AUS DEM TAGEBUCH EINES FRAUENARZTES - Werner Klingler

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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AUS DEM TAGEBUCH EINES FRAUENARZTES - Werner Klingler

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Rudolf Prack   Marianne Hold   in

AUS DEM TAGEBUCH EINES FRAUENARZTES


● AUS DEM TAGEBUCH EINES FRAUENARZTES (D|1959)
mit Ellen Schwiers, Richard Häussler, Dorothea Wieck, Angelika Meissner, Albert Bessler, Ilse Fürstenberg, u.a.
eine Alfa Film-Produktion | im Neue Filmverleih
ein Film von Werner Klingler

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»Ich kann es Ihnen leider nicht ersparen!«


Dr. Brückner (Rudolf Prack), der Chefarzt einer Frauenklinik, übt seinen Beruf mit voller Hingabe aus, doch dabei kommt das Privatleben eindeutig zu kurz. Als er von Ursula Callway (Ellen Schwiers), einer ehemaligen Patientin, eindeutige Avancen gemacht bekommt und mit ihr daraufhin einen gemeinsamen Abend verbringt, kommt es zu einem folgenschweren Zwischenfall. Aufgrund eines Notfalls wird der Arzt in die Klinik gerufen und weist Ursula ab, die auf eine Romanze aus war. Noch ahnt Dr. Brückner nicht, dass die brüskierte Dame zu außerordentlichen Mitteln greifen wird. Sie beschuldigt ihn des sexuellen Missbrauchs und Brückner kommt in Untersuchungshaft. Dr. Eva Hansen (Marianne Hold) bietet sich an, seine Verteidigung zu übernehmen, da der Frauenarzt ihrer Schwester Erika (Angelika Meissner) einmal das Leben retten konnte. In einem spektakulären Prozess scheint alles darauf hinauszulaufen, dass die Hauptbelastungszeugin den Chefarzt ins Zuchthaus bringen wird...

Bereits für die Saison 1957, beziehungsweise 1958, kündigte Prisma-Film einen Beitrag unter dem Titel "Aus dem Tagebuch eines Frauenarztes" mit dem Ankündigungstext: »Ein Einblick in die Praxis eines Frauenarztes« an. Als Regisseur war Richard Häussler angedacht und zu den Darstellern sollten unter Anderem Erich Winn, May-Britt Nilsson oder Barbara Rütting zählen, doch das Projekt wurde in dieser Form nicht realisiert. Im Jahr 1959 kam schließlich Wolfgang Schleifs gleichnamiges Justiz-Drama in die Kinos, das in die Sparte der sogenannten Problemfilme eingereiht werden kann, und sich neben ausgiebigen Szenen am Gericht auch der Kolportage bedient, was dem Film wohlgemerkt aber recht gut stehen will. Der Aufbau dieses im Großen und Ganzen recht überzeugenden Verlaufs hält sich an bestehende Gesetze derartiger Produktionen, die einem Paket aus Gegenwart, Rückblenden und dem verhaltenen Blick in die Zukunft gleichen, sich dabei jedoch gleichzeitig dem Unterhaltungssektor anpassen. Daher sieht man unter der Bearbeitung von Wolfgang Schleif höchstens Andeutungen diskreter Zwischentöne und vornehmlich einen präzise angepassten Beitrag an das bestehende Zeitfenster, versehen mit einigen pikanten Momenten, für die Prototyp Ellen Schwiers vor die Kamera geholt wurde. Trotz vorprogrammierten Verlaufs, bietet "Aus dem Tagebuch eines Frauenarztes" eine sehr flüssig erzählte Geschichte mit einigen Komplikationen und Nebensächlichkeiten, die geschickt mit dem eigentlichen Hauptthema verstrickt werden, doch ein Affront gegen erzkonservative Moralvorstellungen wurde letztlich nicht fabriziert, vielmehr ein Unterhaltungsfilm reinster Seele, die gerne auch etwas schwärzer hätte sein dürfen. Was dem Umgang mit dem § 174 angeht, mit dem der Film auch beworben wurde, sieht man schlussendlich eher das Prinzip: »wachse oder weiche«, wobei die Tendenz eher in Richtung zu Letzterem geht.

Wie erwähnt, bietet das Thema in diesem Zusammenhang zu wenig Reibungsflächen, oder vielmehr Überraschungsmomente, die sich gegen den zu reibungslosen Verlauf hätten stellen können. Mitverantwortlich hierbei zeigen sich tatsächlich die Hauptdarsteller Rudolf Prack und Marianne Hold, die es fernab ihres sicheren Terrains stets schwer hatten, sich nachhaltig zu profilieren. Bei Rudolf Prack schwingt einfach zu viel Großmutters-Kino mit, als dass er als die tragische Figur identifiziert werden könnte, die er eigentlich darzustellen versucht. Gerade im Fall Prack sind es daher sehr persönliche Eindrücke, die ihn in launisches Fahrwasser treiben lassen können, denn rein praktisch gesehen, passt der Wiener Schauspieler sehr gut zu dieser Rolle. Kultiviert und unaufgeregt im Auftreten, verbunden mit einer manchmal sogar weltmännischen Attitüde, vermag er es eigentlich mit Leichtigkeit, den Frauenarzt Dr. Brückner klassisch zu zeichnen. Dieser Eindruck wird allerdings durch das Ausreizen gewohnter Strickmuster und dem in Anspruch genommenen Sicherheitsabstand zur Provokation getrübt. Rudolf Prack selbst traut sich kaum aktiv an den im Film heraufbeschworenen Skandal heran und die Regie lässt diese Möglichkeit zugunsten eines sentimentalen Tenors vollkommen verstreichen. Diese Variante hilft einem Film mit anvisierter Problematik der außergewöhnlichen Sorte leider nicht im Geringsten weiter, sodass der Österreicher lediglich das bietet, was man stets von ihm angeboten bekam, wenngleich man wohlwollend betonen muss, dass er diese Rolle vollkommen ohne falsche Eitelkeit über die Ziellinie bringt. Hier springt allerdings die Dramaturgie ein, weil sie quasi jede Dame des Szenarios potentiell an seine Seite zwingt und den alten Traum der hartgesottenen Fangemeinde wieder Wirklichkeit werden lässt, somit gleichzeitig zu neuem Glanz verhilft.

Trotz aller Kritikpunkte kann man Prack dennoch nicht viel vorwerfen, er wurde eben leider nur falsch angepackt. Marianne Hold macht hier möglicherweise im Vergleich die bessere Figur, bemüht sie sich doch nach Leibeskräften, sich in ein anderes Image zu manövrieren. Als Juristin Dr. Eva Hansen wird sie den schwer beschuldigten Gynäkologen auf der Anklagebank verteidigen und fällt dabei ungewohnt angriffslustig und schlagfertig auf. Ihre beinahe kasuistischen Fragen erzielen leider nie eine Torpedowirkung, eher wird »Fräulein Doktor« hin und wieder eiskalt erwischt, aber sie spielt ihre Trümpfe zum passenden Zeitpunkt aus, da sie mit dem Zufall auf einen verlässlichen Verbündeten blicken kann. Ellen Schwiers öffnet die Büchse der Pandora und beschwört Probleme herauf, die nur die Welt einer Frau wie Ursula Callway bewegen können. Gut für die Geschichte ist, dass alle Beteiligten die Spannung aufrecht erhalten und erst zum Ende hin triumphieren, oder umfallen. Solide Interpreten wie Richard Häussler, Günter Meissner oder Albert Bessler runden das Geschehen sehr adäquat ab und im Endeffekt hat man es mit einer in Teilen eigentümlichen, aber insgesamt tatkräftigen Entourage zu tun. Die Thematik des sexuellen Missbrauchs wird trotz der Verhandlung vor Gericht zu sehr unter Verschluss gehalten und diese Tatsache darf wahrscheinlich mit dem Produktionsjahr, der Regie oder gleich beidem in Verbindung gebracht werden. Greifbar eingefangen wurde hingegen die öffentliche Meinung, die sich bei etlichen Konsorten dreht wie der Wind, außerdem das vage Durchleuchten der Freunde und Verbündeten des Angeklagten, die im Zweifelsfall nicht einmal mehr Bekannte sein möchten. Hoch atmosphärische Szenen im Gerichtssaal, das Angebot vieler unterschiedlicher Charaktere und Stimmen, sowie ein Hauch von Tragik oder Schicksalslaunen, verhelfen "Aus dem Tagebuch eines Frauenarztes" zu durchaus bleibenden Eindrücken und einem insgesamt nostalgischen Filmvergnügen.

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Prisma
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Re: AUS DEM TAGEBUCH EINES FRAUENARZTES - Werner Klingler

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● ELLEN SCHWIERS als URSULA CALLWAY in
AUS DEM TAGEBUCH EINES FRAUENARZTES (D|1959)



»Aber doch nicht jetzt!« Sichtlich brüskiert macht die extravagante Bühnenbildnerin Ursula Callway ihrem Objekt der Begierde, dem Gynäkologen Dr. Brückner, eine temperamentvolle Szene und der mit Erotik aufgeheizte Abend findet sein jähes Ende, da er wegen eines dringenden Falles in die Klinik gerufen wird. Die resoluten Verführungskünste werden somit kurz vor ihrer Erfüllung abgewürgt, schließlich hatte sie sich schon etwas luftiger, sprich bettfertig angezogen. Ellen Schwiers war zu jener Zeit quasi eine Spezialistin für exponierte Rollen in sogenannten Problemfilmen oder solchen, die einen erotischen Aufhänger nötig gehabt haben, und in diesem Zusammenhang stellt sie ihre ganze Raffinesse auch in "Aus dem Tagebuch eines Frauenarztes" zur Verfügung. Die ehemalige Patientin von Brückner hat sich nun einen Arzt auserkoren, zumindest ist dies momentan so, denn es ist zu erahnen, dass die hartnäckige, in Phasen sogar aufdringliche junge Dame lediglich auf der Jagd nach zusätzlichen Trophäen ist, um ihr starkes Geltungsbedürfnis zu befriedigen. Als sich aller Ärger der Zurückgewiesenen gelegt hat, kann man ihr in der modern eingerichteten Wohnung quasi beim Denken zusehen, denn sie sucht nach Wegen, wieder in den Radius Dr. Brückners zu kommen, und das auf medizinischem Weg. Sie bemüht sich daher kurzerhand um einen stationären Aufenthalt in seiner Klinik. Als Zuschauer ahnt man Katastrophales, denn eine Frau wie Ursula Callway lässt sich nur einmal abweisen. Man kalkuliert daher umgehend ein, dass die gekränkte Frau nichts Gutes im Schilde führen kann. Ganz in Manier einer wild gewordenen Furie beschwört sie schließlich einen medienwirksamen Skandal herauf, der die Reputation und Existenz ihres Opfers gefährden wird. Ellen Schwiers wird von der Regie als eine Art schwarze Witwe charakterisiert, die offensichtlich nur noch aggressiver wird, falls es im Vorfeld nicht zum üblichen Akt kam.

Mit der Hilfe eines Bekannten, der ihr augenscheinlich hörig und bereits verfallen ist, lenkt sie die Situation, die sich ohne Schützenhilfe nicht stemmen lässt, in kalkulierte Bahnen. Mutwillig wird eigenes Ansehen und gesellschaftlicher Stand in die Waagschale geworfen, doch es scheint so, als könne der Ruf von Frau Callway erst gar nicht mehr ruiniert werden, da er es im moralischen Sinn der End-60er schon längst ist. Bleibt man beim Thema Ruf, oder hier beim Image der Darstellerin, ist eine zu dieser Zeit sehr häufig abgerufene Leistung der attraktiven Interpretin zu sehen, die sich regelrecht in eine Selbstinszenierung hineinsteigert. Ellen Schwiers' hohe Glaubwürdigkeit entsteht durch das variable Färben der unterschiedlichen Intervalle ihres Auftritts, in denen sie sich als Verführung, Furie und Ebenbild der modernen Frau präsentiert, jeweils in personifizierter Form. Auch wenn sich diese Anforderung ausschließlich im damals festgelegten Schwiers'schen Klischee abspielt, muss doch betont werden, dass die aus Stettin gebürtige Schauspielerin gerade bei diesen Gelegenheiten einige ihrer bemerkenswertesten Skizzierungen in Rollen abrufen konnte, die dem Anschein nach nur für sie gemacht waren. Ihr überschäumendes Temperament impliziert eine absolute Unempfindlichkeit gegenüber anderen Personen ihres Umfeldes und egoistische Motive treiben sie daher zum Äußersten. Auch hier bekommt der Zuschauer einen charakterlichen Feinschliff geboten, der die Atmosphäre und den Verlauf nachhaltig prägen und den Zuschauer in einen Bann ziehen wird, obwohl (oder weil) sie eine Art Verworfene spielt. Gerade solche Darbietungen sind es aber, die vielleicht weniger Sympathie hervorrufen, aber umso mehr Faszination um eine Person, der man eigentlich lieber nicht begegnen möchte und gleichzeitig nur allzu gerne. In "Aus dem Tagebuch eines Frauenarztes" verbindet Schwiers Obligatorisches mit Aufsehenerregendem wieder einmal bemerkenswert.



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