zu können, die wie hier mit keinen Barrieren außerhalb der Geschichte konfrontiert gewesen zu sein scheint. Die Filmkritikerin "Ponkie" von der Münchner "Abendzeitung" schrieb in diesem Zusammenhang: »Attraktion des Films; Romy Schneider, schön wie die Sonne, immer göttlich angezogen, mit einer Hut-Kollektion, die auf dem Kopf herumzuschleppen allein schon ein beträchtliches Arbeitspensum darstellt.« Tatsächlich bietet sich der unaufdringliche Eindruck an, dass allein Romy Schneider Grund genug darstellt, sich diesen Film anzuschauen, doch als interessierter Zuschauer bekommt man weitaus mehr im Dickicht oberflächlicher Zerstreuungen und akuter Gefahren geboten. Romy Schneider dominiert die Szenerie ganz selbstverständlich und lädt mit einem überaus natürlich wirkenden Charme ein, in eine Traumwelt abzutauchen, deren einzige Limitierung die nackte Realität darstellt. Alles in allem ist es also erneut ein Erlebnis und darüber hinaus unmöglich, von dieser Ausnahme-Darstellerin nicht gefesselt zu sein.

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Re: ROMY SCHNEIDER

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● ROMY SCHNEIDER als ANNA BRIGATTI ZIGHI in
DIE ZWEI GESICHTER EINER FRAU (I|D|F|1981)



"Die zwei Gesichter einer Frau" ist einer von Romy Schneiders letzten drei Filmen vor ihrem plötzlichen Tod gewesen und stellt alleine auf den Bekanntheitsgrad dieses Films bezogen vielleicht keinen ausgesprochenen Meilenstein in ihrer Karriere dar. Dennoch ist es vor dem Hintergrund ihrer damals angeschlagenen Verfassung mehr als erstaunlich, welche Routine, Begeisterungsfähigkeit und Sicherheit sie vermitteln und welche Überzeugungskraft sie entwickeln konnte. Diese Mischung aus Disziplin, Intuition und Talent wirkt wie immer mitreißend, belebend und begeisternd. Man stellt sich einmal mehr die Frage, wen man eigentlich gerade zu sehen bekommt: Ist es nun Romy Schneider, oder ist es vielleicht sogar gerade Anna? Genau diese nicht zu beantwortende Frage ist bei ihr irgendwie stets der springende Punkt. Keine andere Schauspielerin verleitet in dieser hemmungslosen Form dazu, keinen großen Unterschied mehr zwischen Darbietung und Person zu machen oder in irgend einer Form zu trennen, was vielleicht oftmals sogar überinterpretiert sein muss, aber für viele Zuschauer scheinbar dennoch nahe liegend. Der Film hat trotz einiger erstklassig dargestellter Liebesszenen aus der Vergangenheit eine überaus pessimistische, destruktive und bedrückende Grundhaltung. Im Verlauf ist weniger die Kombinationsgabe, als die Fantasie und die Achtsamkeit des Zuschauers gefragt und es wird schnell deutlich, dass alles Dargestellte keinen normalen, beziehungsweise leichten Verlauf nehmen kann. Leider wirken einige Charaktere oft eigenartig deplatziert, was einerseits an ihrer schwachen Integration innerhalb der Handlung, andererseits an Anna, dem Epizentrum der Verwirrung, liegen mag, um schlussendlich wahrnehmbare Gegenpole zu kreieren. Aus diesem Verlauf kann sich also keine histoire simple entwickeln, was als eines der Aushängeschilder des Films angesehen werden darf.

»Hab ich mich so verändert?« Als die verkommen aussehende Frau bei Nino Monti anruft, der ihr im Bus mit 100 Lire ausgeholfen hatte, kommt es zu einer Strecke von Rückblenden, die nur in der persönlichen Erinnerung so traumhaft wirken können. Im Kontrast zu der verwelkten Frau aus dem Bus, sieht man quasi Trugbilder in strahlender Schönheit, die Glücksmomente werden beinahe greifbar, doch der Alltag von Nino sieht anders aus. Gefangen in langweiliger Ehe, glorifiziert er die Lichtgestalt Anna Brigatti und gibt sich der Vergangenheit und der damit verbundenen Erinnerung hin, wo er nur kann. Romy Schneider sieht man in Dino Risis "Die zwei Gesichter einer Frau" in einer ihrer letzten Rollen vor ihrem überraschend frühen Tod, gleichzeitig in der Haupt- und Titelrolle. Es ist hier absolut erstaunlich, wie Romy Schneider zurecht gemacht ist und dabei in gewissen Szenen nichts unversucht gelassen hat, ihre alles durchdringende Ausstrahlung und Aura wegzuretuschieren. Nur in den immer wieder einschießenden Rückblenden leuchtet sie förmlich in der sonst so kühl und geordnet wirkenden Szenerie und sie verleitet erneut zum Staunen und Träumen, um immer wieder aus dem Nebel und der Dunkelheit aufzutauchen und große Verwirrung, außerdem Abscheu zu erzeugen. In diesem bemerkenswerten Film werden die Realitätsebenen vor allem durch Romy Schneider geschickt aufgeweicht, beziehungsweise nahezu heimtückisch vermischt. Ihre doppelte Funktion als Projektionsfläche für Emotionen aller Art prägt den Verlauf nachhaltig, sodass man schon von einer extensiven Dominanz sprechen muss, die das Elixier dieser Geschichte darstellt. Die trügerische Vergangenheit holt Nino immer mehr ein, ergreift regelrecht Besitz von ihm, bis er sich schon bald in Tagträumen wiederfindet. Oder entsprechen diese doch der Realität? Als Zuschauer kann man diese Fragen selbst nicht ordnen, zumal plötzlich die Todesnachricht von Anna alias Contessa Zighi platziert wird.

Ihr Tod soll allerdings schon Jahre zurückliegen, daher wirkt es umso unbegreiflicher, dass man sie nicht nur in der Vergangenheit gesehen hat, sondern auch in der Gegenwart und das in vollkommen konträrer Ausführung als vitale Frau in den besten Jahren, aber auch völlig heruntergekommenes Subjekt. Die Geschichte nimmt immer mehr surreale Züge an, doch bemüht sich auch in intelligenter Weise darum, die Unwahrscheinlichkeit mit plausiblen Erläuterungen auszuhebeln. Es ist überliefert, dass sich Romy Schneider sehr auf diese Rolle gefreut hatte, immerhin reizten sie schwierige Anforderungen und besondere Charaktere. Laut Regisseur Dino Risi soll die Schauspielerin in Anbetracht dieser Anforderung sogar eine Stunde vor Glück gesungen haben, weil sie sie als so schön empfunden hatte. Die Synchronisation übernahm Romy Schneider für die deutsche Version, in diesem Fall in Berlin, wie fast immer selbst und es ist als zusätzliches Gütesiegel zu beurteilen, sie mit ihrer eigenen Stimme wahrnehmen zu können. Während der Dreharbeiten zu "Die zwei Gesichter einer Frau" ist der schlechte Allgemeinzustand der Hauptdarstellerin ein Thema hinter vorgehaltener Hand und es scheint tatsächlich so, als transportiere sie diesen Umstand zumindest in die Hälfte ihrer Rolle, nämlich wenn sie als völlig gezeichnete Frau auftreten muss. In so gut wie jeder Szene ist die nahezu uneingeschränkte Wandlungsfähigkeit zu sehen, die der Rolle der Anna nicht nur ihre hohe Glaubhaftigkeit mit auf den schwierigen Weg gibt, sondern auch die Reinkarnation eines schönen Jugendtraumes darstellt. Dieser immer noch viel zu unbekannte Film bringt eine von Romy Schneiders vielleicht interessantesten Rollen zutage und im Rahmen der im Film abgehandelten Imagination eine überaus ernstzunehmende. Als Inbegriff puren Lebens, aber auch Ebenbild des Vergänglichen, führt Romy Schneider den Zuschauer durch ein gut durchdachtes Konzept, dessen Verwirrspiel zwischen Traum und Wirklichkeit hauptsächlich durch sie selbst aufgeht.

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Re: ROMY SCHNEIDER

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● ROMY SCHNEIDER als RÉGINE in
DIE SIEGER (US|GB|1963)



Carl Foremans Beitrag ist in mehrere Etappen aufgeteilt, in denen verschiedene Frauentypen prominent in Szene gesetzt werden. Eine von ihnen ist Régine alias Romy Schneider, die nach etwa 70 Minuten Spielzeit das Szenario, beziehungsweise ein Tanzlokal bereichert, in der sie völlig konträr zum ausgelassenen Tenor des Ambientes als Geigenspielerin mit einer klassischen Darbietung auftritt. Natürlich geht diese im Dunst zwischen Bier- und Feierlaune unter, doch die Protagonisten bitten die attraktive Künstlerin an ihren Tisch. Die Perfektionistin Romy Schneider soll Überlieferungen zufolge tatsächlich zuvor Geigenunterricht bei David McCallum Sr. genommen haben, um noch präziser und glaubhaft nach Art des Hauses zu wirken. Diesem etwa 15-minütigen Auftritt auf internationalem Parkett gingen prestigeträchtige Produktionen wie beispielsweise Luchino Viscontis "Boccaccio 70" oder Orson Welles' "Der Prozess" voraus; der anvisierte Image-Wechsel war demnach längst vollzogen. Ihrer Régine folgt man als Zuschauer skeptisch, ihr Verhalten betrachtet man darüber hinaus auch eher kritisch, da sie sich nicht so verhält, wie es vielleicht von ihr zu erwarten gewesen wäre. Nicht wie andere Frauen fällt sie den amerikanischen Soldaten sinngemäß oder tatsächlich um den Hals, weiß man doch um das Verschaffen der vielen Annehmlichkeiten, zu dem sie in der Lage sind. Vielmehr zurückhaltend und eher spröde verfolgt man die junge Frau, die sich so auffällig von den anderen abzuheben scheint. Ihr werden viele Fragen gestellt und man erfährt von ihrer persönlichen Situation: Die Familie wurde verschleppt und sie studierte am Konservatorium, doch egal mit wie viel Höflichkeit und Respekt man ihr gegenübertritt, sie will einfach nicht auftauen. Spätestens in ihrer nächsten Szene wird dem Zuschauer klar, was eigentlich hinter dieser zierlichen Person steckt und es bahnt sich eine überraschende Wende an.

Vielleicht kann man sogar von einer Metamorphose sprechen, denn plötzlich steht die Geigerin eben mit jenem Soldaten an der Theke, den sie zuvor noch angewidert beim letzten Treffen abgewiesen hatte. Ihr seriöses Ensemble wurde durch eine Montur ausgetauscht, die die Männer unmissverständlich ansprechen soll. Vollkommen ausgelassen und lasziv posiert die attraktive junge Dame in dem vollen Tanzlokal und man erfährt wenig später, dass ihr neuer Gefährte auch gleichzeitig ihr Zuhälter sein muss. Corporal Trower verliert die Nerven und fängt an sich mit ihm zu prügeln, doch es stellt sich ihm ein anderer Gegner in den Weg. Régine geht aggressiv auf den gedemütigt wirkenden Mann los und es scheint, als wolle sie ihm die Augen auskratzen. Romy Schneider zeigt zum Ende ihrer Rolle hin ein Temperament, das sicherlich nicht ungewöhnlich für ihre Verhältnisse gewesen ist, aber hier nach ihrer anfänglichen Vorstellung nicht zu erwarten gewesen ist. Sie hat sich nun doch für Annehmlichkeiten und Privilegien in die Tasche stecken lassen, schiebt das karge Leben nun einfach weg und bezahlt ihren Preis. Romy Schneiders Affinität für tiefgründigere Rollen hatte sich bereits angekündigt und sollte sich - wie ihre Filmografie eindeutig dokumentiert - auch fortsetzen. Das lange Warten auf ihren Auftritt in "Die Sieger" lohnt sich daher über die Maßen, wenngleich ihre treuen Anhänger aus "Sissi"-Tagen sicherlich einen weiteren Rückschritt im Fortschritt wahrgenommen haben dürften. Trotz der kurzen Auftrittsdauer prägt Romy Schneider diese Régine und stattet sie mit dieser seltsamen Traurigkeit aus, die im Zweifelsfall einfach weg getanzt werden kann. Im Vergleich zu ihren Kolleginnen aus diesem Film spielt sie sich zwar nicht merklich in den Vordergrund, arbeitet aber ebenfalls hochtourig daran mit, dass die Episoden von Carl Foremans Beitrag aufgrund der angebotenen Tiefe und des Abwechslungsreichtums deutlich im Gedächtnis bleiben.

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● ROMY SCHNEIDER als HÉLÈNE ROFFE-MARTIN in
BLUTSPUR (US|D|1979)



Die Dreharbeiten zu "Blutspur" fanden für Romy Schneider bereits vor der Premiere zu dem zuvor abgedrehten Film "Eine einfache Geschichte" statt, und sie ist nur einer von vielen internationalen Stars, der Glanz und Gloria in Terence Youngs prestigeträchtiges Projekt bringen sollte. Schon in ihrer ersten Szene bekommt der Zuschauer unmissverständlich aufgezeigt, mit wem man es bei Hélène zu tun bekommt. Eine dominante, starke und selbstbewusste Frau, bei der der Begriff modern viel zu antiquiert klingen möchte. Damit auch dem letzten Zuschauer ein Licht aufgeht, fährt die halsstarrige Dame im besten Alter einen Formel 1 Sieg nach Hause, diktiert folglich eine Episode eines klassischen Männersports, was einfach seltsam anmutet, gerade weil man Romy Schneider als Ebenbild der starken Frau zur Verfügung hatte und kein derartig überspitztes Geschütz hätte auffahren müssen. Die jubelnde Siegerin stellt sich in ihrer ersten Szene wahlweise gleich selbst vor, als sie die Todesnachricht von ihrem Cousin Sam Roffe bekommt, der gleichzeitig Chef eines Pharma-Imperiums war. »Mit 64 hat er endlich eingesehen, wo er hingehört!«, hört man sie süffisant und unsentimental anmerken, was mit einem triumphierenden Lächeln untermalt wird, welches in dieser Situation keinesfalls alleine auf den Sieg beim F1-Grand-Prix zurückzuführen ist. Hélène Roffe-Martin ist nur eine von vielen Angehörigen, respektive gierigen Hyänen, die nun große Liquidität und ein vollkommen sorgenfreies Leben wittern und die neue Chefin des Konzerns daher zur Umwandlung in eine Aktiengesellschaft drängen wollen. Bei Romy Schneider ist in diesem Verlauf vielleicht ein klein wenig irritiert zur Kenntnis zu nehmen, dass sie nicht der alleinherrschende Star des Szenarios ist - wie es zu dieser Zeit allgemein üblich war - sondern eine untergeordnete Nebenrolle zugunsten Audrey Hepburns inne hat, wie übrigens alle anderen Interpreten der Geschichte auch. Dennoch kommt man in den Genuss von genügend Kostproben ihrer bemerkenswerten Anpassungsfähigkeit.

Die Kopplung von Disziplin und Schauspiellaune macht so gut wie jeden Auftritt von Romy Schneider sehenswert, auch wenn man hier sicherlich nicht ihren ganz großen Wurf geboten bekommt. Hélène wirkt so, als verspeise sie Männer gerne zum Frühstück, und im Umgang mit Frauen zielt sie gnadenlos auf deren Augen ab, um sie ihnen bei jeder sich bietenden Gelegenheit auszukratzen. Es bereitet der versnobten Dame sichtlichen Spaß, Personen ihrer Umgebung zu brüskieren, kommandieren und von oben herab zu behandeln, denn bei ihren finanziellen Mitteln braucht der Ton erst gar nicht mehr die Musik zu machen. Eine empörte Irene Papas ist bei der Vorstandssitzung die Zielscheibe für ihre Verachtung, Angriffslustigkeit und ihren Zynismus, was die Erfüllung in folgendem Satz findet, als es um ein Indiz im mittlerweile bestehenden Mordfall geht: »Ich lese eben Zeitungen, Simonetta. Ohne dabei die Lippen zu bewegen.« Derartig giftig wird man Romy Schneider hier häufiger erleben und es macht jeweils Spaß, ihr dabei zuzusehen, wie sie mit Schlagfertigkeit, Intelligenz und Rücksichtslosigkeit zu jonglieren weiß. Wenn man im Bezug auf Romy Schneiders üblicherweise vollkommen prominente Einsätze darüber hinwegkommt, dass sie dramaturgisch nur eine untergeordnete Funktion ausfüllt, ist mit dieser nicht uninteressanten Rolle sehr gut auszukommen, denn die eben nicht unbegrenzt vorhandenen Möglichkeiten werden erwartungsgemäß optimal ausgefüllt. Da es sich hier um Star-Kino handelt, arbeitet die Kamera brav Großaufnahmen seiner Interpreten ab, rückt sie temporär in den Fokus und im Allgemeinen sieht man die Bemühung, die Unterschiede der Charaktere hervorzubringen. In der Silhouette einer Dame von Welt steht Romy Schneider ihren Mann und legt durch ihre Stärke vergnügt die Schwächen Anderer offen. Solange man sich dabei an ihre Spielregeln und Wünsche hält, fährt sie die Krallen nur mit halber Kraft heraus. Das Fazit für Hélène zieht sie in einer Szene sogar selbst: »Was soll ich machen? Ich hab mir meinen Charakter eben nicht ausgesucht!« Eine verblüffende Darbietung.

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Re: ROMY SCHNEIDER

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● ROMY SCHNEIDER als FRANCESCA ANDERSON in
INZEST (GB|1970)



Romy Schneiders britisch produzierte Filme stellen weder ihre erfolgreichste, noch produktivste Karrierephase dar und besitzen im Vergleich möglicherweise weniger Anreize, sie sich anzuschauen. So heißt es zumindest. "Inzest", dessen Titel alleine schon eine genügend abschreckende Kulisse aufbaut, um ihn sich vielleicht nicht anzuschauen, offeriert jedoch eine von Romy Schneiders immer noch wenig bekannten Glanzleistungen, die denkwürdig und mitreißend zugleich wirkt. Das Thema des Films disqualifiziert sie von vorne herein als klassische Sympathieträgerin, sodass es aufgrund der Analyse seelischer Abgründe und den damit verbundenen Reaktionen einer Frau zu zahlreichen mitleidigen Blicken kommt. Hin und wieder will dieser determinierte Eindruck sogar noch eindeutiger ausfallen, da ein Impuls ausgelöst wird, nahezu beschämt wegzuschauen. Die Regie behält sich in kluger Voraussicht die nötige Diskretion vor und der Film scheint sich daher häufiger in Windungen und Andeutungen zu verlieren, was die Brisanz allerdings nicht aufhebt, sie jedoch merklich entschärft. Als trügerischer Aggressor ist allerdings immer wieder Romy Schneider zu sehen, die ihre innere Leere und Unzufriedenheit auf andere überträgt, wo sie nur kann. Auch das, was sie Liebe nennt, wird den Männern ihres direkten Umfeldes aufgezwungen und scheint für ihre Begriffe ausschließlich mit Mechanik in Verbindung gebracht zu werden. Das alte Thema der Frau im goldenen Käfig wird durch die satte Ausstattung und das gehobene Umfeld unterstrichen, in dem es gesellschaftliche Pflichten en masse und kaum Ausweichmöglichkeiten gibt. Frances erlaubt sich allerdings immer mehr den Luxus des Ausbrechens aus diesen Strukturen, auch weil ihr Ehemann permanent geschäftlich unterwegs ist und daher keine massive Kontrolle ausüben kann. Das ohnehin enge Verhältnis zu ihrem Sohn Jamie verfestigt sich, ihrer Ansicht nach kultiviert sie es sogar, aber wie erwähnt bleibt das Thema Intimität deutlich im Schatten.

Um dem Alptraum namens Alltag entfliehen zu können, flüchtet sich Frances in Tagträume und Rollenspiele mit ihrem Sohn, doch ein unbekanntes Element im Film holt sie immer wieder in mystischer Art und Weise ein. Von Rufen und Stimmen der Vergangenheit verfolgt und getrieben, kommt es zu Absencen, die manchmal sogar ihren Geisteszustand infrage stellen könnten. Ihrem Mann Robert demonstriert sie Verachtung und überhäuft ihn mit Impulsivität. Sie weiß genau, wie sie ihn am effektivsten treffen kann, wahlweise mit nicht salonfähigem Verhalten und dem provokanten Ignorieren von gesellschaftlichen Konventionen. So kommt Frances ins Gerede, weiß aber nur zu gut, dass es indirekt ihren Mann treffen wird, wenn sie sich auf öffentlichen Empfängen betrinkt und sich ihrem Sohn an den Hals wirft. Das diplomatische Abwinken Roberts macht sie wiederum aggressiv; Grund genug zu schwereren Geschützen zu greifen, bis es schließlich zum vorprogrammierten Eklat kommt. Als Fran versucht, ihn mit üblichen Vorhaltungen über seine Bildung und dessen Wirkung auf andere bis aufs Blut zu reizen, aber ihr der anvisierte Erfolg ausbleibt, flüstert sie ihm etwas ins Ohr. Obwohl nicht zu hören ist, um was es sich handelt, weiß man genau, was sie ihm perfiderweise berichtet hat. Robert rastet aus und will sie töten, was wohl zum interessantesten Kniff der Geschichte avanciert, zieht diese Brisanz das Publikum doch wieder deutlich auf Romy Schneiders Seite, die man selten so giftig und zynisch gesehen hat. Im Allgemeinen ist dem Tenor des Films zuzustimmen. Auch wenn es seinerzeit fast ausschließlich Verrisse gab und die Produktion eine geringe Wertschätzung erfährt, gehört der alleinige Triumph Romy Schneider, deren Ausstrahlung, Verve und Spiellaune bedingungslos zu überzeugen weiß, auch wenn sie zur Entstehung einfach zu jung für diese Rolle war. Exemplarisch schön und teilweise in grellen, verwirrenden Farben zu sehen, bleibt eine Performance im Gedächtnis, die nicht mehr zu vergessen ist.

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Re: ROMY SCHNEIDER

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● ROMY SCHNEIDER als CHANTAL MARTINAUD in
DAS VERHÖR (F|1981)



An einem Silvesterabend in einer kleinen französischen Hafenstadt gilt es, bestialische Sexualmorde an jungen Mädchen aufzuklären. Das Verhör mit dem Verdächtigen Maître Martinaud zieht sich in die Länge und verläuft anscheinend ergebnislos. Er und die Leute von der Polizei haben eines gemeinsam, denn der verantwortliche Inspektor und insbesondere sein Assistent würden dem wenig hilfreichen Herrn gerne die Fresse polieren, Martinaud, der seine selbstgewählte Opferrolle in derben Zynismus hüllt, hätte es ebenso gerne, um vielleicht einmal wieder etwas zu spüren. Gerade beim Thema Spüren muss Romy Schneider zur Sprache kommen, die seinerzeit vom Figaro-Magazine mit folgender Prägnanz beschrieben wurde: »Zwei Szenen mit Romy Schneider genügen, um uns mehr zu erschüttern, als die volle Aufführungsdauer mehrerer anderer Filme vermag.« Auf den Auftritt der Chantal Martinaud muss man im fertigen Film lange warten und es bäumt sich eine seltsame Form der Spannung auf. Romy Schneider war zur Zeit der Dreharbeiten konstitutionell angeschlagen, was man ihr förmlich ansehen möchte, doch eigenartigerweise wirkt ihr isoliertes Schauspiel dadurch noch expliziter. Ihre Szenen mit ihrem Partner Lino Ventura spielen sich beinahe ausschließlich im Sitzen und Vis-à-vis ab, es entsteht eine kryptische Färbung im Gespräch mit einer Art Kronzeugin, die ebenso als unerbittliche Belastungszeugin auftritt. Sie wirkt glaubhaft, was man aufgrund ihrer verbitterten Attitüde jedoch oft heimlich in Frage stellt. Martinaud möchte seine Gattin nicht sehen, als sie auf dem Revier eintrifft. Die Beamten wurden in dem unendlich wirkenden Verhör immer wieder mit Informationen über die Frau versorgt, die wie ein schwarzer Schatten in der Dunkelheit des Raumes wartet. Lichtimpulse kommen lediglich von dem blinkenden Ramsch-Weihnachtsbäumchen auf einem Schreibtisch und von draußen, bis das Licht eingeschaltet wird. Die erste Begegnung mit Schneider verläuft nicht nur für ihn völlig unberechenbar, sondern auch für das reichlich gespannte Publikum. Der Raum beginnt, sich mit Kälte zu füllen.

Zunächst beschäftigt man sich ausschließlich mit der Frage, ob man es mit einer unsympathischen Person zu tun hat, die in kurzen Rückblicken doch eine solche Strahlkraft erlangen konnte. Mit der Hilfe ihres Mannes erlebt man eine Doppelrückblende durch einen brüchigen Spiegel, mit der des Kommissars kommt es zu einer regelrechten Studie einer Frau, deren Schicksal es ist, zu viel von eben jenem falsch verstanden zu haben. Die Schlafzimmer sind seit Jahren getrennt, ein Eheleben findet nicht mehr statt, obwohl die Anfänge laut Maître Martinaud aufregend, prickelnd und voller Leidenschaft gewesen sein müssen. Im Gespräch mit Inspektor Gallien tun sich nach ersten Andeutungen klaffende Abgründe auf, denn Madame Martinaud holt zum vernichtenden Schlag aus. Hierbei stellt sich die Frage, ob sie die Wahrheit sagt oder nicht, ob sie die Allgemeinheit vor einem Monster schützen oder eine mittlerweile verhasste Existenz vernichten will. Romy Schneider umweht eine hochmütige Arroganz, abgrundtiefe Frustration und eine spürbare Eiseskälte, sodass man ihr nicht genau in die Karten schauen kann. Im Gespräch wirkt sie vermeintlich offen und indiskret, wenn auch in einer höflichen, beinahe hoheitsvollen Art und Weise, immerhin gehört sie zur sogenannten besseren Gesellschaft. Vermutlich war es genau diese Rolle, die ihr Eheleben zum Scheitern gebracht hat, denn im Auge der Öffentlichkeit lässt sich nicht so unbehelligt leben, wie erwünscht. Chantal Martinaud zeichnet ein sich langsam aufbäumendes, im Grunde genommen widerliches Psychogramm ihres Gatten, der in dieser Konstellation keine Möglichkeit zur Selbstverteidigung oder gar Rehabilitation bekommt. Regisseur Miller setzt auf eine Konfrontation, die nicht nur zwischen den Zeilen lesen lässt, sondern tiefe Furchen offenbart, die möglicherweise einen Teil der Wahrheit verbergen. Man möchte hier tatsächlich verstehen können, mehr als das Gebotene hören, um sein eigenes Urteil bilden. Romy Schneiders Schauspiel behindert diesen Prozess mit ruhiger Vehemenz, mit den Mitteln einer Frau mit verschleiertem Leben und einer Angriffstaktik, die lähmt.

Ihren Mann brandmarkt sie letztlich indirekt als Kinderschänder und Mörder, indem sie Geschichten aus der Vergangenheit erzählt, und was viel schlimmer ist: umdeutet. Der Kommissar hört sich die Ausführungen in aller noch vorhandenen Ruhe an, wobei er sein elegant aussehendes aber teils gewöhnlich wirkendes Gegenüber eigentlich verachtet, zumindest erscheint es manchmal so. Romy Schneider übernahm in "Das Verhör" ihre vorletzte Rolle vor ihrem frühen Tod im Jahr 1982, und diese gilt als Sternstunde in ihrer eigenen Filmografie und Glanzleistung im Rahmen kammerspielartiger Voraussetzungen. Die Schauspielerin wirkt gezeichnet, vor allem wenn man um ihre privaten Umstände weiß, sodass sich Darstellung und Person wieder einmal vermischen, was wie so oft ohne es eigentlich zu wollen geschieht. In wenigen Rückblenden wird eine innere und äußere Schönheit gezeigt, was davon übrig geblieben ist, sieht man im Zwiegespräch mit Inspektor Gallien, der Madame Martinaud jedoch zu keiner Zeit zu fassen bekommt. Für Romy Schneider ergab sich mit dieser Rolle noch einmal eine späte Möglichkeit, ihre Ausnahme-Präzision unter Beweis zu stellen. Ein Charakter, der nicht darum buhlen muss, von anderen gemocht zu werden, eine Frau, die sich nicht mehr darum kümmert, wie die Wahrnehmung der anderen ist, und man sieht insgesamt eine Anforderung, die besser nicht zu lösen ist. Schützenhilfe leistet die hervorragende Dialogarbeit und die damit verbundene, unterschwellige Angriffslust in Romy Schneiders Stimme, die bemüht ruhig bleibt und wenig emotionale Färbung hergibt, da sie mit ihrem Mann abrechnen will. Die Polizei als Mittel zum Zweck scheint dabei gerade recht zu kommen, sodass sich eine Unverfrorenheit bemerkbar macht, die überrascht und fasziniert. Romy Schneiders Chantal Martinaud bleibt trotz der Kürze der Screentime als Rollenfigur zurück, die in der guten Gesellschaft französischer Filme einen besonderen Platz einnehmen kann, zumal sämtliche zur Verfügung stehenden Register der Darstellkunst gezogen werden. Am Ende behält sie es sich vor, für den Überraschungsmoment des Films zu sorgen. Fulminant und regelrecht erschütternd.

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