Polizia selvaggia (IT)
Gizli kuvvet (TÜR)
Cani (TÜR - Wiederaufführungstitel)
The Girlfriend
IT 1977
R: Guido Zurli
D: Piero Fabiani, George Ardisson, Tarik Akan, Karin Well, Edilio Kim, Colette Descombes, Ihsan Gedik, Nevzat Okçugil, Yonca Yücel...
Score: Gino Peguri
Italo-Cinema.de
OFDb
Ahmet Tarapiya (Piero Fabiani) ist ein größenwahnhafter Kleinkrimineller, der von seinem armseligen Dasein in der Weltmetropole am Bosporus die Schnauze gestrichen voll hat. Als er eines schönen Tages einen Geschäftsmann mit einem interessant scheinenden Aktenkoffer auf offener Straße erspäht, streckt er diesen kurzerhand tödlich nieder, erbeutet das Objekt der Begierde und macht sich mit dessen Wagen auf die Flucht vor der bereits nahenden Polizei; denn wie es der Zufall so wollte, befanden sich Kommissar Murat (Tarik Akan) und sein Partner Ekrem (Oktar Durukan?) ausgerechnet zum Zeitpunkt des Geschehens in unmittelbarer Nähe des Tatorts. Doch leider endet der Versuch Ahmet an seiner Flucht zu hindern für Kommissar Ekrem tödlich, was Murath wiederum nur noch wütender macht. Was folgt, ist eine großangelegte Fahndung nach dem flüchtigen Doppelmörder, der sich zwischenzeitlich aber schon wieder seines gestohlenen Fahrzeugs entledigt hat und seine Flucht entsprechend zu Fuß fortsetzt. Dabei widmet er sich auch endlich dem Inhalt des erbeuteten Aktenkoffers, woraufhin es Ahmet völlig die Sprache verschlägt, denn die Beute entpuppt sich als ein millionenschwerer Geldsegen in gebündelten Scheinen. Fassungslos vor Glück organisiert er sich daraufhin das nächste Fluchtfahrzeug, ohne dabei aber zu bemerken, dass auf dem Rücksitz des grünen Renaults ein gerade erst wenige Monate altes Kleinkind vor sich hindöste, welches es von da an erst einmal zu beruhigen gilt. Da aber zwischenzeitlich jegliche Straßen der Region durch polizeiliche Straßensperren blockiert sind, entledigt Ahmet sich in einem nahegelegenen Waldstück nicht nur kurz entschlossen auch dieses Fluchtwagens, sondern auch gleich von dem Kleinkind. Die vorerst letzte Etappe seiner Flucht führt Ahmet zu dem Anwesen des blinden Herrn Osman (Edilio Kim), der gemeinsam mit seiner Tochter (Karin Well) und seiner Nichte (Colette Descombes) ein recht luxuriöses Haus am Rande der Stadt bewohnt. Und was von da an folgt, ist dann echt nicht mehr spaßig....
Diese kleine, feine italienisch-türkische Koproduktion hat es mir auf Anhieb angetan, da sowohl die inszenatorischen Qualitäten als auch der Gesamteindruck weitaus besser als erwartet ausfielen. Der Höhepunkt des Ganzen ist dabei der von Piero Fabiani verkörperte Rollencharakter 'Ahmet Tarapiya', der sich quasi als 'der Berserker vom Bosporus' durchs Leben schlägt. Im Gegensatz zu seinem italienischen Pendant 'Giulio Sacchi' weist Ahmet Tarapiya nicht nur in manchen Situationen so etwas wie menschliche Züge auf, sondern wirkt auch im Großen und Ganzen rührseliger, was seinem Rollencharakter wenigstens ein paar wenige Sympathiepunkte verleiht, die er aber wiederum mit jeder fortschreitenden Filmminute mehr und mehr aufs Spiel setzt. Zu alledem trägt er dann auch noch einen farblich sehr gewagten Strickpullover trägt, dessen rosa-weiß-marineblauen Querstreifen sich farblich ordentlich beißen.
Von seinen Ganovenkumpels gescholten und von der Gesellschaft an den Rand gedrängt gefühlt, gibt es für Ahmet nur einen Ausweg aus dieser Misere: er muss halt einfach nur ein mächtiger Gangsterboss werden! Doch leider fehlen dem kleinkriminellen Ganoven dazu jegliche Voraussetzungen, was ihm aber wiederum nicht bewußt zu sein scheint, denn Ahmet ist sich gewiss: eines Tages wird er es der ganzen Welt zeigen!
Und wie zu erwarten, geht sein Vorhaben schon gleich zu Beginn mächtig in die Hose, denn im Rahmen eines simplen Aktenkofferraubs auf offener Strasse gehen gleich zwei Menschen über die Wupper, wobei einer davon ein Polizeibeamte war. Was folgt ist eine großangelegte Polizeifahndung, die Ahmet wiederum zu einer nervenaufreibenden Flucht zwingt. Dabei eignet er sich nicht nur illegal ein Fluchtfahrzeug an, auf dessen Rücksitz sich dann ein wenige Monate altes Kleinkind befindet, sondern nimmt auch noch -nachdem er sich sowohl von Fluchtwagen und Baby trennte- drei friedvolle Bewohner einer großzügigen Villa in Geiselhaft. Was folgt, ist sowohl ein Belagerungszustand durch die Polizei als auch zahlreiche Erniedrigungen, die die drei entmachteten Bewohner des Hauses von da an über sich ergehen lassen müssen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es sich bei CANI zwar eindeutig um eine der besseren türkisch-italienischen Koproduktionen handelt, die aber im Direktvergleich mit thematisch ähnlichgelagerten Italoproduktionen wie beispielsweise ...ES BEGANN UM MITTERNACHT, DER SCHLITZER, JUNGE MÄDCHEN ZUR LIEBE GEZWUNGEN (VERFLUCHT ZUM TÖTEN) oder eben auch DER BERSERKER doch weitaus weniger drastisch daherkommt. Dies soll jetzt aber keinesfalls bedeuten, dass Ahmets zelebrierte Home Invasion einem abgetakelten Kaffekränzchen gleicht, sondern im Großen und Ganzen die Gürtellinie schon nach unten hin passiert, nur eben nicht ganz so tiefgehend... Und zum Ende hin überrascht der Film dann auch noch mit einer recht gelungenen Pointe, welche Ahmet wiederum fast gänzlich die Luft zum Atmen nimmt.
Unterschiede zwischen der italienischen und türkischen Schnittfassung:
http://lovelockandload.net/index.php/to ... l#msg49487
Übrigens: Es scheint tatsächlich so zu sein, dass 'Porco Mondo-Karin' (Well) in der türkischen Fassung die Tochter des blinden Mannes ('Asuman') und in der italienischen Fassung dessen Ehefrau 'Barbara' spielt. Der blinde Mann -ein ehemaliger Sportschütze, wird übrigens von Edilio Kim dargestellt und hört in der türkischen Fassung als Vater auf den Namen 'Osman' und in der italienischen Fassung als Ehemann auf den Namen 'Gustav'.
Bestätigt wird dieser Sachverhalt beispielsweise in dem Buch 'Italian Crime Filmography, 1968–1980' von Roberto Curti: https://books.google.de/books?id=4VxOAQ ... ia&f=false
Der prägnanteste Unterschied der beiden Fassungen scheint aber in den jeweiligen finalen Szenen zu bestehen, was wiederum kurz vor der bereits verzögerten Leinwandpremiere dafür sorgte, dass Guido Zurli aus Wut über die eigenmächtige Abänderung der Schlussszene seinen Namen für die italienische Fassung in Frank Sanders umänderte. Verantwortlich für den unauthorisierten Nachdreh war übrigens die neue Produktionsfirma 'Sasa Cinematografica', die dann nicht nur zum Ärgernis des Regisseurs den ursprünglich geplanten Titel 'FACCIA DA LADRO' (Gesicht eines Diebes)' kurzerhand in 'POLIZIA SELVAGGIA' (Wilde Polizei) abänderte, sondern für die italienische Fassung auch noch ein neues Ende nachdrehte.
Wie oben bereits verlinkt, wurde die italienischen Fassung nicht nur um die knapp vier minütige Verfolgungsjagd zwischen Murath und Ahmet gebracht, sondern offenbart auch noch ein völlig anderes Ende, welches wiederum dem eigentlich vom Regisseur intendierten um 180° entgegensteht:
!!! Gnadenloser Spoileralarm !!!
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(Beitrag aus dem alten Forum: 18.07.2018)