MADNESS - GLI OCCHI DELLA LUNA - Cesare Rau

Schwarze Handschuhe, undurchsichtige Typen, verführerische Damen und stylische Kills.
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Richie Pistilli
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MADNESS - GLI OCCHI DELLA LUNA - Cesare Rau

Beitrag von Richie Pistilli »

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Madness - Gli occhi della luna (IT)
Madness - (Gli occhi della luna)
Triple Crime Villa Chester (F)


IT 1971

R: Cesare Rau
D: Thomas Hunter, Benjamin Lev, Francesca Romana Coluzzi, Merlene Mayer, Guido Mannari, Pietro Zardini, Fausto Valerio, Wanda Manzionna, Paul Sheriff, Marzia Damon u.a.




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Italienische Erstaufführung: 18.08.1971

Italienische Wiederaufführung: 12.04.2010 (DBCult Film Institute)

Score: Paolo Ormi & Capsicum Red

Italo-Cinema.de

OFDb




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Nachdem drei Insassen einer Nervenheilanstalt den Plan gefasst haben, sich auf eigene Faust aus der wohlbehüteten Verwahranstalt zu entlassen, setzen sie diesen im nächsten Moment auch schon erfolgreich in die Tat um, wobei als treibende Kraft hinter dem riskanten Unterfangen der verurteilte Sexualstraftäter Paolo Lupi (Thomas Hunter) steht. Doch leider hält die traute Dreisamkeit nicht sehr lange an, so dass Paolo bereits nach kürzester Zeit auf sich alleine gestellt ist. Vom wiedergewonnen Gefühl der Freiheit übermannt, verschlimmert sich damit einhergehend auch Paolos Leiden, was wiederum dazu führt, dass ihn seine Triebsteuerung zum nächstgelegenen Straßenstrich führt, wo er sogleich bei einer Prostituierten seinen krankhaften Trieben freien Lauf lässt. Doch leider verläuft sein triebgesteuerter Übergriff nicht wie geplant, da es der Prostituierten im letzten Moment gelingt, sich aus den Fängen des hochpsychotischen Frauenvergehers zu befreien. Was folgt, ist ein nächtlicher Streifzug durch die Straßen einer Ortschaft, bei dem Paolo um halb zwei Nachts auf eine offenherzige Reporterin trifft, die kurz zuvor ihren untreuen Lebenspartner in die Wüste geschickt hat. Nach einer kurzen Kennenlernphase landen die beiden bei ihr zuhause, wo Paolo nicht nur sogleich ein weiteres Mal von seinen krankhaften Trieben übermannt wird, sondern diese auch im vorliegenden Fall bis zur letzten Konsequenz ungehemmt auslebt. Völlig entsetzt über seine grausame Tat setzt Paolo daraufhin seine Flucht vor der bereits nahenden Polizei fort, bis ihn sein Weg zu einem abgelegenen Landhaus führt, das zu seinem Glück unbewohnt zu sein scheint. Doch gerade als er sich im Dachgeschoss einen gemütlichen Schlafplatz eingerichtet hat, treffen plötzlich acht jugendliche Möchtegernsnobs auf dem Anwesen ein, um in dem alten Landhaus ein ausgelassenes Partywochenende zu verbringen. Neben Weib, Wein, Tanz und Gesang steht als Höhepunkt ein kollektiver LSD-Trip auf dem Programm, wozu sich die Partymeute acidgetränkte Zuckerwürfel einfährt. Als dann aber am nächsten Morgen einer der Drogenreisenden ermordet aufgefunden wird, ist plötzlich Polen offen...



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Nachdem MADNESS - GLI OCCHI DELLA LUNA für lange Zeit als verschollen galt, tauchte im Jahr 2007 auf wundersame Weise doch noch eine 35mm Kopie im Archiv der Cineteca di Bologna auf, die irgendwann in abgetaster Form ihren Weg in die dunklen Ecken des Internets fand. Zwar wirkt die aufgefundene Kopie von ihrem Zustand etwas ramponiert, was dem Filmspaß angesichts der Seltenheit dieser filmischen Kuriosität aber keinen Abbruch tut, denn MADNESS - GLI OCCHI DELLA LUNA entpuppt sich als eine sehr außergewöhnliche Filmproduktion, die sich schwer in irgend eine feststehende Genreschublade einordnen lässt. Laut dem Eintrag der Wikipedia begannen die Dreharbeiten, die hauptsächlich in einem Landhaus in der Nähe von Castel Madama (Tivoli) und Cinecittà stattfanden, am 27. Juli 1970 und endeten am 8. Juni 1971, bevor der fertige Film dann am 18. August 1971 im Odeon-Kino in Paola uraufgeführt wurde. Zudem handelt es sich um eine äußerst niedrig budgetierte Filmproduktion, die Anteile des Giallothrillers, des italienischen Polizeifilms und des Rape-and-Revenge-Genres aufweist.


Weiterhin brachte das unerwartete Erscheinen des Films so einige Rätsel mit sich, die auch bis zum heutigen Tag noch nicht so ganz eindeutig geklärt werden konnten. Das erste Rätsel betraf die Urheberschaft des Films, die zwar einem gewissen Cesare Rau zugeschrieben wird, der aber bis dahin lediglich als Regieassistent von Jean Leduc (DER BLONDE TIGER) und Enzo Peri (DREI PISTOLEN GEGEN CESARE) in Erscheinung trat und somit mit MADNESS - GLI OCCHI DELLA LUNA den einzigen abendfüllenden Spielfilm seiner überschaubaren Karriere berwerkstelligt hätte. Naheliegender war zunächst die Vermutung, dass sich der zuständige Produzent Alfredo Lupo auch für die Regie verantwortlich zeigte, da dieser bereits schon mehrfach unter dem Pseudonym Cesare Rau offiziell in Erscheinung trat. Zumindest wurde der Name Cesare Rau im Abspann des Films als Pseudonym für den Filmproduzenten Alfredo Lupo verwendet, der obendrein unter Angabe seines richtigen Namens auch noch als Kamermann fungierte. Diversen Infos zufolge, soll die verwitwete Ehefrau Raus im Jahr 2014 bestätigt haben, dass es sich bei dem Regisseur des Films schließlich doch um ihren Mann, dem Regieassistenten von Leduc und Peri gehandelt haben soll. Germana Di Renzo, so der Name der in Palermo geborenen Publikatorin und ehemaligen Werbetexterin, die neben der Veröffentlichung eines Fotoromans auch für C. Editrici Mondadori, Rizzoli Universo, Cino del Duca und schließlich exklusiv für Lancio schrieb, zeichnete sich zudem als Mitautorin des Drehbuchs zum vorliegenden Film aus. Weiterhin wird vermutet, dass der Schauspieler Benjamin Lev neben dem Produzenten Alfredo Lupo, der sich auch in dieser Funktion mit dem Pseudonym Cesare Rau betiteln ließ, gleichfalls am Drehbuch mitgewirkt haben könnte, da der Darsteller bereits in die Postproduktionsphase miteingebunden war. Zumindest haben all diese ungeklärten Fragen letztendlich dazu geführt, dass dem Film ein gewisser Kultstatus zugeschrieben wurde, den er angesichts der gezeigten Obskuritäten auch zweifelsfrei verdient.


Kommen wir zu den Darstellern dieser kurzweiligen No-Budget-Kuriosität, von denen der westernerprobte Thomas Hunter die Hauptrolle des frauenmordenden Sexual-Maniacs verkörpern darf. Seine Performance kann dabei als sehr durchwachsen beschrieben werden, denn eine überzeugende Darbietung sieht normalerweise etwas anders aus. Immerhin tritt er in einer Szene des Films voll aufs Gas, indem er die spärlich bekleidete Francesca Romana Coluzzi im Rahmen eines psychopathologischen Tobsuchtsanfalls mit einem Messer bewaffnet durchs ganze Landhaus jagt. Außerdem entpuppt sich sein Rollencharakter als ein geisteskranker Puppennarr, da sich diese neben den Reizen lebendiger Frauen für das Triggern seiner Wahnvostellungen verantwortlich zeigen, denen er während des gesamten Handlungsverlaufs auch mehrfach freien Lauf gewährt.



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Die am 20. Mai 1943 in Albanien geborene Schauspielerin und Malerin Francesca Romana Coluzzi Bartoccioni darf in MADNESS - GLI OCCHI DELLA LUNA nicht nur eine der adretten Partygästen spielen, sondern entpuppt sich im weiteren Handlungsverlauf auch noch als Eigentümerin des abgelegenen Landhauses, in dem der kollektive LSD-Trip abgehalten wird. Als Tochter des umbrischen Epidemiologen Alberto Coluzzi und der aus Passau stammenden Pädagogin Anna Wimmer war sie auch zugleich die Schwester von Mario Coluzzi, einem italienischen Biologe und international anerkannten Experte auf dem Gebiet der Epidemiologie von Malaria. Bereits von jüngster Kindheit an soll sich Francesca Romana Coluzzi für Kunst interessiert haben, woraufhin sie als Stuntfrau ihre Karriere in der italienischen Filmindustrie begann. Dabei doubelte sie sowohl Marisa Mall in GEFAHR: DIABOLIK als auch Mylène Demongeot in FANTOMAS 70 sowie Gastone Moschin in 7 GOLDENE MÄNNER in deren gefährlichen Szenen. Nach kleineren Schauspielrollen in den Lucio Fulci-Filmen 002 OPERAZIONE LUNA und I DUE PARA sowie in Franco Montemurros SIEBZEHN JAHR, BLONDES HAAR, bei denen sie namentlich aber meist ungenannt blieb, folgte ein Auftritt in Pietro Germis ADRIANO, DER SCHÜRZENJÄGER, der ihr erstmals eine größere Popularität einbrachte. Trotz dieses beachtlichen Erfolgs im Schauspielfach widmete sich Francesca Romana Coluzzi zunächst der Szenografie, indem sie beispielsweise die Drehkulissen für Giuliano Montaldos AMERICAN ROULETTE, Eriprando Viscontis DIE NONNE VON MONZA, Dino Risis IL PROFETA oder Ettore Scolas RIUSCIRANNO I NOSTRI EROI A RITROVARE L'AMICO MISTERIOSAMENTE SCOMPARSO IN AFRICA? entwarf. 1970 verhalf ihr ihre Schauspielrolle in Piero Chiaras SCHWESTERN TEILEN ALLES nicht nur zu weiterem Ruhm, sondern wurde dafür auch von der Vereinigung italienischer Filmjournalisten mit einem Preis ausgezeichnet. Warum sie nur ein Jahr später im obskuren MADNESS - GLI OCCHI DELLA LUNA landete, bleibt weiterhin ein ungelöstes Rätsel. Zumindest sticht Francesca Romana Coluzzi im vorliegenden Film von allen Darstellern am meisten heraus, zumal sie auch am unbeschreiblichen Finale des Films beteiligt ist, das man nicht nur aufgrund seines abrupteten Tag-Nacht-Wechsels so schnell nicht wieder vergisst: Einer der Anwesenden stirbt in letzter Instanz einen dermaßen grausamen Tod, den man wirklich niemanden wünscht. Zudem spielt sie in der Rolle der Landhausbesitzerin Francesca eine äußerst taffe Frau, der ihrem Peiniger nicht nur beherzt ins Schulterblatt beißt, sondern danach auch noch ordentlich die Klöten breit tritt. Und eine haarige Überraschung hält Frau Coluzzi obendrein auch noch bereit.


Der dritte mehr oder minder bekannte Schauspieler hört auf den Namen und dürfte Genrefilmliebhabern bereits aus Filmen wie beispielsweise BRUTALE STADT, BLACKMAIL, EYE IN THE LABYRINTH oder BEWAFFNET UND GEFÄHRLICH bekannt sein. Als einer der versnobten Partygäste lässt er bei Frauen nicht anbrennen, denn obwohl er sich augenscheinlich in fester Beziehung befindet, flirtet er ungeachtet dessen mit der blondgeschopften Evelyn, einer im Nachtclub aufgegabelten Ausländerin, die kein einziges Wort italienisch spricht. Trotz der Verständigungsprobleme scheint sich die passionierte Tanzmaus in den Reihen der versnobten Partygängern wohlzufühlen, denn egal wo sie steht oder geht, zeigt sie sich ständig tanzend.


Obwohl sich MADNESS - GLI OCCHI DELLA LUNA von seiner Handlung als recht unspektakulär entpuppt, gelang es dem Regisseur dieser No Budget-Produktion mit den zur Verfügung gestandenen Mitteln eine immerhin solide Inszenierung auf die Beine zu stellen, die sich letztlich auch noch gut anschauen lässt. Alles beginnt in einem ominösen Nachtclub, in dem sich bereits der Großteil des Casts versammelt hat. Als Höhepunkt des Film dürfte neben den letzten 20 Minuten auch zweifelsfrei der kollektive LSD-Trip bezeichnet werden, bei dem die acht anwesenden Partygäste lysergsäurediethylamidhaltige Zuckerwürfel zu sich nehmen. Zwar wurden solche bewusstseinserweiternde Drogenexperimente in zahlreichen anderen Filmen ein wenig interresanter in Szene gesetzt, aber sehenswert ist das drogenindizierte Gelage allemal, bei dem die Anwesenden die komplette Gefühlspalette durchleben. Dabei kamen mir auch zwangsläufig immer wieder Parallelen zu DAS GESCHLECHT DER ENGEL in den Sinn, da die unheilvollen Folgen des halluzinogenen Drogenrausch in beiden Filmen identisch sind. Am obskursten stellen sich aber die sinnbefreiten Szenen zweier gelangweilt wirkender Journalisten heraus, von denen der eine den Namen Franco Piacentini und der andere neben einer trendigen Vollhaarfrisur ein milkalilafarbens Jackett samt einer knallbunten Krawatte trägt. Vermutlich wurden die völlig sinnbefreiten Szenen mit den beiden Journalisten lediglich aufgrund der äußerst dürftigen Lauflänge nachgedreht, denn außer der namentlichen Bekanntmachung der drei flüchtigen Geisteskranken scheinen die beiden Mimen keine weitere Funktion für die weitere Filmhandlung inne zu haben. Und ein asiatisches Hakenkreuz-Lampion steht dann schließlich auch noch in einem der Zimmer des weitläufigen Landhauses herum.


Abschließend sei auch noch auf die grandiose Filmmusik hingewiesen, für die sich in erster Linie Paolo Ormi verantwortlich zeigte. Neben merkwürdig arrangierten Suspense-Klängen verfügt der Film auch über bigbandmäßige Launemacher, die meistens dann zum Einsatz kommen, sobald es von Handlungswegen ein wenig abgeht. Als Verstärkung lud sich Paolo Ormi die Band CAPSICUM RED ins Studio ein, die den Film dann auch sogleich mit der außergewöhnlichen Rocknummer 'She's a stranger' fulminant eröffnen - außergewöhnlich deswegen, weil der rocklastige Song mit einem ohrenbetäubenden Blockflötensolo aufwartet! Der Sänger Red Canzian wechselte übrigens kurz darauf in die Band POOH


Fazit: Ein lysergsäurediethylamidhaltiges Wochenende, das letzten Endes in einen tödlichen Horrotrip umschlägt.



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Score:



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Re: MADNESS - GLI OCCHI DELLA LUNA - Cesare Rau

Beitrag von Richie Pistilli »

Habe soeben auf http://medusafanzine.blogspot.com/ entdeckt, dass von dieser seltenen Filmperle zumindest ein französisches Filmplakat existierte:



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Unklar bleibt, ob unsere französische Nachbarn auch einen offiziellen Kinostart verzeichnen konnten. Weiterhin wird geschrieben, dass auf der Rückseite des Drehbuchs eine kurze Zusammenfassung sowohl in deutscher als auch französischer Sprache abgedruckt wurde.

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