DAS GASTHAUS AN DER THEMSE - Alfred Vohrer

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DAS GASTHAUS AN DER THEMSE - Alfred Vohrer

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● DAS GASTHAUS AN DER THEMSE (D|1962)
mit Joachim Fuchsberger, Brigitte Grothum, Jan Hendriks, Eddi Arent, Richard Münch, Siegfried Schürenberg,
Klaus Kinski, Heinz Engelmann, Hela Gruel, Rudolf Fenner, Friedrich G. Beckhaus und Elisabeth Flickenschildt
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Alfred Vohrer

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»Der Feigling stirbt tausend Mal, bevor der Tod ihn küsst...«


Eine Reihe von Juwelendiebstählen hält die Flusspolizei rund um Inspektor Wade (Joachim Fuchsberger) in Atem, denn der sogenannte Hai - ausgerüstet mit Taucheranzug und Harpune - macht die Themse unsicher und kann nach seinen Raubzügen blitzschnell über die Kanalisation oder den Fluss verschwinden. Außerdem schreckt er auch vor Morden nicht zurück. Sein letztes Opfer erlegte er vor dem berüchtigten Gasthaus Mekka, dessen Wirtin Nelly Oaks (Elisabeth Flickenschildt) auch auf der Gehaltsliste des Hais steht. Als sich Wade dort etwas genauer umsieht, bemerkt er Leila (Brigitte Grothum), die verängstigte Pflegetochter von Mrs. Oaks, von der er sich entscheidende Hinweise erhofft, doch die junge Frau schweigt, bis es schon bald zu ersten Mordanschlägen auf den Inspektor kommt...

Alfred Vohrers "Das Gasthaus an der Themse" zählt zu den ganz großen Klassikern der Edgar-Wallace-Reihe und in dieser Beziehung markiert der Film mit über vier Millionen Kino-Zuschauern den ultimativen Top-Scorer. Vohrers zweiter Beitrag zur Serie bekennt sich nach "Die toten Augen von London" wieder einen Tick mehr zur empfundenen Realität, vor allem weil eine Abkehr von Horror- und Grusel-Elementen zu beobachten ist, was nicht gleichzeitig bedeutet, dass einem hier keine Schauer über den Rücken laufen werden. So wirkt dieser Vertreter nicht minder atmosphärisch und dicht. Bereits der Beginn wird in Erinnerung bleiben, wenn sich die Leuchtreklame des berüchtigten Gasthauses namens Mekka in der gut simulierten Themse spiegelt und eine vollkommen in Schwarz glänzende Gestalt den Abzug einer Harpune drückt. Trotz tödlichen Schreis bemerkt niemand, dass es einen kleinen Whisky-Schmuggler in seinem Boot erwischt hat, doch auch wenn sich das Geschehen im Freien abgespielt hat, werden noch alle Wege ins Mekka führen. Die Visualisierung des Killers - der von Kriminellen bis hin zur Polizei nur Hai genannt und seinem Namen alle Ehre machen wird - ist überaus gelungen. Es ist einem beinahe so, als könne man jeden einzelnen Wassertropfen erkennen, das Material des förmlich spüren und riechen, außerdem wirken die Bewegungen wegen des Taucheranzugs geschmeidig, das Erlegen und der Tod der Beute unausweichlich. Wenig später befindet sich das Publikum auch schon in der titelgebenden Kaschemme in der Elisabeth Flickenschildt das Regiment als Mrs.Oaks führen, aber zunächst einmal ein von Martin Böttcher komponiertes Chanson zum Besten geben wird. Sein "Besonders in der Nacht" beschreibt die bevorzugte Besuchszeit der Hausgäste und nimmt die Polizei empfindlich aufs Korn. Flickenschildts Interpretation des Liedes kann vielleicht nicht direkt als Gesang bezeichnet werden, vielleicht eher als ein Hauchen von Tonfolgen und Text, allerdings charakterisiert es die Wirtin von Kopf bis Fuß.

Ihre Aufmachung erzählt überdies von ihrem bevorzugten Terrain, der Halbwelt, sodass man schnell begreift, mit wem man es zu tun hat. Schlussendlich kann Elisabeth Flickenschildts Leistung als eines der legendärsten Kabinettstückchen der Reihe bezeichnet werden, das von einer Präsenz, Dominanz und Leichtigkeit berichtet, sodass es eine wahre Freude ist. Noch bevor die wichtigsten Charaktere vorgestellt sind, kristallisiert sich heraus, dass sich die klassisch bedrohte Schönheit in einem Netz von Intrigen, Lügen und kriminellen Machenschaften wiederfindet. Derartige Ungerechtigkeiten rufen den Ermittler des jeweiligen Films immer schnell auf den Plan, und es war selten zu erleben, dass er erstarrt wie das Kaninchen vor der Schlange. Bei Joachim Fuchsberger, der zu diesem frühen Zeitpunkt der Reihe bereits einer der verdientesten Darsteller war, gib es keine Halbherzigkeiten zumal er schnell merkt, dass sein Herz für Mrs. Oaks hübsche Pflegetochter schlägt. Vohrer erzählt ein abgewandeltes Märchen von "Aschenbrödel", denn die böse und kaltherzige Tante Flickenschildt behandelt sie wie eine Magd, die zwischen Betrunkenen, Anzüglichkeiten, Schlägereien und dem bösen Blick der Wirtin zu überleben versucht. Es entstehen exzellente Szenen in der Auseinandersetzung,insbesondere bei der Dialogarbeit, sodass es großen Spaß macht, der mit Ironie getränkten Konversation zu folgen. Fuchsberger, der bei den sogenannten Flusspiraten als Inspektor fungiert, beherrscht seine Intervalle ähnlich wie Kollegin Elisabeth Flisckenschildt, die beide jedoch leben und Leben lassen. Regisseur Alfred Vohrer versammelt ein ausgezeichnetes Ensemble, bestehend aus bekannten Wallace-Gesichtern, oder solchen, die es noch werden sollten. Insbesondere Eddi Arent lockert das Geschehen mit angenehmem Humor auf, genau wie es Siegfried Schürenberg tut. Geheimnisvoll wirkt dieses Mal Klaus Kinski, der wie eine Katze umher schleicht, um Beute zu machen.

Diese Dosierung des sonst oft wie irre und völlig impulsiv agierenden Interpreten kommt dem Szenario sehr zugute. Bei Richard Münch als Doc Collins, der Wade mit seiner Expertise zur Seite steht, und einem schmierig wirkenden Heinz Engelmann handelt es sich um einmalige Gastauftritte der gelungenen Sorte für die Reihe, und ansonsten sind noch ganz besondere Ausrufezeichen von einem geheimnisvoll aber ebenso skrupellos wirkenden Jan Hendriks, einer Hela Gruel, die als abgesattelte Alkoholikerin blendend aufspielt, oder Rudolf Fenner, dessen harte Hand im Mekka Gesetz zu sein scheint, zu verzeichnen. Wer mit dem nicht dingfest zu machenden Hai unter einer gemeinsamen Decke steckt, lässt Vohrer leicht ausrechnen, und eigentlich sind die Fraktionen und Zugehörigkeiten leicht zu durchschauen. Die raubende und mordende Hauptfigur wird als Autorität dargestellt, die ihre Befehle mit flüsternder Stimme per Telefon durchzugeben pflegt. Dabei wird vielen von denjenigen, die auf seiner Gehaltsliste stehen unwohl - wissen sie doch um ihre eigene mangelnde Loyalität. Jeder würde den anderen am liebsten so schnell wie möglich aus dem Geschäft drängen - wenn nicht heute, dann morgen, denn nur die Rendite hat zu stimmen. Bei derartig hohen Einsätzen sind die Verschleierungstaktiken der Beteiligten erwartungsgemäß sehr ausgefeilt, sodass es für Inspektor Wade gar nicht so einfach wird, Licht ins Dunkel des Falles zu bringen, zumal noch Altlasten der Vergangenheit zu bewältigen sind, die eine entscheidende Rolle spielen sollen. Alfred Vohrer rollt die Geschichte linear und gut nachvollziehbar auf, um ein vermeintliches Sicherheitsgefühl zu etablieren, welches immer wieder durch plötzlich auftauchende Schockmomente erschüttert wird. Die Schwarzweiß-Fotografie ist in "Das Gasthaus an der Themse" als erstklassig zu bezeichnen und kann zahlreiche Stimmungen und Schwingungen transportieren, die von Martin Böttchers zunächst stimmungsvoller und beinahe optimistischer Musik unterstützt wird.

Tritt jedoch der Hai samt Harpune im Schutze der Dunkelheit auf, hört man einen lose vor sich hinsummenden oder Luft verlierenden Dudelsack, der eine Atmosphäre der tödlichen Bedrohung zu kreieren weiß, was die Szenerie destruktiv erscheinen lässt. Überhaupt kommt es zu vielen Szenen der perfekten Abstimmung, sodass man es zweifellos mit einem der besten Böttcher-Scores zu tun hat. Dem Vorbild des Mekka entsprechend wirken zahlreiche Sets schäbig und heruntergekommen und Vohrer schreckt selbst nicht davor zurück, Kloaken zu zeigen. Da der Mörder durch die Kanalisation zu entkommen pflegt, die in den Fluss mündet präsentieren sich hoch intensive (Studio-)Unterwasseraufnahmen, die charakterisieren, dass der Hai aufgrund des von ihm ausgewählten Elements überlegen ist. Falls es vom Wasser aus noch etwas zu weit zum Land ist, taucht mit der "Siegel von Troja" auch noch ein schwimmender Umschlagplatz für Schmuggel und Verbrechen auf, der naturgemäß ein Arsenal für kriminelle Elemente darstellt. Interessant ist es, dabei zuzusehen, wie sich die zahlreichen Schlingen um die verschiedenen Hälse langsam aber sicher zuziehen und der Hai sich an seine Liquidierungsmaßnahmen begeben kann. Regisseur Vohrer achtet genauestens auf die Effektiv seines eigens hergestellten Spannungsbogens, der über so gut wie keine Ausfälle verfügt, da Action, Tempo und gruselige Spannung sich die Klinke in die Hand geben. Bis zum Finale hin kann nur gesagt werden, dass alles richtig gemacht wurde und die Figuren jeweils glänzend funktioniert haben, wenngleich die Täter-Auflösung etwas mit Vorhersehbarkeit behaftet war und man somit nicht das Optimum aus den bestehenden Tatsachen herausholen konnte. Ein derartiger Kritikpunkt mag vielleicht obligatorisch in einem derartigen Film vorkommen müssen, kann das Ergebnis in seiner Vollkommenheit jedoch nicht trüben. Somit ist "Das Gasthaus an der Themse" für viele Fans nicht zu Unrecht ein Film für das interne oder sogar ewige Wallace-Treppchen.

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Sid Vicious
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Re: DAS GASTHAUS AN DER THEMSE - Alfred Vohrer

Beitrag von Sid Vicious »

Ich habe mal (m)einen Text vom 3. September 2011 rausgekramt. Die ca. 10 Kommafehler habe ich korrigiert, ansonsten blieb alles beim - recht putzigen wie holprigen- Altem.
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Prisma
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Re: DAS GASTHAUS AN DER THEMSE - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »



Danke für den prägnanten Text! Ich finde, dass Alfred Vohrer die Messlatte mit diesem Beitrag und "Die toten Augen von London" schon sehr hoch angesetzt hat und die beiden Filme gelten nicht umsonst als die Klassiker der Reihe. Es passt ja auch wirklich alles zusammen, und hier kann höchstens der persönliche Geschmack für Platzierungen außerhalb der Top-10 sorgen. Bei mir ist "Das Gasthaus an der Themse" jedenfalls kein Titel, der unterhalb den ersten 15 zu finden ist, dafür mag ich andere Filme der Reihe wesentlich lieber aber das hat sich erst in Jahrzehnten herausgestellt.

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Prisma
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Re: DAS GASTHAUS AN DER THEMSE - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »



Hier ein weiterer Trailer zu einem der vielleicht größten Vohrer-Klassiker der gesamten Wallace-Reihe:


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