DER HAUCH DES BÖSEN - John Llewellyn Moxey

Slasher, Backwood, Grusel oder auch herber Splatter: der Platz für die dunkle Seite des amerikanischen Films
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Percy Lister
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DER HAUCH DES BÖSEN - John Llewellyn Moxey

Beitrag von Percy Lister »

"Der Hauch des Bösen" (A Taste of Evil) (USA 1971)
mit: Barbara Stanwyck, Barbara Parkins, William Windom, Roddy McDowall, Arthur O'Connell, Bing Russell, Dawn Frame | Drehbuch: Jimmy Sangster | Regie: John Llewellyn Moxey

Susan Jennings wächst behütet bei ihren wohlhabenden Eltern in einem Anwesen in der Nähe von San Francisco auf. Während einer Gesellschaft, die ihre Eltern für Geschäftsfreunde geben, hält sich Susan wie so oft in ihrer kleinen Hütte im Wald auf, um zu zeichnen. An jenem Nachmittag wird ihre Einsamkeit von einem Fremden durchbrochen, der über das Kind herfällt und es vergewaltigt. Susan erleidet einen Schock und wird noch am selben Abend in eine psychiatrische Klinik in die Schweiz gebracht. Jahre später kehrt Susan als junge Frau zu ihrer Mutter zurück, die nach dem Tod ihres Mannes ein zweites Mal geheiratet hat. Sie befolgt den Rat ihres Arztes, sich der Vergangenheit zu stellen, wird jedoch bald von unheimlichen Vorgängen aufgeschreckt....

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Ein Kindheitstrauma, das den weiteren Lebensweg eines zehnjährigen Mädchens überschattet; eine Mutter, die auf die Liebe ihres Mannes zu eben jenem Kind eifersüchtig ist und eine zweite Ehe, die sich als Fehler herausstellt, der korrigiert werden soll, bilden den Grundstock der Aaron-Spelling-Produktion, die in so vielen Punkten jenem Schwarzweiß-Klassiker ähnelt, den Jimmy Sangster mit Eleganz und einem präzisen Gespür für Stimmungen auf die Leinwand brachte. "Ein Toter spielt Klavier" (1961) als stilprägendes Vorbild liegt jedoch eine Messlatte zu hoch, als dass "Der Hauch des Bösen" mit ihm gleichziehen könnte. Der Unterschied zwischen Kino- und Fernsehproduktion fällt deutlich ins Gewicht, wobei es nicht an den qualitätsvollen Darstellungen von Stanwyck und Parkins liegt, dass Susan Strasberg siegreich als souveräne Scream-Queen aus dem Duell hervorgeht. Vielmehr sind es die vorhersehbaren Bausteinelemente, welche hier für den Eindruck sorgen, es mit durchwegs konventionellen Drehbuchkniffen zu tun zu haben, die anderweitig schon überzeugender zu sehen waren. Wehende Vorhänge, Stimmen aus dem Hinterhalt und Tote, die auftauchen und dann wieder verschwinden, sorgen bei der weiblichen Hauptfigur für ein Unbehagen, das sich zunehmend verstärkt, da es vordergründig dazu dient, ihre Integrität in Frage zu stellen. Der Kniff, den Held oder die Heldin einer Geschichte geistig fragwürdig erscheinen zu lassen, befördert häufig einen Zweifel, der sich auf die übrigen Protagonisten überträgt und es zusätzlich erschwert, mit plausiblen Überlegungen an die Lösung des Falls heranzugehen. Die Kamera isoliert die Szenen der Agonie durch hohe Schwenks und distanzierte Aufnahmen und schafft damit eine Atmosphäre der Bedrohung ebenso wie ein Ambiente der Heimtücke. Die titelgebende Anwesenheit einer negativen Macht, zeigt sich nur in den Rückblenden jener Szene, die einen düsteren Vorgeschmack auf das geben soll, was den Zuschauer erwartet. Die bemüht wirkenden Schreckensmomente für die junge Frau deuten auf einen sehr reellen Ursprung hin und lassen den Kreis der Verdächtigen in sich zusammenfallen. Das Verbrechen, das an der zehnjährigen Susan begangen wurde, wird bewusst immer wieder reanimiert, um die Gegenwart unerträglich zu machen, sowie neue Straftaten zu begründen und auszuführen. Psychologisch scheint diese Schocktherapie fragwürdig und dient wohl auch nur dazu, bestimmte Zwecke zu verfolgen und Ziele anzupeilen, die jenen nutzen, die schon einmal von der Handlungsunfähigkeit der jungen Susan profitiert haben.

Barbara Parkins' zurückhaltende Interpretation gewinnt die Aufmerksamkeit und Sympathie des Zuschauers, der sie jedoch weniger oft in Gefahr wähnt als es das Drehbuch beabsichtigt. Ihre Gefasstheit wirkt angesichts der Demütigung und der Qualen, die sie in dieser Umgebung erlitten hat, stellenweise gefühllos, was als Ergebnis ihrer Therapie gesehen werden kann, die sie jahrelang vom Elternhaus fernhielt. Die Liebenswürdigkeit von Barbara Stanwyck spiegelt die Atmosphäre der guten alten Zeit, als der Familienbesitz noch ein Ort der Harmonie ohne dunkle Belastung war. Prosaische Probleme des Alltags treten in dem gehobenen und abgeschiedenen Ambiente nicht in Erscheinung, weswegen sich die beiden Frauen exklusiv ihren Befindlichkeiten widmen können, die vermehrt um die Vergangenheit kreisen, die immer noch präsent ist. Drei Männer flankieren dieses Bemühen um Normalität, wobei ihnen äußerst plakative Charakterzeichnungen zugeordnet werden. William Windom wird als unzuverlässiger Trinker eingeführt, wobei seine Abwesenheit auch im Sinne einer Verschleierungstaktik missbraucht werden kann, wie sich später zeigen wird. Arthur O'Connell steht seiner Herrin treu ergeben zur Seite, nicht ohne die Gefahren einer Loyalität aufzuzeigen, welche alte Sünden decken und neue Verfehlungen begünstigen. Roddy McDowalls Performance ist zurückhaltend genug, um nicht für neue emotionale Komplikationen zu sorgen, aber engagiert genug, um als neutrale Stütze einen Rückhalt geben zu können. Dennoch hängt primär alles von den beiden leading ladies ab, deren Interpretationen einer anscheinend harmonischen Mutter-Tochter-Verbindung wie so oft im Psychothriller nur Schein ist und lange verborgenes Konflikt-Potenzial bereithält. Der Fernsehfilm spricht dabei deutlich aus, was die Gewalt beförderte, bleibt dabei jedoch ständig im Rahmen der Schicklichkeit und überlässt das Verbrechen den Gedankengängen des Zuschauers, den die Kälte, mit der die ungeheuerliche Wahrheit ausgesprochen wird, fast mehr erschreckt als die Tat selbst. Barbara Stanwyck bedient sich einer gepflegten Darstellungskunst, die ihre Fassung selten ablegt und deren Haltung und Ausstrahlung ihrem Gegenüber Respekt abnötigen. Um sie aus der Reserve zu locken und ihr Gelegenheit zu geben, sich auch in Situationen zu profilieren, die auf schnelle Reaktionen bauen, inszenierte Regisseur Moxey ein temporeiches Finale, das viele Längen wieder wettmacht und die Gefahr noch einmal in die Höhe treibt. Unheimlich und atmosphärisch stimmig rollt die Bewährungsprobe für Mrs. Jennings ab, die sie mit Tempo und Biss meistert.

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Prisma
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Re: DER HAUCH DES BÖSEN - John Llewellyn Moxey

Beitrag von Prisma »



Wer sich für TV-Horror oder vielmehr Psycho-Thriller interessiert, wird von John Llewellyn Moxeys "Der Hauch des Bösen" bestimmt nicht enttäuscht werden, zumal es sich um eine Geschichte mit vielen atmosphärischen Spitzen handelt. Leider schleichen sich anfangs etwas langatmige Strecken ein, die auch den folgenden Verlauf prägen, nicht aber ohne auf die Haupt-Intention zu achten, das Publikum auf hier unbestimmte Weise zu beunruhigen. Ein Kindheitstrauma dominiert diese Geschichte, die mit traumwandlerischen Stilmitteln angeboten wird, aber leider von der nicht immer elegant wirkenden Fernseh-Optik etwas entwertet wird. Die junge Protagonistin, die sich irgendwie wieder fangen konnte, scheint in den Wahnsinn abzudriften, da sie Dinge sieht, die augenscheinlich nicht existieren, oder perfide platziert wurden. Erfahrungsgemäß ist ein widerwärtiges Komplott hinter alldem zu vermuten, und es wird in spannender Art und Weise dechiffriert, wer für diese Vorkommnisse verantwortlich ist. Versehen mit erfahrener Regie und sehr guten Schauspielern entsteht eine inszenatorische und darstellerische Kraft, die sich am Ende durchsetzen wird, vor allem im mit Donner, Regen und Blitzen durchzogenen Finale, das schier unendlich erscheint und mit einer unerwartet intensiven Spannung aufwartet. Vor allem Barbara Stanwyck stattet das Szenario mit Temperament und Emotion aus, aber auch ihre Kollegen William Windom, Roddy McDowall oder Barbara Parkins überzeugen in ihren teils undurchsichtigen Parts. "Der Hauch des Bösen" stellt unterm Strich eine gelungene Unterhaltung dar, die ihre beunruhigenden Elemente klassisch ausspielt, somit am Ende auch zufrieden stellt.

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