SPUREN AUF DEM MOND - Luigi Bazzoni

Schwarze Handschuhe, undurchsichtige Typen, verführerische Damen und stylische Kills.
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Prisma
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SPUREN AUF DEM MOND - Luigi Bazzoni

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Florinda Bolkan

SPUREN AUF DEM MOND


● LE ORME / SPUREN AUF DEM MOND (I|1975)
mit Peter McEnery, Ida Galli, Nicoletta Elmi, Caterina Boratto, John Karlsen, Rosita Torosh, Miriam Acevedo
Luigi Antonio Guerra, Feridun Çölgeçen, Franco Mango, Esmeralda Ruspoli sowie Klaus Kinski und Lila Kedrova
eine Produktion der Cinemarte
ein Film von Luigi Bazzoni

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»Ich bin noch niemals hier gewesen. Niemals!«


Die Übersetzerin Alice (Florinda Bolkan) wacht eines Morgens auf und beginnt ihren Tag ganz normal mit der Arbeit. Wenig später stellt sich jedoch heraus, dass sie einen Abgabetermin versäumt und sich vor Tagen unentschuldigt vom Arbeitsplatz entfernt hat. Alice ist vollkommen verwirrt, aber es scheinen tatsächlich 72 Stunden aus ihrem Gedächtnis gelöscht zu sein. Das einzige, woran sie sich erinnern kann, ist ein bizarrer Traum über einen zurückgelassenen Mann in einer Raumstation auf dem Mond. Merkwürdige Anhaltspunkte zeigen sich im Tagesverlauf, so auch eine Postkarte eines Hotels auf Garma, wo sie schließlich kurzentschlossen hinreist. Zu ihrer Verwirrung wird sie dort von mehreren ihr unbekannten Personen als eine Frau namens Nicole identifiziert, die angeblich vor mehreren Tagen dort gewesen sei...

»Das Experiment hat begonnen!« Als dieser frühe Satz fällt, hört es sich zunächst so an, als sei er lediglich auf die Handlung und die damit verbundenen Personen in "Spuren auf dem Mond" bezogen. Interessanterweise stellt sich im weiteren Verlauf jedoch heraus, dass es sich um eine ultimative Ankündigung, vielleicht sogar eine regelrechte Kampfansage für den Zuschauer handelt. Luigi Bazzoni macht alles, was zu seinem Film gehört, zum Gegenstand eines Experiments, was sich zweifellos auch auf diejenigen übertragen lässt, die damit beschäftigt sind, diesen komplexen, verwirrenden, aber gleichermaßen hoch interessanten Beitrag zu ordnen. Die Frage nach Ursache und Wirkung dominiert das Geschehen, auch der ständige Impuls, entschlüsseln, verstehen und deuten zu wollen, erweist sich als Basis für dieses so unerhört elegant wirkende Mosaik, dessen Zusammensetzung dem Empfinden nach manchmal fast über die Grenzen des Machbaren hinausgeht. Die zentrale Figur des Geschehens ist die Simultandolmetscherin Alice Cespi, die den Verlauf unausweichlich dominieren wird. Als sie eines Morgens aufwacht, stellt sich nach und nach heraus, dass ihr unerklärlicherweise drei komplette Tage in der Erinnerung fehlen, die plötzlich aus ihrem Gedächtnis gelöscht sind. Vom Eindruck her hat man es mit einer gefasst wirkenden, pragmatisch veranlagten Frau zu tun, doch es werden Personen ihres Umfeldes sein, die andere Facetten reflektieren. Ob Arbeitskollegin, Vorgesetzte oder eine Freundin - das Bild fängt an zu bröckeln. So soll Alice während einer Übersetzung ohne Angabe von Gründen fluchtartig den Arbeitsplatz verlassen haben. Auch ihre eigenen Aussagen zeichnen eine Person mit massiven Versagensängsten, die sich in erster Linie mit ihrer Tätigkeit als Kabinendolmetscherin in Verbindung bringen lässt, die eine hohe physische und psychische Belastung darstellt.

Der Fachterminus Décalage, der aus dem Bereich des Simultandolmetschens stammt, lässt sich spielend auf ihren Alltag und die jetzige Situation übertragen. Gemeint sind die Verschiebungen in ihrer eigenen Realität, die Diskrepanz zwischen Illusion und Wirklichkeit, die Unterschiede in der Eigen- und Fremdwahrnehmung, sowie die Differenzen im Rahmen ihrer mentalen Verfassung. Es fällt schließlich der Begriff »Perfektionsbesessenheit«, der bei dem Blick auf diese Frau möglicherweise einen bevorstehenden Kollaps impliziert. Oder ist es längst schon so weit gewesen? Kippt Alice schlicht und einfach unter den hohen Anforderungen einer unerbittlichen Gesellschaft um? Ist sie möglicherweise ein Opfer ihrer selbst? Die Geschichte verweigert hierzu sämtliche Erklärungen und ein ausladender Verlauf schildert den mühsamen Aufschluss dieser rätselhaften Angelegenheit, der dem Zusammentragen eines Scherbenhaufens gleichkommt. Beim Ordnen der Lage bleibt die Erinnerung an die im Vorspann gezeigten Bilder vom Mond, die so vollkommen konträr zur sich aufbauenden Handlung stehen. Als die Protagonistin im Gespräch mit einer Kollegin selbst die gedankliche Brücke zu diesen Eindrücken und dem Titel von Luigi Bazzonis Film schlägt, wird man hellhörig und ist an jeder kleinsten Information interessiert. Irritiert nimmt man die Erklärungen über einen Film zur Kenntnis, den Alice vor vielen Jahren gesehen hatte und der den Titel "Spuren auf dem Mond" trug. Dieser soll nach eigenen Angaben so strapaziös und beängstigend gewesen sein, dass sie ihn seinerzeit nicht durchstehen konnte, doch mittlerweile sind diese Bruchstücke der Erinnerung wieder Gegenstand ihrer Träume. Für den Moment sind die außerirdischen Szenen damit zwar noch nicht erklärt, aber zumindest gerechtfertigt und es baut sich eine massive Getriebenheit von Alice auf, die die aufklärende Funktion selbst in die Hand nehmen wird.

Das Szenario geht ein interessantes Wechselspiel mit Florinda Bolkan ein. Einerseits dominiert die Brasilianerin das Geschehen sehr intensiv, um im Wechsel jedoch von den Rahmenbedingungen dominiert zu werden. Diese Maßnahme erweist sich immer mehr als treibende Kraft, denn Zweifel werden geschürt, um sie unmittelbar im Anschluss wieder zu verwerfen, bis sie in mehrfacher Potenz wieder auftauchen können. Dem Zuschauer ist unklar, ob man den Augen von Alice trauen kann, ob man ihre Gedanken und Recherchen für bare Münze nehmen sollte, ob sie Opfer eines doppelten Spiels wurde, oder ob sie einfach nur Schimären nachjagt. Je konsequenter die verwirrenden Elemente aufgebäumt werden, desto fraglicher wird die Plausibilität des Ganzen. Betrachtet man die Mitte 30jährige Frau, liegt der Verdacht nahe, dass es sich um Folgen ihres unzumutbaren Lebenswandels handelt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es sich um einen klassischen Fall eines ausschweifenden Lebens handelt; eher das Gegenteil ist der Fall. Die Aufopferung für den Beruf brennt die ohnehin angeschlagene Frau aus. Kontakte, Gespräche und Alltag scheinen ausschließlich nur noch mit der Arbeit zu tun zu haben. Schlafstörungen und Erschöpfungszustände lassen Tablettenkonsum folgen, der allerdings nur darauf angelegt ist, die temporären Symptome zu kaschieren. Alice ist einsam und wirkt dementsprechend isoliert. In jeder Szene, in der sie vor einem Spiegel steht, kommt es zu deutlichen Gewissheiten. Sie schaut sich nicht an, sondern sieht durch sich durch und nicht das, was mit ihr passiert. Immer wieder schießen die Fragmente ihres Alptraums ein, die eine Art Kontrollzentrum und die mysteriösen Szenen vom Mond zeigen. Nach dieser auffällig intensiven Vorstellung der Hauptperson werden weitere Schritte von der Regie eingeleitet, die die Geschichte beinahe behutsam vorantreiben.

Eher beiläufig tauchen mehrere Indizien für die Eigenartigkeit der Situation auf, die allerdings nur aufgrund der Verwunderung von Alice ins Gewicht fallen. Ein verschwundener Ohrring, die zerrissene Postkarte eines Hotels, ein nicht zu identifizierendes gelbes Kleid mit Blutflecken darauf oder anonyme Anrufe, bis hin zu der unerklärlichen Tatsache, dass sie das Datum nicht weiß und ihr ganz offensichtlich 72 Stunden im Gedächtnis fehlen. Ein oberflächlicher Blick durch Alices Wohnung zeigt, dass sie offenbar recht gut situiert ist, dass es ihr materiell an nichts zu fehlen scheint. Dennoch wirkt die mittlerweile beunruhigte Frau unglücklich und mental ausgebrannt. Florinda Bolkan hat in Luigi Bazzonis Film sozusagen die darstellerischen Hoheitsrechte, denn keine Rolle kann ihr vom Umfang, aber auch von der präzisen Zeichnung her das Wasser reichen. Sie verbindet eine eigenartige Ruhe mit verborgener Hysterie, die ihre greifbaren Spitzen immer nur in Momenten der absoluten Verwirrung oder Verzweiflung erfährt. Ihr subtiles, abwartendes, beinahe hinhaltendes Schauspiel tut höchsten Ansprüchen Genüge, eben genau denjenigen, die der Film sich offenbar selbst gesetzt hat. Bolkan gewährt wenige Momente der Transparenz. Obwohl man als Zuschauer ihre zeitlich sehr begrenzte Amnesie teilen muss, fällt es aufgrund des hohen Distanzaufbaus ihrerseits entsprechend schwer, sich mit dieser Dame zu solidarisieren, auch wenn man in vielerlei Hinsicht dazu gezwungen wird. Florinda Bolkans hochklassige Leistung veredelt den Film in einer Weise, die absolut notwendig für das Funktionieren dieser Geschichte ist. Man folgt ihr zwar, aber nur unter Vorbehalten, man möchte ihr glauben, doch es ist kaum zu ignorieren, dass diffuse Zweifel an ihrer dramaturgischen Integrität bestehen. Eine hoch komplexe Anlegung der Rolle und die hervorragende Lösung dieser schwierigen Anforderung lassen einen jedoch buchstäblich den Hut vor ihr ziehen.

Da immer mehr Bruchstücke der Erinnerung auftauchen, begibt sich Alice auf eine Reise nach Garma und dies geschieht mit einer Zielstrebigkeit, die etwa vergleichbar mit der Anziehungskraft des Erdtrabanten auf Mondsüchtige ist. Dem Zuschauer und der Protagonistin ist klar, dass es sich um keinen Erholungsurlaub handeln wird. Zur allgemeinen Verwunderung scheint man die Frau dort tatsächlich zu kennen, doch eigenartigerweise wird sie von allen als Nicole identifiziert. Der Startschuss ist gegeben; immer mehr Bruchstücke der Erinnerung kehren zurück und die Aufarbeitung des unbekannten Elements, das auch gleichzeitig für Unbehagen, Gefahr und Angst steht, nimmt unberechenbare Züge an. Alices Albtraum reist in Form des Prototypen für beängstigende Eindrücke in persona von Klaus Kinski als Professor Blackmann mit, der die Intensität seines Auftritts im Rahmen kurzer Szenen bis ins Unerträgliche bündeln kann. Diese einschießenden Bilder in Schwarzweiß zeigen das Phantom mit Gesicht in demonstrativer Bedrohlichkeit. Er gibt stakkatoartige Anweisungen und Kinski delegiert ein im Dunkeln liegendes Element äußerst eindringlich, sodass ein großartiger Gesamteindruck zurückbleibt und er folglich permanent wie ein stahlblauer Schatten über der Protagonistin schwebt. Ohnehin tauchen fast ausschließlich Charaktere auf, deren Verhalten und Beweggründe nicht zu ordnen sind. Die Hauptattraktion in diesem Zusammenhang ist Kinderstar Nicoletta Elmi, deren Aura in gewissen Szenen kaum zu ertragen ist. Auch sie spricht Alice mit dem Namen Nicole an und behauptet, dass sie bereits vor Tagen vor Ort gewesen sei, wie es etliche andere Personen übrigens auch tun. Dem Mädchen wird allerdings nachgesagt, dass sie eine Neigung für Fantasiegeschichten habe, was die Verwirrung wie eine Platte wirken lässt, die einen Sprung hat, da sie immer und immer wiederkehrt.

Auf Alice bezogen, baut sich dem Empfinden nach eine Doppelrolle auf, die allerdings jeweils keine wirkliche Identität herzugeben weiß. Zusätzlich wird eine Art Plausibilitätsprinzip permanent hergestellt, um es im selben Moment wieder zu unterwandern. Dieses Hin und her wirkt überaus zermürbend und stellt den Optimismus auf eine harte Probe, denn ein Zweifel wird ausgeräumt, damit der nächste wie ein giftiger Pilz aus dem Boden schießen kann. Die Geschichte beschäftigt den Zuschauer mit einer strapaziösen Mehrfachanforderung, die ihn im übertragenen Sinne mit Alice auf eine Stufe stellt. Auch sie ist momentan, aber vor allem angesichts der hohen Erwartungen ihres Berufs, permanent mit einer Vielzahl an unterschiedlichen und schnell hintereinander einschießenden Reizen konfrontiert, die ab einem gewissen Zeitpunkt in keine Struktur mehr zu bringen sind. Vollkommen konträr dazu steht jedoch die Inszenierung, die trotz allem linear, geordnet und strukturiert wirkt. Zudem irritiert sie mit einer unerklärlichen Ruhe, die dem Gesamtbild kaum entsprechen möchte. Versehen mit vielen, im Verborgenen liegenden Botschaften, bietet Luigi Bazzoni insgesamt Kognitionskino auf allerhöchstem Niveau an. Ein gutes, aber auch eines der vielen Beispiele ist das Bild eines Pfaus, den man in mehreren Einstellungen auf einem großen Bleiglasfenster zu sehen bekommt. Aufgrund der Symbolik Unsterblichkeit und Stolz, wartet man in diesem Setting förmlich auf des Rätsels Lösung oder sogar auf einen Showdown, der jedoch in weiser Voraussicht in erschreckender Fa­çon bis zum beeindruckenden Finale aufgespart wurde. "Spuren auf dem Mond" präsentiert sich insgesamt als formvollendetes Gesamtpaket, bei dem höchstens seine zu ausladende Strategie zu bemängeln wäre. Einen solch minutiös geplanten und durchgeführten Aufbau bekommt man sicherlich nicht alle Tage zu sehen.

Im Szenario kann es effektiv oder eher naturgemäß niemand anderen geben als Florinda Bolkan. Dennoch runden sehr gelungene Auftritte von Peter McEnery, mit dem man gleichermaßen Rätsel und Lösungen erleben wird; Ida Galli, die entsprechend ihres reservierten Profils agiert und Lila Kedrova in einer darstellerischen und hoch wirkungsvollen Präzisionsleistung, das Geschehen bemerkenswert professionell ab. Zwischen all dem sich aufbäumenden, leisen Chaos, schmeichelt die Kamera mit unheimlich schönen Bildkompositionen, stilechten Schauplätzen, begleitenden Details und hochwertigen Sets, die im Ganzen eine beeindruckende Eleganz verleihen. In diesem Zusammenhang fällt die besondere Struktur des Gezeigten auf, die sich auch durch hartnäckige Antagonisten wie beispielsweise psychologische Unruhe, den Rand der Verzweiflung oder getriebene Hektik nicht aufheben lässt. Bei Luigi Bazzonis "Spuren auf dem Mond" bleiben erlesene Eindrücke zurück, die den Zuschauer beschäftigen, in ihm nachwirken und ihn fordern, aber auch die Frage nach der eigentlichen Botschaft. Der Verlauf offeriert eine Vielzahl von Interpretationsmöglichkeiten, die das breite Spektrum der menschlichen Psyche hergibt. Traum und Trauma, Wahn und Realität, Sehnsucht und Abwehrmechanismen, Ursache und Wirkung, Beklemmung und Befreiung; die Liste ist lang. Da der Film sich auf alternativ angelegten und eher ungewöhnlichen Ebenen anbietet und so gut wie ganz auf zeitgemäßes Spektakel oder plakative Inhalte verzichtet, ist es wahrscheinlich, dass die über weite Strecken ruhige Gangart nicht jeden begeistern dürfte. Das Geheimnis des Erfolges liegt jedoch genau in dieser himmelschreienden Ruhe, unruhig machenden Diskretion und hinauszögernden Strategie. Alles in Allem konnte "Le orme" einen exzellenten Eindruck hinterlassen; nicht zuletzt, weil ein Mysterium aufrecht erhalten wird.



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Prisma
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Re: SPUREN AUF DEM MOND - Luigi Bazzoni

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● IDA GALLI als MARY in
SPUREN AUF DEM MOND (I|1975)



Für Ida Galli stellt das Produktionsjahr 1975 quasi die letzte gut beschäftigte Saison dar, bevor sie sich bereits drei Jahre später für etwa zehn Jahre aus dem Filmgeschäft zurückziehen sollte. Da es in "Spuren auf dem Mond" bezüglich Anlegung, Screentime und Tiefe der Rolle keine relevanten Darstellerinnen neben Florinda Bolkan zu geben scheint, fällt auch Ida Gallis Auftritt sehr knapp aus, sodass sie lediglich zu Beginn des Films in einer einzigen, etwa fünfminütigen Sequenz, zu sehen ist. Solche Auftritte mit einer unterstützenden Funktion, die hauptsächlich den Sinn haben, einen zusätzlichen, aber vor allem bekannten Namen zu präsentieren und der Hauptrolle beizuarbeiten, sind immer gerne gesehen, da sie primär für Abwechslung und Wiedersehensfreude sorgen können. »Na endlich! Warum hast du nicht eher von dir hören lassen?«, erwidert Mary, als sie von Alice nach mehreren Tagen der beunruhigenden Totenstille um sie herum angerufen wird. Die beiden Freundinnen treffen sich zu einem Gespräch, um das Blackout der Protagonistin zu besprechen. Schnell wird durch die eher kühle Erscheinung von Mary klar, dass die Beschreibungen Bekannte oder Arbeitskolleginnen die Konstellation vielleicht besser trifft, denn das zwar zuhörende und befragende Gegenüber wirkt pragmatisch und beinahe analytisch, bis eine merkwürdige Kopplung aus Anteilnahme, Neugierde, Oberflächlichkeit und schließlich Resignation entsteht. Im freundschaftlichen oder zwischenmenschlichen Sinn entstehen aufgrund von Ida Gallis berüchtigter Reserviertheit und dieser bemerkenswerten Temperamentlosigkeit keine empathischen Momente, und sie fungiert beinahe ausschließlich als Stichwortgeberin. Die Suche nach der völlig verloren gegangenen Zeit verläuft schließlich ergebnislos, um in eine kurze Phase des Alltags dieser Konstellation zu münden. »Das kommt von deinen Schlaftabletten!« Das Gespräch nimmt im Rahmen mahnender Kommentare eine offenkundige Wendung und trotz verständnisvoller Worte ebnen versteckte Vorwürfe den weiteren Weg.

Ida Gallis vollkommen funktionalisierte Rolle wirkt in aller Kürze in das früh angedeutete und vielmehr mysteriöse Element der Geschichte hinein. Man kann sicherlich nicht von großartiger Relevanz sprechen, denn dafür wird diese Phase zu schnell und ökonomisch abgehandelt. Allerdings lässt sich dennoch eine gewisse Tatkraft bescheinigen. Resigniert und kühl kontert Mary mit versteckten Vorhaltungen, die als gut gemeinte Ratschläge getarnt sind. Angesichts der fehlenden zwei Tage und Nächte erklärt sie die eigenartige Situation schließlich mit einem irrationalen Bedürfnis nach Ruhe, und dass der Wille dagegen machtlos sei. Außerdem weist sie auf die Besessenheit nach Perfektion ihrer Bekannten hin und dass sie so nicht aus ihrer Einsamkeit herauskommen werde. Diese beiläufigen Andeutungen zeigen erkennbar auf, dass es diese Art Gespräch schon häufiger gegeben haben muss und dass Alices Lebenswandel dabei scharf und nachhaltig kritisiert wurde, was Marys prüfende und mit Vorwürfen gespickte Blicke andeuten. Der Abschied ist kurz, schmerzlos und oberflächlich. Man sollte öfter zusammen zum Essen gehen, ihr Junge habe jetzt auch bessere Zensuren, bis dann. Während Mary weggeht, ruft Alice ihr ihren Namen nach und dem Zuschauer ist so, als ob noch etwas ganz Wichtiges gesagt werden sollte, gleichzeitig aber die Konstellation Freundschaft oder Bekanntschaft charakterisiert. Ida Galli ist der charakterlichen Bedeutung entsprechend zurecht gemacht: Unauffällig-elegant und mit großer Brille versehen, zeichnet sie ein in der Gesellschaft funktionierendes Wesen. Besondere Akzente vermag die Italienerin eigentlich nicht zu setzen, dafür scheint diese Rolle zu klein und unwichtig integriert worden zu sein, jedoch ist Galli als kleines Puzzlestück in einer breit angelegten Assoziationskette zu betrachten, da die Hauptperson unter anderem durch sie reflektiert wird. Da Wiedersehen ja bekanntlich Freude macht, kann der Auftritt - der auch unter strenger Verkleidung apart wirkenden Ida Galli - als netter Bonus ohne weitere Raffinessen gewertet werden.



Kent
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Re: SPUREN AUF DEM MOND - Luigi Bazzoni

Beitrag von Kent »

Spuren auf dem Mond ist m.M. nach ein wunderbarer italienischer Film. Ganz hervorragend ist die Optik des Films. Florina muss zu dieser Zeit noch die Freundin von Helmut Berger gewesen sein.
Wenn ihr mal darauf achtet, seht ihr, dass ihre Wohnung voller interessanter italienischer Industriedesigns der damaligen Zeit ist. Die tollen Chromregale, die als Raumteiler wirken, das weiße Telefon, der Glasschreibtisch mit dem Kalender etc etc. Das ist schon alles sehr gut gemacht und sieht hervorragend aus.

Der Hexer
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Re: SPUREN AUF DEM MOND - Luigi Bazzoni

Beitrag von Der Hexer »

Meines Wissens war Florinda Bolkan zu der Zeit bereits mit ihrer Lebensgefährtin Marina Cicogna zusammen.

Kent
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Re: SPUREN AUF DEM MOND - Luigi Bazzoni

Beitrag von Kent »

Oh je,
nicht, dass ich hier Quatsch erzähle :o :shock:

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