
Mania (IT)
IT 1974
R: Renato Polselli
D: Isarco Ravaioli, Eva Spadaro, Brad Euston, Mirella Rossi, Ivana Giordan und Max Dorian

Italienische Kinopremiere: 25.08.1974
Italienische Wiederaufführung: 02.05.2007
(im Rahmen einer Renato Polselli Retrospektive)
Score: Umberto Cannone
Interview mit Renato Polselli
Italo-Cinema.de
OFDb










"Wenn die dunklen Schatten der Nacht unsere Vision der Welt verdecken, erst dann wird der geheimnisvolle Abgrund des Unterbewusstseins die unkontrollierbaren Kräfte des Unbewussten entfesseln und niemand wird wissen, wo die Realität endet."
Nach dem Tod ihres Ehemannes Professor Dr. Brecht (Brad Euston) wird die junge Witwe Lisa (Eva Spadaro) immer häufiger von heftigen Wahnvorstellungen heimgesucht, da sie sich die alleinige Schuld am Tod des eigentümlichen Wissenschaftlers zuschreibt. Der ausschlaggebende Grund für das verfrühte Ableben Brechts war im lotterhaften Lebenswandel Lisas verhaftet, da diese den Professor mit dessen Bruder Germano (Brad Euston) eiskalt hinterging. Was folgte war ein brüderlicher Zwist, infolgedessen Professor Dr. Brecht in seinem privaten Kellerlabor tödlich verunglückte. Und als Lisa dann auch noch eines schönen Tages Opfer eines unausweichlichen Nervenzusammenbruchs wird, kehrt sie gemeinsam mit ihrer treuen Haushälterin Katia (Ivana Giordan) an den Ort des grausamen Geschehens zurück, um auf Anraten ihres Psychiaters Dr. Lous (Max Dorian) eine gnadenlose Konfrontationstherapie in der Villa ihres verstorbenen Mannes durchzuführen, in welcher aber auch weiterhin der mittlerweile im Rollstuhl sitzende Germano mit seiner Lustsklavin Erina (Mirella Rossi) residiert. Und bereits nach kürzester Zeit sieht und hört die geistesverwirrte Lisa in jeder Ecke des Hauses den Geist ihres verstorbenen Ehemanns, der ihr augenscheinlich aus dem Jenseits heraus nach dem Leben trachten möchte. Arme Lisa, denn mit fortschreitender Aufenthaltsdauer in der unheilvollen Villa scheint sie immer tiefer in den Wahnsinn abzudriften...
Bei MANIA handelt es sich um einen sagenumwobenen Horror-Giallo des wahnwitzigen Regiekünstlers Renato Polselli, der seit seiner Urauführung im August 1974 für mehr als dreißig Jahre lang als verschollen galt, denn erst im Jahre 2007 konnte in den weitläufigen Kellerarchiven der Cineteca Nazionale erstmals eine vorzeigbare 35mm Fassung wiederaufgefunden werden. Leider war es zu diesem Zeitpunkt für Polselli schon viel zu spät, da er bereits im Herbst des Vorjahres verstarb. Verschiedenen Interviews zufolge war der leidenschaftliche Filmemacher niemals in den Genuss seiner exzessiven Inszenierung gekommen, da MANIA im Jahre 1974 nicht nur zensurbedingt begrenzt in Umlauf gebracht wurde, sondern sich danach auch im Besitz des Hauptdarstellers Brad Euston befunden haben soll, welcher das gute Stück dann einfach nicht mehr herausrückte. Diversen Berichten zufolge soll sich Euston nicht nur seine Schauspielrolle(n) eingekauft, sondern damit einhergehend auch noch den Großteil der Produktionskosten übernommen haben.
Gemeinsam mit seinem angestammten Kameramann Ugo Brunelli und seinen beiden illustren Regieassistenten Bruno Vanni und Claudio Fragasso verhalf Polselli diesem cineastischen Irrsinn auf die Beine, der inhaltlich ein wenig seinem vorausgegangenen LUSTHAUS TEUFLISCHER BEGIERDEN ähnelt, denn auch in MANIA wird eine hysterische Hauptprotagonistin innerhalb einer bekannt wirkenden Villa gnadenlos in den Wahnsinn getrieben. Bei der besagten Villa handelt es sich in diesem Fall ausnahmsweise mal nicht um das Eigenheim des mitwirkenden Schauspielers Isarco Ravaioli, das dieser Polselli bereits für DAS LUSTHAUS TEUFLISCHER BEGIERDEN, RIVELAZIONI DI UNO PSICHIATRA SUL MONDO PERVERSO DEL SESSO sowie QUANDO L’AMORE E’ OSCENITA’ zur Verfügung stellte, sondern um die aus DAS GRAUEN KOMMT NACHTS bekannte Lyutak-Villa, in der neben MANIA auch teilweise BLACK MAGIC RITES (THE REINCARNATION OF ISABEL) abgedreht wurde. (die dazugehörigen Bildvergleiche folgen in den nächsten Tagen)










Neben den grotesken Fantasien des wundersamen Regisseurs beinhaltet MANIA aber auch erstklassige Gothikmomente, die wiederum für eine sowohl bedrohliche als auch unheilvolle Stimmung sorgen. Und wie so oft bei den Filmen aus der sensationellen 'Ralph Brown-Phase' wird auch MANIA ausschließlich von exzentrischen Rollencharakteren dominiert, denen sowohl der endlose Schrecken als auch die nackte Panik in den permanent weit aufgerissenen Augen geschrieben steht.
Darüber hinaus gibt es natürlich auch noch weitere polsellitypischen Skurrilitäten zu bestaunen, wie beispielsweise ominöse Fußspuren, die mit schwarzer Farbe dick auf den Boden aufgetragen wurden und plötzlich nicht mehr da sind, geisterähnliche Erscheinungen des zombifizierten Professors, eine wurmdurchdrungene Leichenpuppe, welche in aller Ruhe dahinmumifiziert, ein fahrerloser Wagen, der wie aus dem Nichts erscheint, bizarre Geistererscheinungen, ein kuscheliges Kellerlabor, welches im feinsten 60er Jahre Sci-Fi-Chic erstrahlt, eine kuriose Schrottpresse, die augenscheinlich von dem perfiden Zwillingsbruder in mühsamer Kleinstarbeit zusammengeschustert wurde, feinmaschige Fangnetze, die urplötzlich von der Decke fallen, ein Haufen aalglatter Vipern, die unsere Hauptprotagonistin gnadenlos attackieren oder handelsübliche Telefone, die aus heiterem Himmel unter Strom stehen. Nur hinsichtlich der brownschen Sleazemomente scheint die aufgefundene 35mm Kopie ein paar Federn gelassen zu haben, da einige der expliziten Szenen augenscheinlich schon vor dem ursprünglichen Kinostart entfernt wurden. Indizien hierfür lassen sich in der Cinesex Ausgabe vom November 1973 finden, da zahlreiche der darin veröffentlichten Szenen (glasflaschengestützte Masturbation, ungezügelter Lesbianismus und wundersamer Sadismus) in der vorliegenden Fassung letztendlich nicht mehr enthalten sind.
Die Beteiligten Darsteller agieren hierbei mit einer gewohnt hohen Hingabe und Inbrunst, so dass sie der Leidenschaft des poetischen Filmemachers in fast nichts mehr nachstehen. An vorderster Front spielt sich eine völlig unbekannte Darstellerin namens Eva Spadaro in der Rolle der mental retardiert wirkenden Lisa um Kopf und Kragen, wobei dieser Auftritt ihr einziger Ausflug ins Schauspielgewerbe darstellte. Isarco Ravaioli darf dieses mal den ehemaligen Assistenten des verstorbenen Professors mimen, wobei sein darzustellender Rollencharakter Dr. Lailo einen Dickschädel hart wie Stahl zu haben scheint, denn einen Isarco Ravaioli setzt so schnell nichts außer Gefecht. Dann wäre da auch noch die aus CASA DELL'AMORE... LA POLIZIA INTERVIENE, RIVELAZIONI DI UNO PSICHIATRA SUL MONDO PERVERSO DEL SESSO und QUANDO L’AMORE E’ OSCENITA’ bekannte Darstellerin Mirella Rossi, welche im vorliegenden Fall die verstummte Assistenzkraft des Professors spielt. Dabei wird ihr das gleiche Schicksal zuteil, wie es einer Dame aus DAS GRAUEN KOMMT NACHTS (US FASSUNG!) widerfuhr, denn auch sie wird ein Opfer einer plastiktütengestützten Erstickungsattacke, infolgedessen sie nicht nur verstummt, sondern auch noch vollmundig eine gehörige Menge des kunstblutroten Lebenssafts lassen muss. Weiterhin wird die gequälte Seele von dem tobsüchtigen Hausherr Germano zu dessen persönlicher Foltermagd degradiert, die er dann nicht nur ständig mit seinem orthopädischen Hilfsmittel aufs Übelste malträtiert, sondern auch noch unter der Zuhilfenahme einer absonderlichen Folterzange sexuell missbraucht. Neben dem bereits zuvor erwähnten Brad Euston, der übrigens auch schon in QUANDO L’AMORE E’ OSCENITA’ mitwirkte, geben sich mit Ivana Giordan und Max Dorian noch zwei weitere Stammschauspieler Polsellis die Ehre, wobei sich die komplette Schauspielkarriere der Erstgenannten auf nur zwei Ralph Brown Filme beschränkt. Und da sich der Komponist Umberto Cannone neben MANIA auch für die musikalischen Untermalungen für RIVELAZIONI DI UNO PSICHIATRA SUL MONDO PERVERSO DEL SESSO und QUANDO L’AMORE E’ OSCENITA’ verantwortlich zeigte, kann auch dieser zum vertrauten Stammpersonals des einmaligen Filmemachers gezählt werden.
Fazit: Ein exzessiv psychotisches Filmerleben der höchsten Güteklasse, welches nicht nur berauscht, sondern den geneigten Filmliebhaber verschrobener Filmproduktionen auch noch durchwegs in Staunen versetzt. Wer aber solch wundersam bodensätzigen Kinoproduktionen schon grundsätzlich nicht viel abgewinnen kann, der sollte lieber gleich die Finger von dieser filmischen Wundertüte lassen, denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überstrapaziert MANIA die 'gewöhnlichen' Sehgewohnheiten gehörig.
Eine etwas ausführlichere Filmbesprechung steht wie so oft auf Italo-Cinema.de zur Verfügung















Trailer:
Spoilerhafte Filmzusammenfassung mit Bildauszügen aus der Cinesex Ausgabe 09/1974
(inkl. geschnittener Szenen)
Score:















Polselli über MANIA (ab 6:10 Min.!)
(Beitrag aus dem alten Forum: 27.09.2017)