DIE MÖRDERKLINIK - Elio Scardamaglia

Schwarze Handschuhe, undurchsichtige Typen, verführerische Damen und stylische Kills.
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Prisma
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DIE MÖRDERKLINIK - Elio Scardamaglia

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DIE MÖRDERKLINIK


LA LAMA NEL CORPO / LES NUITS DE L'ÉPOUVANTE / DIE MÖRDERKLINIK / DAS MONSTER AUF SCHLOSS MOORLEY (I|F|1966)
mit William Berger, Françoise Prévost, Mary Young, Barbara Wilson, Philippe Hersent, Germano Longo, Harriet Medin, Massimo Righi und Delfi Mauro
eine Produktion der Ci. Ti. Cinematografica | Leone Film | Orphée Productions | im Alpha Filmverleih
ein Film von Elio Scardamaglia

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»Ich freue mich auf die Erfahrung, die Geliebte eines Mörders zu sein!«


Dr. Robert Vance (William Berger) betreibt eine Heilanstalt, in der Patienten mit angeschlagener psychischer Konstitution betreut werden. Da die Einrichtung sehr abgeschieden liegt, sollen seine Schutzbefohlenen von der vorhandenen Ruhe profitieren, jedoch wird durch diese Voraussetzung auch ein unheimlicher Frauenmörder angelockt, der seine Opfer mit einem Rasiermesser tötet. Doch es scheinen sich noch weitere Geheimnisse in dem alten Gemäuer zu verbergen. Aus dem oberen Stockwerk sind sehr beunruhigende Geräusche zu vernehmen. Als man der Sache auf den Grund gehen will, kommt es zu einer schauerlichen Entdeckung. Derweil mordet das Phantom weiter und in der Klinik scheint es von Verdächtigen nur so zu wimmeln...

Bereits der Vorspann mit seinen nahezu verheißungsvollen Klängen erweist sich nicht nur als atmosphärische Einführung in Elio Scardamaglias Beitrag, sondern der Zuschauer bekommt auch gleichzeitig eine sehr charakteristische Einführung in das bevorstehende Szenario geboten, da es sich um eine karussellartige Führung durch das titelgebende Gemäuer handelt. Die abwechselnd eingeblendeten Lettern, die die beteiligten Darsteller groß ankündigen, stehen sinnbildlich für die bemerkenswerten Leistungen des Ensembles, sodass man sich entspannt und erwartungsvoll zurücklehnen darf. Blitzschnell kommt es zum ersten Mord, der in Verbindung mit der morbiden Atmosphäre für Aufsehen sorgen wird, auch die Konstellationen werden rasch durchleuchtet, damit man nach einer kurzen Einspielphase weiß, mit wem man es zu tun bekommt. Zumindest scheint es so. Dieser schnelle, und ebenso konsequente Einstieg legt die Vermutung nahe, dass man es mit einem erfahrenen Regisseur zu tun hat, jedoch zeigt sich beim Betrachten von Elio Scardamaglia, der eigentlich als Filmproduzent tätig war, dass "Die Mörderklinik" auch gleichzeitig seine komplette Filmografie darstellt. Solche Gegebenheiten kann man zwar skeptisch betrachten, doch hier sollte man nur das Naheliegende tun und sich einfach auf diese Wundertüte der Unterhaltsamkeit konzentrieren. Eine in Schwarz gehüllte Gestalt schleicht im prunkvollen Ambiente, beziehungsweise in einem Set umher, das sehr aufwendig und der Zeit entsprechend originalgetreu simuliert wirkt. Es entstehen sehr spannende Phasen, wenn beispielsweise die Zielscheiben des Mörders um ihr Leben rennen müssen. Generell fällt das gelungene Spiel mit Licht und Schatten auf, die entstehenden Kontraste sorgen für Stimmungen, meistens der unbehaglicheren Art.

Nach einiger Zeit kristallisiert sich deutlich heraus, dass die Regie auf ein gedrosseltes Erzähltempo setzt, zugunsten einer Art Detail-Verliebtheit und dichten Zeichnung der beteiligten Charaktere, so dass die Kulturgäste des Hauses auch hinlänglich vorgestellt werden, um sie im weiteren Verlauf kritisch und empfindlich durchleuchten zu können. Die Marschrichtung, beziehungsweise die allgemein angewandte Strategie wird diesem Beitrag einen nahezu kultivierten Charakter verleihen, das Aufsparen von Effekten und expliziten Gewaltspitzen kommt dem ruhigen Verlauf zugute, da unter diesen Voraussetzungen die Pointen viel klarer und in Reinkultur wirken können. In diesem Zusammenhang soll natürlich ebenfalls erwähnt werden, dass es sich bei Scardamaglias Beitrag um einen atypischen Giallo handelt, dessen Konturen sich mit etlichen anderen Genres verschmelzen, um gedankliche Brücken zu schlagen. Und aus dieser empfundenen Ausgewogenheit schöpft der Verlauf seine Kraft, da es mangels Spektakel viele einladende Alternativen geben wird, die den geneigten Zuschauer fesseln möchten. Die bunte und gefährliche Welt rund ums Sanatorium hat zahlreiche Abhandlungen erfahren, charakteristische bis interessante Beiträge stellen beispielsweise Fernando Di Leos "Das Schloss der blauen Vögel" oder Pierre Chenals "Die Schamlosen" dar, doch eines haben diese, meistens sehr streng ortsgebundenen Bonbons alle gemeinsam: nämlich, dass sie auf der Basis der angeschlagenen Psyche, der trüben Vergangenheit und dunklen Geheimnisse eine Absolution in sich darstellen, um die bizarrsten, abenteuerlichsten und verwirrendsten Blüten zu treiben. Zu diesem Zweck dreht sich das Karussell der angeschlagenen Gemütszustände in hohen Umdrehungen und die Insassen geben im Spektrum von Wahnvorstellungen bis Schizophrenie einige überzeichnete Vorstellungen zum Besten.

So treten immer neue Personen auf, die Verwirrung stiften, viele von ihnen wirken geheimnisvoll und unberechenbar, ja eigentlich agieren die meisten von ihnen so, als seien sie dem Wahnsinn nah, oder als hätte er sie bereits längst eingeholt. In diesem Zusammenhang muss die Besetzungsliste erwähnt werden, die mit vergleichsweise wenigen großen Namen des Geschäfts aufwartet, sogar vielmehr mit Schauspielern, deren Filmografien nicht gerade üppig wirken. Wie dem auch sei, in solchen Fällen muss es eben zu einer gehörigen Portion Überzeugungsarbeit kommen, die hier glücklicherweise nicht ausbleibt. Das Sanatorium wird von keinem geringeren als William Berger, alias Dr. Robert Vance geleitet, alleine seine Präsenz sorgt für die nötigen Momente zwischen Skepsis und Vertrauen. An seiner Seite sieht man Mary Young, die hier in ihrem zweiten und letzten Film zu sehen ist. Sie entfaltet eine vereinnahmende Aura und jongliert dabei mit einem, dem Empfinden nach unüberwindbaren Distanzaufbau. Die Diskussionen über eheliche Rechte und Bürden mit ihrem Mann scheinen alltäglich zu sein. William Berger strahlt seine gewohnte Souveränität aus. Es scheint, als sitze er Probleme einfach aus, im Zweifelsfall kommt es kurzerhand zu naturwissenschaftlichen Betrachtungen. Diese Strategie provoziert Temperament und Emotionen seiner Gattin, die gerne giftig die Krallen ausfährt, sich in schwerwiegende Vorwürfe und Beschuldigungen hüllt. In diesen Situationen macht sich die teilweise präzise Dialogarbeit bezahlt, wenngleich der Film insgesamt durch seine Dialogarmut auffällt, und eher mit der opulenten Bildsprache zu punkten versucht. Durch seine tatkräftigen Darsteller bekommt "Die Mörderklinik" einen interessanten Schliff, vor allem weil sich bekannte und unverbrauchte Gesichter hier die Klinke in die Hand geben und zur Dynamik des Verlaufs beitragen.

In diesem Zusammenhang muss natürlich auch Françoise Prévost als die namhafteste weibliche Darstellerin der Produktion genannt werden, die sich mit William Berger die Funktion der Zugpferde teilt. Die verschlagen wirkende Französin bereichert jede, nach zweifelhaften Charakteren dürstende Geschichte ungemein. Hier wird sie nach der kurzen, aber schmerzvollen Trennung von ihrem Mann von Dr. Vance aufgelesen und wo könnte man sich schneller und nachhaltiger erholen als in seinem Sanatorium? Der neue Kurgast Gisèle lebt sich jedenfalls umgehend ein und damit erst gar keine Langeweile aufkommt, nimmt sie das alte Gemäuer und die Herrschaften des Hauses etwas genauer unter die Lupe, um aus purer Neugierde wenigstens noch Profit schlagen zu können, doch das Temperament der gewohnheitsmäßigen Erpresserin wird schnellstens ausgebremst. Prévost liefert eine beachtliche Leistung ab, genau wie beispielsweise Delfi Mauro, Philippe Hersent und vor allem Barbara Wilson, als umwerfend aussehende Krankenschwester des Etablissements. Der zentrale Punkt für Angst und Verbrechen ist und bleibt die Klinik, die neben den sorgfältig eingeführten Charakteren ein weiteres Geheimnis birgt. In der Anfangsphase des Films kommt es zu ersten Andeutungen in Verbindung mit Zuständen von Insassen, die auf den Zuschauer zunächst wie Wahnvorstellungen wirken. Es existiert eine obere Etage, für die der Zutritt strengstens untersagt ist. Man hört Geräusche, man nimmt Schritte wahr, doch wirken diese Hinweise lediglich wie Einbildungen der Patienten, bis sich der Verdacht bestätigt, dass sich dort ein Monster befindet. Die Karten werden mit jeder kruden Verhaltensweise der Personen neu gemischt, sodass der Verdacht auch mehr oder weniger auf jeden einzelnen gelenkt wird, doch die Hintergründe bleiben über lange Strecken nebulös.

Insgesamt wird das eigentliche Thema nie aus den Augen verloren. Man nimmt beobachtende Blicke wahr, weitere Existenzen steuern auf ein abruptes Ende zu, Leichen kommen, gehen und verschwinden und im Bereich der beunruhigenden Szenen bekommt man ein paar wenige Zero-Effekte geboten, wie beispielsweise das Experimentieren an einem Hamster, oder weitere Morde, bei denen das Blut jedoch nicht gerade in Fontänen sprudeln wird. Die Kamera hält sich dabei an die Gesetze des Ambientes und wirkt zwar interessiert, hinterlässt vielleicht sogar kultivierte Absichten, allerdings kommt es nicht zur exzessiven Experimentierfreudigkeit, da man hauptsächlich auf konventionelle Grusel-Zutaten setzt, die ihre Wirkung über Kontraste und Schattenspiele aufbauen. Das letzte Drittel des Films wird mit der Offenbarung des Monsters eingeleitet. Werden sich also nun die Effekte halsbrecherisch überschlagen? Die Antwort lautet nein, doch das Tempo wird über forcierter, direkter und geschliffener wirkende Dialoge gesteigert, außerdem wird das alte Gemäuer von immer lauteren Schreien durchzogen. Die permanent vorhandene atmosphärische Dichte erweist sich nicht nur als gelungenes Stilmittel, sondern vor allem als adäquates Gegengewicht zum manchmal zu behäbigen Tempo. Beim Thema Spannung kommt man ebenfalls durchgehend auf seine Kosten, da das ständig kursierende nervöse Element eine geheimnisvolle Grundstimmung schürt, außerdem kann man sich auf eine abwechslungsreiche Auflösung mit diskretem Whodunit freuen. "Die Mörderklinik" geht schließlich als Film in die persönliche Filmhistorie ein, der nicht zuletzt wegen seines klaren Aufbaus punktet und insgesamt sorgsam durchdacht wirkt. Zustande gekommen ist schließlich ein mörderischer, beziehungsweise klinischer Spaß, der in den Sphären der landläufig bekannten Gialli als nahezu aristokratisch wirkendes Exemplar in Erinnerung bleiben wird. Top!

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