Die fünfte Kolonne: "Das verräterische Licht" (Deutschland 1966)
mit: Ingrid Andrée, Ullrich Haupt, Gerd Baltus, Sigfrit Steiner, Joachim Rake, Walo Lüönd, Korinna Rahls, Fred Maire, Karin Kernke, Fritz Schmiedel, Klaus Krüger, Harald Baerow, Kurt Bülau, Ludwig Schmid-Wildy, Max Griesser, Arthur Brauss, Günter Becker u.a. | Drehbuch: Hans Maeter und Helmuth Ashley | Regie: Dieter Lemmel
Beate Zöllner ist die Chefsekretärin von Dr. Wessels, dem leitenden Ingenieur bei der "Süddeutschen Turbinenbau", deren Flugzeugwerk auch für die NATO arbeitet. Bei ihrer Einstellung hat sie verschwiegen, dass sie einen Bruder in der DDR hat. Mittlerweile wurde dieser wegen Beihilfe zur Republikflucht verhaftet und sitzt in der Strafvollzugsanstalt Halle an der Saale ein. Da er an TBC leidet, wird er die zehn Jahre Zuchthaus nicht überleben. Beate erhält ein Telegramm, in dem ihr nahegelegt wird, bei dem Juristen Dr. Kunitz vorstellig zu werden. Er bietet ihr die Amnestie ihres Bruders im Gegenzug für Werksspionage bei ihrem Arbeitgeber an. Sie soll geheime Pläne fotografieren und das Material abliefern. Widrigenfalls wird ihr Bruder in der Haft zugrunde gehen....
Ein klassisches Merkmal der Spionage wider Willen stellt die Tatsache dar, dass der erzwungene Agent einen Verwandten im Osten hat, den er verschwiegen hat, sobald er im Westen Fuß fassen und eine Vertrauensstellung bekleiden konnte. Meistens handelt es sich um qualifizierte Wissenschaftler aus den Bereichen Physik und Chemie, die sich rasch in der Bundesrepublik einleben und ihre Fähigkeiten nutzbringend einsetzen konnten. Die Schwachstelle im Lebenslauf macht sie für die Behörden ihrer alten Heimat erpressbar, weil die in der DDR verbliebenen Familienmitglieder als Faustpfand benutzt werden. Sollte der arrivierte "Landesverräter" nicht mitspielen, so werden Repressalien angewandt, um damit Schuldgefühle zu erzeugen, nur an sich und das eigene Wohl gedacht zu haben. Das perfide Vorgehen der Agenten schafft ein Klima der Angst und des Misstrauens, wobei einige von ihnen selbst zur Spionage gezwungen wurden und den Druck nun nach unten weitergeben. Der psychologische Schrecken ist das Gewicht, das mit einem gewaltigen Rumms in die Waagschale geworfen wird und dem die Betroffenen nichts entgegenzusetzen haben. Meistens gibt es einen wunden Punkt in der Vergangenheit oder sie haben sich bereits zu weit aus dem Fenster gelehnt, dass ihnen nun auch im Westen rechtliche Konsequenzen drohen würden. Oftmals ist es die Wahl zwischen Pest und Cholera, die sich ihnen präsentiert, selten haben die Personen Vertraute, denen sie ihre Situation schildern und bei denen sie auf Hilfe hoffen können. Das Dilemma, in dem sich die Figuren befinden, befördert eine Atmosphäre der Niedergeschlagenheit und der Unterton der Handlung bleibt deshalb melancholisch, düster und resigniert hoffnungslos.
Die Garde der Schauspieler trägt durch ihr feinsinniges Agieren dazu bei, dass die handelnden Personen den ernsten Stoff trotz aller Verzweiflung würdevoll vermitteln und statt einer groben Schwarzweißzeichnung nuancierte Zwischentöne aufzeigen. Die Entscheidung für oder gegen einen Auftrag, einen Menschen oder eine Gesinnung wird in ihrer belastenden Schwere präsentiert, wobei jeder Einzelne einen Risikoträger darstellt, der das Gefüge zum Einsturz bringen kann. Genauso wie die Organisationen zum Teil auf ihre Mitarbeiter angewiesen sind, müssen sie diese auch als unberechenbare Komponente wahrnehmen, die Pläne vereiteln und Projekte torpedieren können. "Das verräterische Licht" baut auf die Einzelleistungen der präzisen Darsteller, die ihre Rollen mit viel Engagement und Glaubwürdigkeit ausstatten. Allen voran rückt mit Ingrid Andrée eine versierte Mimin in den Mittelpunkt, deren Gesicht Rolf Kästels Kamera in mehrfachen Großaufnahmen durchleuchtet und zum Sinnbild für den Verlust der inneren Ruhe macht. Anfangs scheint sie sich souverän in ihrer kleinen Welt zu bewegen, doch bald überschattet die Vergangenheit ihr neues Leben, das beruflichen und privaten Erfolg aufbietet, während die alte Heimat Restriktion und Gehorsam bedeutet. Während Sigfrit Steiner auf einer höheren Ebene Druck ausübt, zeigt das intensive Spiel von Gerd Baltus, der aufgrund äußerer Passivität und Unbeweglichkeit oft unterschätzt wird, wie eine Hand die andere tötet - sei es mit scharfen Worten oder kalten Emotionen, wobei das Finale die Bedrücktheit betont, die sich langsam in Beates Leben einschleicht und es bald völlig beherrscht. Ingrid Andrée hinterlässt Spuren - nicht nur im Schnee an den Bahngleisen.