DAS GRAUEN - Peter Medak

Slasher, Backwood, Grusel oder auch herber Splatter: der Platz für die dunkle Seite des amerikanischen Films
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Percy Lister
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Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

DAS GRAUEN - Peter Medak

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"Das Grauen" (Original: The Changeling) (Kanada 1980)
mit: George C. Scott, Trish Van Devere, Melvyn Douglas, Voldi Way, Barry Morse, Madeleine Thornton Sherwood, Helen Burns, Jean Marsh, John Colicos, Ruth Springford, Roberta Maxwell, Michelle Martin, Eric Christmas u.a. | Drehbuch: Russell Ellis Hunter, Diana Maddox | Regie: Peter Medak

Musikprofessor John Russell verliert bei einem Autounfall Frau und Tochter. Schwer deprimiert zieht er sich auf einen viktorianischen Landsitz zurück, um Frieden zu finden. Doch auf dem Haus im Chessman Park lastet ein Fluch: Der Geist jenes toten Kindes, das einst hier wohnte, fordert Sühne. Russells Nachforschungen stechen direkt in ein Wespennest und bringen einen einflussreichen US-Senator in Bedrängnis. Bald schon ist John Russell in dem alten Anwesen nicht mehr sicher....

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Unter der Regie des Ungarn Peter Medak entstand 1979 die mehrfach preisgekrönte Produktion an Schauplätzen wie New York City, Seattle, Washington und Vancouver, British Columbia. Charakterschauspieler George C. Scott besticht durch seine klare, authentische Darstellung und schafft es auch hier, mit seinem Mienenspiel jene Empfindungen auszudrücken, die ihn so glaubwürdig erscheinen lassen: Trauer, Schrecken und Wut. Seine Physiognomie lässt ihn jene furchtbaren Ereignisse spiegeln, die vor über siebzig Jahren in diesen Mauern stattfanden und nun ein Ventil suchen, um endlich ans Licht zu kommen. John Russell erachtet es als selbstverständlich, dem an ihn gerichteten Hilferuf zu folgen und die Interessen des toten Jungen wahrzunehmen. Er lotet dabei alle Möglichkeiten aus, die Vorgänge um die Zeit vor 1909, als die Familie Carmichael das Haus aufgab, aufzudecken. Seine Nachforschungen lenken ihn von seinem eigenen schweren Verlust ab und geben ihm die sinnvolle Aufgabe, sich für ein Kind einzusetzen, das gewaltsam zu Tode kam. Er betäubt seinen Schmerz mit Angst, was sicher kein angenehmer, in seinem Fall jedoch nachvollziehbarer Weg ist. Seine ohnmächtige Handlungsunfähigkeit beim tödlichen Unfall seiner Familie sollte ihn kein zweites Mal zum hilflosen Zuschauer degradieren.

Der Film, der auch unter "L'enfant du diable" und "Josephs Revenge" gezeigt wurde, bedient sich sehr effektiver Stilmittel und schafft es dabei, fast ohne blutige Schockmomente auszukommen. Die Kameraperspektiven - John Coquillon erhielt für seine Arbeit den kanadischen Genie Award für die Beste Kameraführung - vermitteln dem Zuschauer ein unbehagliches Gefühl der Bedrohung, während die Musik von Rick Wilkins die Emotionen in Aufruhr bringt und das beeindruckende Anwesen mit Tönen ausfüllt, die schmeichelnd und verstörend zugleich sind. Die Herbststimmung trägt das ihrige bei, um die Phantasie anzuregen und zu unterstreichen, dass die Vergangenheit wieder einmal notdürftig hinter vernagelten Treppenaufgängen und Spinnweben versteckt worden ist. Das Drehbuch liefert die solide Grundlage, auf der die Handlung aufbaut. Der kriminalistische Aspekt ist dabei genauso wichtig wie der Gruselfaktor und man kann behaupten, dass das eine ohne das andere nicht funktionieren würde. Zum Klassiker des Genres wurde der Film durch seinen seriösen Gehalt und das Bemühen, alle Vorkommnisse zu begründen. Erst gegen Ende brechen sich Enttäuschung und Wut eruptiv Bahn und vernichten, wessen sie habhaft werden können. Die Frage nach dem Erfolg von Russells Einsatz beantwortet sich auf diese Weise dramatisch und mit gewaltiger Zerstörungskraft.

Die Besetzung der Hauptrolle mit Oscar-Verweigerer George C. Scott ("Die Hindenburg") ist ein Glücksgriff der Produktion, bringt er doch ein hohes Maß an Identifikation und seine Ehefrau seit 1972 - Trish Van Devere - mit. Die Chemie zwischen beiden stimmt ganz offensichtlich und stellt ein wichtiges positives Element dar, was in anderen Horrorfilmen oft fehlt. Eine angenehme Ausnahme stellt in jüngerer Zeit "The Conjuring" dar, wo es ebenfalls ein harmonisch kooperierendes Paar gibt, das einen emanzipierten Gegenpol zur Opferhaltung vieler anderer Rollenfiguren aus dem Genre bildet. Trish Van Devere bringt ihre Szenen durch ihre warmherzige Ausstrahlung zum Leuchten und stellt das Fünkchen Hoffnung dar, welches dem Alltag von John Russell einen Bezugspunkt gibt und eine mentale Stütze bei der Suche nach der Wahrheit. Der knorrige Melvyn Douglas und die lauernde Ruth Springford bilden das argwöhnische Gegenstück, die Vertreter einer Vergangenheit, deren Geheimnisse um jeden Preis gewahrt werden müssen. Gerade Douglas gibt dem Senator ein markantes Gesicht; ein Mann, der keinen Zentimeter von einer Einstellung abweicht, die in seinen Kreisen schon immer präsent war. Die populäre Jean Marsh ("Das Haus am Eaton Place") hat als Mrs. Russell einen kurzen, aber prägnanten Auftritt. Absolut sehens- und hörenswert!

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