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THE FRIGHTENED WOMAN - FEMINA RIDENS - Piero Schivazappa

Verfasst: Sa., 21.11.2020 16:23
von Richie Pistilli
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Femina ridens (IT)
Gioco d'amore, gioco di morte (IT - ergänzender Slogan)
The Frightened Woman - Femina ridens (D - DVD)
Le duo de la mort (F)
Os Profissionais do Sadismo (BRA)
The Laughing Woman (USA)
The Frightened Woman

IT 1969

R: Piero Schivazappa
D: Philippe Leroy, Dagmar Lassander, Lorenza Guerrieri, Varo Soleri, Maria Cumani Quasimodo, Mirella Pamphili



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dt. DVD Premiere (OmU): 15.03.2013

Score: Stelvio Cipriani

Italo-Cinema.de

OFDb




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"Aber es ist essentiell, dass die Fruchtbarkeit des Mannes absolut unangetastet bleibt!"


So viel zu den zwanghaften Gedankengängen des Philanthropen Dr. Sayer (Philippe Leroy), der eines Tages in seinem Büro unverhofft von der bezaubernden Journalistin Maria (Dagmar Lassander) aufgesucht wird, da diese von ihm spezifische Fachliteratur für ihre aktuelle Arbeit zum Thema "Zwangssterilisation bei Männern als Lösung des Welt-Bevölkerungsproblems" benötigt. Zwar löst der Titel ihrer aktuellen Arbeit bei Dr. Sayer zunächst ein Gefühl des Entsetzens aus, das aber schon im nächsten Augenblick von einem viel heftigeren Gefühlssturm abgelöst wird, der den Philanthropen infolge ihrer unwiderstehlichen Reizen von Kopf bis Fuß durchströmt. Und da er dieses wohlige Gefühl so schnell auch nicht mehr loslassen will, lädt er die verlockende Maria kurzerhand für das darauffolgende Wochenende in sein Ferienhaus ein, um ihr dort in aller Ruhe das benötigte Textmaterial zu übergeben. Erleichtert über die Zusage, die benötigte Literatur ausgehändigt zu bekommen, steht Maria pünktlich zum Start ins Wochenende beim Doktor auf der Matte. Was die aufreizende Journalistin bis dato aber noch nicht ahnt, ist die Tatsache, dass Dr. Sayer infolge eines tiefsitzenden Kindheitstraumas absonderliche sexuelle Neigungen entwickelt hat, die in Verbindung mit seinem angstbesetzten Frauenbild gegenüber diesen groteske Züge annehmen - denn ehe sich Maria versieht, findet sie sich gefesselt im Wochenenddomizil des Hobby-Marquis de Sade als seine persönliche Gefangene wieder.


Degradiert und herabgewürdigt zu einer entrechteten Wochenend-Sklavin scheint Maria hilflos den perfiden Machtspielen des irrsinnigen Akademikers ausgeliefert zu sein, der sie fortan bei jeder noch so kleinen Möglichkeit aufs Äußerste erniedrigt. Marias einziger Wunsch besteht nur noch darin, einen für sie zielführenden Weg aus den Fängen des patriarchalen Peinigers zu finden. Da Wünsche aber bekanntlich in den seltensten Fällen in Erfüllung gehen, geht auch der erste Fluchtversuch folgenschwer daneben, denn Dr. Sayer ist immer und überall. Als Strafe für den weiblichen Ungehorsam widmet ihr der antifeministische Philanthrop daraufhin ein weiteres Kapitel aus dem 'pathologischen Spielekatalog für sexuell frustrierte Männer'. Arme Maria!



"Dreh Dich um - Komm näher. Du ahnst nicht welches Vergnügen es mir bereitet, eine zu Tode verängstigte Frau von Nahen zu betrachten. Es wäre wundervoll zu fühlen und zu spüren, was in Dir in diesem Moment vorgeht."


Doch anstatt ihren bereits am Boden liegenden Lebensmut endgültig aufzugeben, besinnt sich Maria vielmehr auf eine ihrer geschlechtsspezifischen Fertigkeiten, durch die sie als Frau der patriarchalen Männerwelt weitaus überlegener ist: die 'weibliche List'! Auf emphatische Art und Weise versucht Maria Dr. Sayer eine subtilere Alternative für seine krankhafte Weltanschauung sowie sein angstbesetztes Frauenbild aufzuzeigen, durch die er Frauen letztlich nicht nur aufgrund seiner reinen Manneskraft dominiert, sondern seine traumatisierte Seele auch endgültige Heilung erfährt. Ob Maria mit ihrem sexualpädagogischen Ränkespiel letzen Endes richtig liegt, seht ihr spätestens, wenn nach dem Film das Licht angeht.


"Und außerdem, immer die übliche Folter, das übliche Geschreie. Auf lange Sicht ähneln sich die Opfer auch irgendwann alle. Und Blut bleibt auch immer nur Blut. Ich bin überzeugt dass Sie mittlerweile keinen Spaß mehr daran haben... Sie sind ein reicher und intelligenter Mann. Sie könnten jede Frau haben die Sie möchten. Wenn Sie denen ein wenig den Hof machen würden, könnten Sie hunderte erobern. Dann würden Sie Ihren Spaß daran finden, sie schmachten zu lassen. Sie leiden und weinen zu lassen und sie vielleicht in den Selbstmord zu führen."


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"Eine gefangene Frau vor den Augen zu haben und zu wissen, dass sie dem Tode geweiht ist, ist ein äußerst faszinierender Anblick. Aber das Aufregendste ist zu wissen, dass in ihrem Hirn trotz der Angst, von der sie geplagt ist, ein Funke von Hoffnung überlebt. Genau hier liegt der Spaß: Diese Hoffnung auf Rettung zu nähren. Und dann im Moment, in dem das Opfer sich einbildet, dem Tod entkommen zu sein, zerstört man diese auf grausame Weise."


Wow! Wow! Und nochmals Wow! Dieses bombastische Glanzleistung war nicht nur bereits damals seiner Zeit weit voraus, sondern ist es auch leider heutzutage immer noch, denn die antifeministischen Strömungen haben gerade in den letzten Jahren durch die virale Verbreitung auch gesamtgesellschaftlich wieder stark zugenommen. Dass ein solcher Film bereits 1969 bewerkstelligt werden konnte, liegt meiner Vermutung nach einzig an dem Verdienst des Filmproduzenten Giuseppe Zaccariello, der Piero Schivazappas Regiedebüt überhaupt erst ermöglichte. Zaccariello war von Haus aus eigentlich ein sehr vermögender Fabrikbesitzer aus Modena, genauer gesagt aus Sassuolo, der Heimat der 'italienischen Fliesen'. Aber Zaccariello war nicht nur ein gut betuchter Fliesenhersteller, sondern auch zugleich ein leidenschaftlicher Kinoliebhaber, und da sein Geschäft mit den natursteinernen Bodenbelägen bestens zu laufen schien, gab er seine Fabrik irgendwann gegen Ende der 60er kommissarisch in fremde Hände und widmete sich fortan dem Produzieren von außergewöhnlichen Filmen. Eine weise Entscheidung, wie sich im Nachhinein herausstellte, denn sein spontaner Wechsel ins Filmgeschäft erwies sich für Liebhaber kurioser Filmkost schließlich als ein absoluter Glücksfall, da sich Zaccariello gemeinsam mit seiner Produktionsfirma 'Cemo Film' für zahlreiche Filmperlen auszeichnete, die im hochexplosiven Schmelztiegel der freigewordenen 68er Strömungen entstanden. Hierzu zählen neben Piero Schivazappas ironischem 'Wer zuletzt lacht, lacht am besten' Glanzstück FEMINA RIDENS (1969) auch Elio Petris ZWEI SÄRGE AUF BESTELLUNG (1967), Francesco Casarettis satirische Antikonsumgesellschaftsbi­zar­re­rie EAT IT (1968) und Roberto Faenzas beschwingte Antikapitalismusgroteske ESCALATION (1968).



"Eine Frau, die auf diese Weise gefesselt ist, wird wahnsinnig. Sie stirbt innerhalb von wenigen Stunden. Ich habe es noch nicht ausprobiert, aber ich stelle es mir sehr vergnüglich vor."


Aber kommen wir zurück zu Piero Schivazappas bemerkenswerten Regiedebüt FEMINA RIDENS, das sich nicht nur als ein farbenfrohes Spektakel mit einem detailverliebten, extravaganten und futuristisch-wirkenden Set-Design entpuppt, sondern zugleich auch der selbstbestimmten Frau ein Denkmal setzt. Dank Schivazappas extravagantem als auch zugleich innovativem Inszenierungsstil, bei dem das farbenprächtige Zeitkolorit förmlich aus jeder Ritze des Zelluloids trieft, stellt FEMINA RIDENS für mich persönlich unter Einbindung der Handlung einer der wichtigsten filmischen Meilensteine des italienischen 68er-Kinos dar. Mit einer ironischen als auch intelligenten Humornote angereichert, stieß der Film bei seinem damaligen Kinostart augenscheinlich auf sehr geringes Interesse, was meines Erachtens auch mit der seiner Zeit weit voraus liegenden Thematik begründet sein könnte. Zu allem Überfluss kam es bereits vor dem Kinostart zu Problemen mit der italienischen Zensurbehörde, infolgedessen der Film bereits Federn lassen musste. Leider scheint nicht mehr möglich zu sein, die fehlenden Stellen nachträglich wieder in die geschnittene Kinofassung zu integrieren, so dass diese im Rahmen der bisherigen VHS- und DVD Veröffentlichungen lediglich in schlechterer Qualität und in einem abweichenden Bildformat als Bonusmaterial mitgeliefert wurden.


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"Kaninchenweibchen haben bereits gelernt, sich parthenogenetisch fortzupflanzen. Sie machen das alles allein. Ohne dass das Männchen einen Beitrag leisten muss. Und sie bringen ausschließlich weibliche Exemplare auf die Welt. Auch ihr Frauen werdet es lernen, euch auf diese Weise fortzupflanzen. Und nur noch Mädchen zu zeugen. Die Welt wird dann nur noch von Frauen besiedelt sein"


FEMINA RIDENS entpuppt sich zudem als eine Art Kammerspiel, in dem Dagmar Lassander und Philippe Leroy fast den gesamten Handlungsverlauf über in den vier Wänden eines Ferienhauses eine unglaublich gute Darbietung ablegen. Ein paar wenige Nebendarsteller tauchen zwar zu Beginn und am Ende des Films kurzzeitig auch noch in Erscheinung, aber den Großteil der Spielzeit präsentieren sich die beiden Hauptdarsteller allein auf weiter Flur. Philippe Leroy spielt eindrucksvoll einen angesehenen Philanthropen, der infolge eines tiefsitzenden Kindheitstraumas nicht nur absonderliche sexuelle Neigungen entwickelt hat, sondern auch ein angstbesetztes Frauenbild, was ihm im Rahmen seiner fehlgeleiteten Sozialisation wiederum dazu verleitet, diese unter seine patriarchale Kontrolle zu bringen. Obendrein scheint er sexuell gehemmt zu sein, was wiederum dazu führt, dass er sich nur befriedigt fühlt, wenn der passionierte Dolchsammler seinen versklavten Sexpartnerinnen auf dem Höhepunkt den Gar aus machen kann. Der Auslöser für sein Trauma sieht er in einer Kindheitserfahrung begründet, bei der leibhaftig miterleben musste, wie ein abgrundböses Skorpionweibchen ihr Männchen nach dem gemeinsamen Liebesspiel anstandslos verspeiste. Das daraus resultierte Angstgefühl geht bei ihm mittlerweile soweit, dass er befürchtet, Frauen könnten sich infolge ihrer ungebremsten Selbstbestimmung zukünftig zum Zwecke der Fortpflanzung selbst befruchten, was wiederum seiner Ansicht nach das männliche Geschlecht endgültig überflüssig machen würde. Und genau aus diesem Grund lädt sein Rollencharakter Dr. Sayer fremde Frauen in sein Wochenendhaus ein, um diese in entspannter Atmosphäre zu erniedrigen, ihnen seine männliche Überlegenheit zu demonstrieren und sie schließlich auf dem Höhepunkt seines sexuellen Empfindens kurzerhand ableben zu lassen. Ein Fest für antifeministische Männergruppen, die aber spätestens in der zweiten Filmhälfte vollkommen verzweifeln dürften, denn die bis dahin malträtierte Dagmar Lassander besinnt sich plötzlich auf eine der effektivsten Fertigkeiten der Weiblichkeit - die weibliche List.



"Sie sind ein attraktiver, reicher und intelligenter Mann. Sie könnten jede Frau haben, die Sie möchten. Wenn Sie ihnen ein wenig den Hof machen, könnten Sie hunderte erobern. Dann würden Sie ihren Spaß daran finden, sie schmachten zu lassen. Sie leiden und weinen zu lassen und sie vielleicht in den Selbstmord zu führen. Glauben Sie mir, Sie brauchen nicht zu quälen und zu töten um ihre sadistischen Gelüste zu befriedigen. Es gibt ebenso amüsante erotische Techniken, die aber weitaus weniger riskant sind."


Dabei gelingt es ihr nicht nur das verzerrte Selbstbild des selbsternannten Adonis ins Wanken zu bringen, sondern fördert auch dessen Erbärmlichkeit zu Tage, was ihn wiederum wie ein armes Würstchen wirken lässt. In der ersten Filmhälfte hingegen, rutscht sie zunächst unfreiwillig in die Opferrolle, wobei sie allerlei Erniedrigungen über sich ergehen lassen muss: Maria wird mehrmals gefesselt, kalt geduscht, bekommt den Kopf geschoren, muss ihrem erbärmlichen Marquis De Sade-Verschnitt erotische Fußreflexzonenmassagen verpassen, den Befehl zum Liebesspiel mit einer des Doktors ebenbildähnlichen Gummipuppe ausführen oder für diesen nur in Leinen gehüllt eine heiße Sohle aufs Parkett legen. Die heiße Tanzeinlage, in der Dagmar Lassander besonders reizvoll durchs Wohnzimmer tänzelt, stellt für mich einen der vielen betörenden Höhepunkte des Films dar. Ebenfalls unvergessen bleibt das gemeinsame Orgelspiel, bei dem mir die beiden vorgetragen Musikstücke seit dem ersten Hören nicht mehr aus dem Ohr gehen.

Somit wären wir auch schon bei der Filmmusik angekommen, für die sich kein geringerer als Stelvio Cipriani verantwortlich zeigte. Dabei handelt es sich sowohl um mit das Feinste, was italienische Filmmusikschmieden in den 60ern veröffentlichten als auch eins der meist gehörten Alben aus meiner heimischen Soundtracksammlung.


Fazit: Ein visuelles Spektakel der besonderen Art, das nicht nur mit einer ordentlichen Prise Zeitgeist der 60er und einer intelligenten, aber auch zugleich bitterbösen Humornote angereichert wurde, sondern aufgrund seiner profeministischen Handlung auch damals schon seiner Zeit bereits weit voraus war.


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"Die Nebennierendrüsen schütten in erhöhtem Maße Adrenalin aus. Das Adrenalin zieht die Blutgefäße zusammen und erschwert den Blutkreislauf. Und es erzeugt die Blässe im Gesicht. Gleichzeitig erhöht es den Blutdruck und den Herzrhythmus. Das Herz erhöht die Schlagfrequenz und es scheint als ob Dir ein Loch in den Magen gegraben würde. Die Schweißdrüsen erhöhen die Sekretion und die Hände werden von einem kalten Schweiß durchnässt. Die Speicheldrüsen hingegen versteifen sich. Du bekommst einen trockenen Mund und einen ausgetrockneten und brennenden Hals. Die Zunge klebt am Gaumen und Du nimmst einen herben Erdgeschmack wahr. Deine Individualität existiert nun nicht mehr. Du bist bereit, blind zu gehorchen."







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Open Credits


Trailer:




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(Kernsanierter Beitrag aus dem alten Forum: 16.11.2014)