OBERARZT DR. SOLM - Paul May

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
Antworten
Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3767
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

OBERARZT DR. SOLM - Paul May

Beitrag von Prisma »



OBERARZT DR. SOLM


● OBERARZT DR. SOLM (D|1954)
mit Hans Söhnker, Antje Weisgerber, Sybil Werden, Anna Dammann, Walther Suessenguth, Hans Clarin, Fritz Hintz-Fabricius,
Wolfgang Preiss, Franziska Kinz, Hans Caninenberg, Harald Juhnke, Alexa von Porembsky, Heinrich Gretler und Ilse Steppat
ein Delos Film | im Constantin Filmverleih
ein Film von Paul May

Oberarzt Dr. Solm (1) .jpg
Oberarzt Dr. Solm (2) .jpg
Oberarzt Dr. Solm (3) .jpg
Oberarzt Dr. Solm (4) .jpg
Oberarzt Dr. Solm (5) .jpg
Oberarzt Dr. Solm (6) .jpg
Oberarzt Dr. Solm (7) .jpg
Oberarzt Dr. Solm (8) .jpg
Oberarzt Dr. Solm (9) .jpg

»Was ist bei einem Geisteskranken die Seele?«


Der kompetente Oberarzt Dr. Karl Solm (Hans Söhnker) arbeitet in der renommierten Privatklinik von Professor Möllenhauer (Fritz Hintz-Fabricius). Zu seinem Spezialgebiet gehört die Gehirnchirurgie, aber er setzt sich auch für die umstrittene Lobotomie ein, deren größter Kritiker der Psychiater Professor Berling (Walther Suessenguth) ist. Seiner Ansicht nach handelt es sich bei dieser Art der Operation und deren Folgen um ein Verbrechen. Als Dr. Solm von Berlings Frau (Anna Dammann) unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu bewegt wird, ihren Sohn (Hans Clarin) zu lobotomieren, da dieser an einer Form der Schizophrenie leidet, kommt es zum Eklat. Solm ist beruflich und gesellschaftlich erledigt und dazu gezwungen, sein altes Leben komplett aufzugeben...

Geschichten aus dem Ärztemilieu hatten und haben bis heute Hochkonjunktur, und werden vom Zielpublikum nicht selten als ein Blick in eine andere Welt interpretiert, die dagegen zu kämpfen hat, dass der moralische Verfall fortschreitet und die Romanzen nicht zu kurz kommen. Die Ärzte stehen für ihre Entscheidungen gerade, auch wenn es zu massivem Gegenwind kommt, genau wie hier. Paul May seziert ein kontroverses Thema, welches jedoch nur oberflächlich und letztlich ergebnislos abgehandelt wird, da es einen strahlenden Helden in all der Ungerechtigkeit geben muss. Dass das Verfahren der Lobotomie umstritten bleibt, wird durch den Erfolg eines widerrechtlichen Alleingangs relativiert. Bleibt man bei dem angebotenen Unterhaltungsschema, findet man zwar viele Versatzstücke aus Drama, Heimat- und Liebesfilm, wird aber im Großen und Ganzen gut unterhalten, zumal das Szenario über besonders ausdrucksstarke Interpreten verfügt, die für die entsprechenden Spannungen, Schwierigkeiten, Komplikationen und Lichtblicke sorgen. Ein angesehener und von allen Seiten respektierter, um nicht zu sagen, bewunderter Arzt setzt seine Karriere für einen Griff nach den Sternen aufs Spiel. Es steht außer Frage, dass er die heikle Operation erfolgreich durchführen könnte, aber er stellt sich mit einem Bein auf die Seite der Illegalität, was ihn letztlich zu Fall bringt. Alles, was er sich erarbeitet hat und was er besitzt und schätzt, fällt mit seiner Entscheidung, den Sohn des bekannten Psychiaters zu operieren, um ihn und seine Familie von seinen Leiden zu befreien. Bei einem nüchternen Blick auf die Voraussetzungen muss man dem zwar dogmatisch veranlagten Vater Recht geben, aber ungeschriebenen Gesetze des Films überzeugen einen beinahe klammheimlich vom Gegenteil, da hier eine Ungerechtigkeit ins Gegenteil umgekehrt wird, und man eindeutig auf strahlende Protagonisten und nicht schwierige Zeitgenossen programmiert ist. Zumindest meistens.

Zu den schwierigen, oder besser gesagt markanten Personen zählen nicht nur Walther Suessenguth und Anna Dammann, die vielleicht im Grunde nur das Beste für ihren geisteskranken Sohn aber auch den Erhalt ihrer Reputation wollen, sondern auch Ilse Steppat in einer obligatorischen Rolle einer überkorrekten Einzelgängerin, die alles für ihre Überzeugungen aufgegeben hat. Das Geschehen ist vollkommen um Hans Söhnker herumkonstruiert, der trotz des Erreichens seiner besten Jahre immer noch den Part des jugendlichen Liebhabers mit leichten draufgängerischen Tendenzen zu spielen hat. Eine der interessantesten Schauspielerinnen des Szenarios liegt ihm mit Sybil Werden zu Füßen, deren Pendant Antje Weisgerber als tugendhafte Krankenschwester darstellt. Hans Clarin entwickelt wieder einmal eine erstaunliche Eigendynamik in den Bereichen Gestik und Mimik, die seine Zustände überaus plastisch wirken lassen. Abgerundet durch Leitungen bekannter Schauspieler wie Fritz Hintz-Fabricius, Stanislav Ledinek, Harald Juhnke, Wolfgang Preiss, Hans Caninenberg oder Heinrich Gretler, kann sich die Geschichte durchaus sehen lassen, deren dramatischer Kern allerdings nie richtig ausgespielt wird. Trotz größter Bedrängnis und zweifelhafter Logik geht im Verlauf alles immer zu glatt, vor allem zu schnell, sodass das eigentliche Temperament der Story ein wenig ungenutzt liegen bleibt. Als Unterhaltungsfilm funktioniert "Oberarzt Dr. Solm" allerdings sehr gut, vor allem wenn man ihn nicht allzu kritischen Blicken unterzieht. Die Medizin hat genau wie der Film eigene Gesetze, die sich hier manchmal sogar gegenseitig bedingen, um einen Verlauf anzubieten, der letztlich das halten kann, was er im Vorfeld zu versprechen versuchte. Dass es unterm Strich eher sentimental und teils kitschig, als dramatisch und kritisch zugeht, ist der Tatsache geschuldet, dass sich auch Paul May lieber für die verlässlichere Seite entschieden hat, denn immerhin sollten Filme wie diese ja auch ein Erfolg werden.

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3767
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: OBERARZT DR. SOLM - Paul May

Beitrag von Prisma »



IlseSteppatSolm (1) .jpg
IlseSteppatSolm (2) .jpg
IlseSteppatSolm (3) .jpg


● ILSE STEPPAT als CLAUDIA MÖLLENHAUER in
OBERARZT DR. SOLM (D|1954)



Ilse Steppats Kinofilm-Karriere begann nach bedeutenden Bühnen-Engagements im Alter von beinahe 30 Jahren und damit ungewöhnlich spät, doch gleich mit anspruchsvollen Rollen, die ihr Image festlegten. In diesem 1954 entstandenen Drama aus dem Ärzte-Milieu stellt Steppat einen gewichtigen Part auf Seiten der Antagonisten dar, wenngleich man ihr keine Böswilligkeit unterstellen kann. Vielmehr ist die Frau, die ihr ganzes Leben ihrem, beziehungsweise dem Beruf des Vaters verschrieben hat, zutiefst gekränkt, da ihre geheime Liebe nicht im Geringsten erwidert wird. Sie tut alles für die wichtigen Männer in ihrem Leben, ihr eigenes Privatleben bleibt dabei auf der Strecke. Sie wirkt professionell, über die Maßen zuverlässig, loyal und unbestechlich, wenngleich ihre Funktion in der Klinik gar nicht so sehr klar zu sein scheint, außer dass sie die Tochter des Chefs ist. Allerdings wurde Claudia Möllenhauer nicht auf eine Position gesetzt, der sie nicht gerecht werden konnte, sondern es werden extrem hohe Qualitätsansprüche geltend gemacht - was sich nicht nur auf sie selbst, sondern vor allem andere bezieht. Die streng zurecht gemachte Frau, die die Mitte 30 bereits gesehen hat, ruft einen natürlichen Sicherheitsabstand hervor, den ihre männlichen Kollegen erst gar nicht durchbrechen wollen. Ilse Steppat füllt somit eine Rolle aus, die sie oft zu spielen hatte, weil sie diese Art der Anforderungen überzeugend darstellen konnte. Man sieht eine Einzelgängerin, eine emotional Gefangene, eine Sklavin ihrer eigenen hohen Maßstäbe. Ihr Beruf dominiert ihr Leben, das gut situiert ist, aber in dem nie ein Abnabelungsprozess stattgefunden hat. In ihrem 15. Kinofilm glaubt man schließlich eine Frau zu sehen, die sie schon häufig dargestellt hat, da sie die gleiche Disziplin und Körpersprache anbietet, wie im Vergleich. Man sieht Steppat ihre langjährige Bühnenerfahrung an, denn sie setzt ihre Gestik und Mimik überaus pointiert ein. Irgendwann stellt sich die Frage, ob man die Möllenhauer neben all den schillernden oder transparenteren Damen überhaupt sympathisch findet, und man kommt zu dem Schluss, dass sie zumindest keinen Anlass gibt, unsympathisch zu wirken.

Eher schaut man mit mitleidigen Blicken zu, wie sie emotional auf das falsche Pferd setzt und hofft, mit Leistung, Contenance und Disziplin zu punkten, was völlig ausweglos erscheint, da sich ihr Zielobjekt für die Lebenden interessiert. Ilse Steppat bietet erneut ihre gehemmte Variante an, die stets auf die Blicke und Gedanken der anderen bedacht ist. Eine innere Anspannung kommt sichtlich hinzu, da sie insgeheim weiß, ihre Ziele mit dieser Methodik nicht erreichen zu können, doch es gibt kein Entrinnen aus diesem Konglomerat aus Gewöhnung, Erziehung und diffusen Ängsten, eine Enttäuschung zu erleben. Ihr amouröses Ziel ist unerreichbar, also zerstört sie die Existenz ihres Auserkorenen, jedoch nicht aus Kalkül oder Böswilligkeit, sondern aus Gerechtigkeitssinn mit einem Spritzer Impulsivität, was sie irritiert und überfordert. Ilse Steppat ist hier als Idealbesetzung zu beschreiben, deren Aura die Rolle der Claudia Möllenhauer herb veredelt, obwohl sie die feminine Seite ihrer Person zu verstecken versucht. Dementsprechend wird sie als zuverlässige Kollegin, verlässliche Freundin oder patente Tochter des Chefs wahrgenommen, deren eigene Bedürfnisse beinahe unsichtbar erscheinen. So bleiben die schwierigen, beziehungsweise doppelbödigen Anforderungen leichte Fingerübungen für die gebürtige Rheinländerin, der man eine empfundene Melancholie und teilweise Schwermütigkeit nicht absprechen kann, falls es die Anforderung verlangt. Neben Sybil Werden und Anna Dammann dominiert Steppat ihre Szenen mit teils ungeschliffener Brillanz, da ihre Gefühlslage vom Skript zu offenherzig preisgegeben wird. Derartige Rollen zu interpretieren und final auch noch auf sie festgelegt zu werden, ist vielleicht nicht die einfachste Anforderung, da es im gleichen Radius immer neue Erfindungen braucht, allerdings kann man Ilse Steppat einen gesunden Ideenreichtum bescheinigen, der ihre Darbietungen immer wieder interessant und dynamisch im Quadrat erscheinen lässt. Für den Film spielt sie eine entscheidende, wenn auch nicht die bedeutendste Rolle, wirkt aber wie erwartet vereinnahmend, stilsicher und an den richtigen Stellen erstaunlich pointiert in ihrem Tun.



Antworten