LIEBE, TOD UND EISENBAHN - Gert Steinheimer

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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LIEBE, TOD UND EISENBAHN - Gert Steinheimer

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LIEBE, TOD UND EISENBAHN


● LIEBE, TOD UND EISENBAHN (D|1989) [TV]
mit Christina Scholz, Heiner Lauterbach, Jürgen Holtz, Adolf Laimböck, Roland Kenda, Claudia Bethge, u.a.
eine Frankfurter Filmproduktion | im Auftrag des ZDF
ein Fernsehfilm von Gert Steinheimer

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»Werfen Sie ihn aus der Wohnung, wenn er Ihnen dieses Zeug anschleppt!«


Raimund (Heiner Lauterbach) und seine Frau Karin (Christina Scholz) beziehen eine neue, großflächige Wohnung und denken an Familienplanung. Allerdings wird das für ein Kind vorgesehene Zimmer von Raimund in Beschlag genommen, da er eine Modelleisenbahn geschenkt bekommen hat. Ab jetzt wird alles anders, denn er und sein Nachbar Balthasar (Adolf Laimböck) verbringen nur noch Zeit mit der Modelleisenbahn. Karin ist kurz vor der Verzweiflung und versucht es mit einigen Tricks, indem sie sich rar macht und zu angeblichen Verabredungen geht, sich mit Männern trifft und zu guter Letzt besser über das neue Hobby ihres Mannes informiert ist, als er selbst. Sie kann die Aufmerksamkeit Raimunds jedoch nicht wieder auf sich lenken, bis ihr die Sicherungen durchbrennen...

Die Filmhistorie zeigt, dass das Inszenieren schwarzer Komödien kein leichtes Unterfangen darstellt, da der Grat zwischen geistreicher sowie wortwörtlicher Unterhaltung und dem Scheitern auf mehreren Ebenen ziemlich schmal ist. Regisseur Gert Steinheimer gilt als Experte auf dem Gebiet gelungener Exemplare dieser Gattung ,wie beispielsweise sein zwei Jahre später entstandener Spielfilm "Killer", und auch hier kommt es zu Eindrücken innerhalb einer Geschichte, die eine Kreuzung aus Realität und Groteske darstellen. Karin und ihr Mann Raimund beziehen eine neue Großraumwohnung. Aus den befürchteten 2000 D-Mark Miete werden nur 700 und Karin kann ihr Glück kaum fassen. Jetzt endlich lässt ich die gemeinsame Zukunft planen - so der Irrglaube - doch alles ändert sich, als ihr Mann ganz klein mit einer Modelleisenbahn anfängt; ein Floh, dem ihm sein Nachbar aus dem selben Haus ins Ohr gesetzt hat. Als man zu Besuch bei den wesentlich älteren Herrschaften ist, schenkt die Dame des Hauses Karin direkt reinen Wein ein: »Mein Mann und seine Steckenpferde: Das ist mein Leidensweg und Gottes Strafe für meine Sünden. Aber diese Eisenbahn-Spinnerei, das ist die schlimmste Übung von allen. Es trocknet den Verstand aus, macht die Männer noch dümmer als sie ohnehin schon sind!« Vermutlich übertreibt die Dame aus reinster Frustration - so denkt man zumindest zunächst - doch das neue Steckenpferd nimmt langsam aber sicher ausufernde und räumlich expansive Formen an. Die Wohnung gleicht einem Eisenbahnmuseum, alles dreht sich nur noch um Märklin, Roco, Faller und Co., bis Karin zu dem Schluss kommt, entscheidend intervenieren zu müssen. Doch wie bekommt sie ihren Gatten wieder aus dieser beängstigenden Parallelwelt heraus? Sie versucht ihn eifersüchtig zu machen, indem sie vorgibt, sich mit anderen Männern zu treffen. Fehlanzeige. Sie probiert dies und das. Ohne Ergebnis.

Schließlich liest sie sich in die Welt der Modelleisenbahner ein, um aktiv mitzumischen. Auch nicht gut, schließlich sieht Rai sein Baby in Gefahr, welches an anderer Stelle zurückgestellt wurde. Die von Regisseur dargestellten Eisenbahn-Freaks wirken amüsant, aber in vielen Belangen nicht weit hergeholt, und viele Reaktionen überdreht, wofür man schließlich Verständnis aufbringen kann. Allerdings nicht für alles. "Liebe, Tod und Eisenbahn" kündigt des Titels wegen bereits im Vorfeld an, wohin die Reise gehen wird, und Gert Steinheimer bietet ein überaus amüsantes Komplettpaket mit grotesken Szenen aus deutschen Wohn-, Schlaf- und Eisenbahnzimmern an, und es darf tatsächlich gelacht werden. Mit dem Stilmittel der Überzeichnung wirkt das Ganze trotz der teils drastischen Schilderungen nur halb so schlimm, aber relativiert man das Ganze ein wenig, sind zumindest die aufkommenden Schwingungen zwischen den Eheleuten alles andere als weit hergeholt. In diesem Zusammenhang spielen Christina Scholz und Heiner Lauterbach ein sehr abgestimmtes Spiel und es macht Spaß, den beiden auf ihrem Weg zuzusehen, der sozusagen wie auf Schienen gebettet wirkt. Das Geschehen bleibt über die gesamte Spieldauer turbulent und streckenweise wirklich witzig, bis es zu sehr überraschenden Momenten kommt, die am Ende sogar einem Alptraum gleichen, den man sich nicht besser hätte ausdenken können. Bei "Liebe, Tod und Eisenbahn" handelt es sich definitiv um einen Klassiker der schwarzen Komödie in Deutsch, die leider ein wenig in Vergessenheit geraten ist. Die sich immer mehr zuspitzende Szenerie zeichnet abenteuerliche Situationen, die sich in Synonymen vielleicht tatsächlich täglich abspielen, auch wenn es sich nicht immer um Eisenbahnromantik oder Hass im Tunnel handeln muss. Ein wirklich gelungenes Schreckensstückchen mit überbreitem Augenzwinkern, dass seine Unterhaltungsmission problemlos erfüllt.

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