DER FÄLSCHER VON LONDON - Harald Reinl

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DER FÄLSCHER VON LONDON - Harald Reinl

Beitrag von Prisma »



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● DER FÄLSCHER VON LONDON (D|1961)
mit Karin Dor, Hellmut Lange, Siegfried Lowitz, Mady Rahl, Walter Rilla, Sigrid von Richthofen, Robert Graf,
Otto Collin, Ulrich Beiger, Eddi Arent, Joseph Offenbach, Günter Lüdke, Heidrun Kussin und Victor de Kowa
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Harald Reinl

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»Dieser Gerissene muss ein wirklicher Künstler sein!«


Während eines Pferderennens tauchen gefälschte Banknoten auf. Oberinspektor Bourke (Siegfried Lowitz) ist sich sicher, dass es sich erneut um die Arbeit eines lange gesuchten Fälschers handelt, den man in Polizeikreisen den »Gerissenen« nennt. Bei dem sportlichen Ereignis waren auch mehrere Personen der besseren Londoner Gesellschaft anwesend, wie beispielsweise Peter Clifton (Hellmut Lange) und Jane (Karin Dor), seine zukünftige Ehefrau. Ihre Flitterwochen verbringen sie auf Longford Castle, welches so manches Geheimnis verbirgt. Für Scotland Yard führt nach einigen Ermittlungen sogar eine heiße Spur zum Schloss und seinem Mieter Peter Clifton, die absolut richtig zu sein scheint, denn schon bald findet man eine Leiche im Schlosspark...

Die Wallace-Reihe war im Rahmen ihrer Vielfalt ziemlich gut am laufen und ein verlässlicher Publikumsmagnet, sodass man bei "Der Fälscher von London" mit Harald Reinl auf einen bewährten Regisseur setzte, der sich vor diesem Film immerhin für bereits ⅓ der Beiträge verantwortlich zeigte. Spricht man von Abwechslung und Vielfalt, bezieht sich dies nicht nur auf die herangezogenen Stoffe des englischen Autors, sondern auch auf die Einflussnahme und persönliche Nuancierung der verschiedenen Regisseure. Bei Harald Reinl lässt sich nach drei Beiträgen durchaus sagen, dass er einen großen Wert auf Unterschiede bei seinem eigenen Bearbeitungsstil legte, sodass erst gar keine Anflüge von Eintönigkeit, Schema F oder gar Langeweile aufkommen sollten. Diese Verfilmung unterscheidet sich signifikant von der internen Konkurrenz und überrascht mit einer vergleichsweise wesentlich ruhigeren Herangehensweise, nicht aber ohne besonders auffällige, individuelle Akzente zu setzen, die sich vor allem innerhalb der atmosphärischen Dichte finden lassen. Die allgemeine Schwere der Szenerie ergibt sich durch überaus düstere Bildeindrücke, das beeindruckende Setting und durch die ebenso finstere musikalische Untermalung Martin Böttchers, die vielleicht zu den besten frühen Wallace-Scores gehört. Auch die eigenwilligen Charaktere geben der Geschichte einen besonderen Drive, was für eine eigentümliche Art der Spannung sorgen kann. Eine der größten Modifikationen zeigt sich bei der Wahl der männlichen Hauptrolle, denn Hellmut Lange als Peter Clifton steht für folgenden Twist, dass möglicherweise zwei Herzen in seiner Brust schlagen. Verschärft durch den Eindruck, dass im Rahmen des Liebesglücks mit der weiblichen Hauptrolle entscheidende Zutaten fehlen, wird Hellmut Lange geschickt auf die Verdächtigenliste der Geschichte gesetzt, was eine Premiere innerhalb der Reihe darstellen sollte.

Gesucht wird »Der Gerissene«, ein Banknotenfälscher, der aufgrund seiner besonderen Sorgfalt in Polizeikreisen sogar als Künstler gehandelt wird, neuerdings aber als gefährlich eingestuft wird, da die Qualität seiner Fälschungen merklich nachgelassen hat. So ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Geschichte nicht ohne Mord und Totschlag auskommen wird, wenngleich man hier nicht mit der typischen Reinl'schen Brutalität und Blutrünstigkeit wie in anderen Beiträgen versorgt wird. "Der Fälscher von London" wirkt um einiges eleganter und mysteriöser, im internen Vergleich allerdings auch gediegener. Unterm Strich kommt es fernab der eigenen Präferenzen somit zu einem deutlichen Abwechslungsreichtum, der gerne angenommen wird, da er tatsächlich wie der buchstäbliche neue Besen wirkt, der besonders gut kehrt. In diesem achten Beitrag kommt es wieder zu einer deutlicheren Präsenz der so beliebten Gruselatmosphäre, die Zuschauer besonders intensiv in ihrem Bann ziehen kann. Die Titelfigur bleibt ein Phantom, dessen abgeänderte Stimme - äußerst Markant gesprochen von Heinz Klevenow - zwar zu hören ist, sich aber hinter einem Spiegel und anderem Namen verbirgt. Sein Klientel bringt die Blüten schließlich in Umlauf, kann sich trotz Abhängigkeit ein Leben auf großem Fuß gönnen. Die Verstrickungen in diesem Fall sind interessant gelöst worden, sodass sich die dem Empfinden nach auf unterschiedlichen Seiten agierenden Personen irgendwann und irgendwie treffen werden. Harald Reinls Film verfügt über einen ordentlichen Whodunit, dementsprechend kann das Publikum mitraten, welche der teils kruden Gestalten der gesuchte Verbrecher sein könnte. Zuvor lichten sich die Reihen allerdings merklich, denn es kommt zu vielen Bauernopfern, die sich bislang schützend vor ihren Chef stellten. Sehr viele Personen sind in undurchsichtige Strukturen verstrickt, die nach und nach innerhalb eines klaren Aufbaus aufgerollt werden.

Betrachtet man die Besetzungsliste, so lassen sich einige Erst- und Gastverpflichtungen ausfindig machen, die prestigeträchtig erscheinen. Zunächst sei allerdings auf die fein auf das Drehbuch abgestimmte Leistung von Hellmut Lange hinzuweisen, der anfangs zahlreiche Rätsel aufgibt, und das nicht nur um die Integrität seiner Person, sondern auch seinen möglicherweise nicht intakten Geisteszustand. Langes Leistung bewegt sich nah an den äußeren Rändern des hier üblicherweise geforderten Repertoires, da er sich den normalerweise unangebrachten Luxus erlauben darf, nicht allzu viel Rücksicht auf die Sentiments und Sympathien des Publikums Rücksicht nehmen zu müssen. Befeuert durch eine Zweckheirat und der abneigenden Grundhaltung seiner Filmehefrau Karin Dor, betrachtet man dieses neue Angebot skeptisch aber nicht uninteressiert. Karin Dor konnte bereits ausgiebig Wallace-Erfahrung sammeln, allerdings besticht ihre Zeichnung weniger durch Routine, sondern neue Facetten einer Frau, die sich aus Gefälligkeit in einen neuen und für sie unbequemen Lebensabschnitt begibt. Naivität kann man der schönen Frau nicht vorwerfen, denn dafür ist sie im Denken und Handeln zu emanzipiert und resolut, weiß allerdings auch um ihre gesellschaftlichen und familiären Pflichten. Hellmut Lange und Karin Dor veranstalten ein sehenswertes Tauziehen um die Wahrheit und deren eigentliche Emotionen, sodass man dieses frische Angebot gerne annimmt, wenngleich sich der Eindruck aufdrängt, dass beide der Gewöhnung halber nicht recht zusammenpassen wollen. Mit Trugschlüssen bekommt man es unter Reinls aufmerksamer Regie jedoch alle Nase lang zu tun, für die auch der Rest der interpretierenden Crew verantwortlich ist. Siegfried Lowitz sieht man erneut als Vertreter von Scotland Yard und es ist erstaunlich, welch völlig anderen Anstrich er seiner besonders eigenwilligen und mit väterlichem Rat agierenden Figur verpassen kann.

Schnell wird klar, dass er das Potenzial besitzt, den Fälscher zur Strecke zu bringen, nicht zuletzt wegen seiner völlig unorthodoxen Methoden. Interessant ist auch, dass er dem Empfinden nach autonom agieren kann, da eine übergeordnete Instanz fehlt. Mit Mady Rahl und Victor de Kowa geben zwei große Interpreten ihren Einstand und überzeugen als Ehepaar Wells, welches sich kaum in die Karten schauen lässt, beim Publikum aber wie ein offenes Buch wirkt. Weitere sehr ansprechende Leistungen liefern Walter Rilla, Robert Graf, Ulrich Beiger und Otto Collin, was von einer grenzenlos aus dem Häuschen wirkenden Sigrid von Richthofen stellenweise getoppt wird. Ihre Darbietung kann zweifellos als Overacting bezeichnet werden, aber gleichzeitig einen riesigen Spaß machen, wenn sie ihre Krallen ausfährt und völlig überhebliche bis vulgäre Tendenzen annimmt. So bleiben die unterschiedlichen Darbietungen in deutlicher Erinnerung, was dem Verlauf zu sehr guten Strecken verhilft. Natürlich ergibt sich das positive Gesamtbild aus einer insgesamt sorgsamen Bearbeitung seitens Harald Reinl, der seinen Film mit einer besonderen Dichte auszustatten weiß. Nächtliche Szenen im Schloss, Schreie im mit dichtem Nebel verhangenen Park, das Auftauchen einer Falschmünzerwerkstatt in einem geheimen Raum und diverse zwielichtige Gestalten tragen hier zu einer besonders charakteristischen Atmosphäre bei, die unter den frühen Beiträgen in Erinnerung bleiben dürfte. Insgesamt hat Regisseur Harald Reinl erneut das richtige Händchen bei der Inszenierung bewiesen, und es ist mehr als erstaunlich, dass der Film trotz aller Modifikationen und Neuerungen einer der klassischsten Beiträge der gesamten Reihe geworden ist. Wenn der Schurke am Ende zur Strecke gebracht ist und sich die Geschehnisse für den Zuschauer gesetzt haben, wird jeder für sich selbst entscheiden müssen, wie hoch oder niedrig "Der Fälscher von London" im persönlichen Ranking zu finden ist.

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Sid Vicious
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Re: DER FÄLSCHER VON LONDON - Harald Reinl

Beitrag von Sid Vicious »

Ich habe am 16. September 2011 notiert: Aus meiner Sicht gibt es am „Fälscher von London“ nichts auszusetzen. Der Film macht nun mal alles richtig.

Ewig her, aber ich habe Dor, Lange und Lowitz als sehr gut agierende Aktuere in Erinnerung.

Ich habe am 15. April 2013 eine Hitliste erstellt, in der der FÄLSCHER ganz weit vorn liegt. Wenn ich sie - nach jetzigem Standpunkt - neu sortieren würde, dann müsste STECKNADEL (SOLANGE ist großartig) wohl auf Rang 1 liegen.
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Prisma
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Re: DER FÄLSCHER VON LONDON - Harald Reinl

Beitrag von Prisma »

Sid Vicious hat geschrieben:
So., 27.02.2022 13:35
Aus meiner Sicht gibt es am „Fälscher von London“ nichts auszusetzen. Der Film macht nun mal alles richtig.

Dem kann ich vollkommen zuzustimmen. Bei mir persönlich rangiert der Film allerdings nur im Mittelfeld, da es für meinen Geschmack wesentlich unterhaltsamere Exemplare gibt. Meine Top-10 ist auch nicht gespickt mit den großen Klassikern der Reihe, sondern wirklich mit den Beiträgen, die mir einfach am besten gefallen oder schon immer am besten gefallen haben, oft unabhängig von klassischen Qualitätsmerkmalen. Viele Filme werden nach meinem Empfinden oftmals ungerechtfertigt abqualifiziert, da sie nicht dem typischen Wallace-Märchenkosmos entsprechen. Müsste mir aber nochmal Gedanken über ein Ranking machen.

Italo
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Re: DER FÄLSCHER VON LONDON - Harald Reinl

Beitrag von Italo »

Für mich eine der besten Wallace Filme.

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Prisma
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Re: DER FÄLSCHER VON LONDON - Harald Reinl

Beitrag von Prisma »



Ein weiterer Trailer zu einem überaus sehenswerten Wallace, der sich allerdings ein wenig mit Spoilern schmückt:


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