FÜR MORD KEIN BEWEIS - Konrad Petzold

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Percy Lister
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FÜR MORD KEIN BEWEIS - Konrad Petzold

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"Für Mord kein Beweis" (DDR 1978)
mit: Winfried Glatzeder, Horst Schulze, Micaëla Kreißler, Peter Bause, Wolfgang Benz, Wolf Goette, Hans-Joachim Hanisch, Birgit Edenharter, Marianne Wünscher, Agnes Kraus, Friedrich Richter u.a. | Drehbuch: Manfred Hocke nach Motiven des Romans "Der Mann, der über den Hügel steigt" von Rudolf Bartsch | Regie: Konrad Petzold

Als seine Frau Steffi nach einem Streit spurlos verschwindet, erstattet Herr Zinn eine Vermisstenanzeige. Sechs Tage später wird am Ufer des Langen Sees eine unbekleidete Frauenleiche angespült. Obwohl es keine Anzeichen für Fremdverschulden gibt, vermutet Hauptmann Lohm von der Kriminalpolizei, dass es sich um Mord handelt. Der Tod seiner Gattin erschüttert Herrn Zinn schwer, doch bald sucht er einen Mann auf, der sich bei der Beerdigung im Hintergrund hielt. Vor über dreißig Jahren hatten die beiden schon einmal miteinander zu tun: im Konzentrationslager Dachau....

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Eine heitere Alltagsszene auf den Straßen von Ostberlin bildet den Auftakt zu einem Fall, der zunächst auf der Beunruhigung eines Mannes fußt, der nach einem Ehestreit vergeblich auf die Rückkehr seiner Frau wartet. Mit dem Auffinden ihrer Leiche drängt sich nicht nur die Frage auf, unter welchen Umständen sie gestorben ist, sondern auch, ob es einen Schuldigen gibt. Dem Einsatz eines ruhelosen Ermittlers ist es zu verdanken, dass die Akte nicht abgeheftet und in den Schrank gestellt wird, sondern den Personen so lange auf die Finger geklopft wird, bis sich neben dem Täter auch seine Motivation herauskristallisiert. Winfried Glatzeder bildet den Fixpunkt innerhalb der Geschichte und sein charismatisches und lässiges Auftreten lässt vergessen, dass man sich in der DDR und nicht in einem italienischen Giallo befindet. Jeden Gedanken an eine oftmals beengte Muffigkeit und gesichtslose Konformität des geografischen Schauplatzes - der so oft eine Identifikation in Kriminalfilmen der DEFA verhindert - wischt er mühelos beiseite und nimmt den Zuschauer dadurch für sich und seine Recherchen ein. Viele Aspekte, die sonst eine Produktion aus dem Osten kennzeichnen und einbremsen, werden hier über Bord geworfen, so auch die Freizügigkeit, mit der während der Dienstzeit alkoholische Getränke und Zigaretten gereicht werden. Selbst französischer Cognac der Marke Hennessy findet seinen Weg durch durstige Kehlen, liefert aber immerhin einen wichtigen Hinweis auf den Täter. Die Zensurbehörde, die sonst gerne westliches Verhalten beanstandet, schien nichts dagegen zu haben, dass die Beamten ihre Freiräume nutzten. Der Fall benötigt den Spielraum zudem, um von einer scheinbar banalen Ausgangslage ein Potenzial zu entfalten, das einen raffinierten Mordplan enthüllt.

Horst Schulze zeichnet einen Charakter, der durch Status und Gebaren abseits der Gesellschaft steht. Die Harmonie, welche nach eigenen Aussagen zwischen ihm und seiner jüngeren Frau herrschte, zeigt immer nur seinen Blick auf sie. In Rückblenden sieht man sie mit seinen Augen, die Worte ihres Mannes als Erwiderung auf ihre Argumente. Die Kamera grenzt sie von anderen Personen ab. Die Innsbrucker Schauspielerin Micaëla Kreißler hebt sich als Lichtgestalt vom düsteren und grauen Umfeld ihres Mannes ab, der ebenso wie Wolf Goette als sein ehemaliger Mitarbeiter im Abseits lebt. Die Verbindung zur Vergangenheit, welche der Film zieht, isoliert den Täter einmal mehr und unterstreicht die Anschauung "Der Sozialismus kennt keine Verbrechen". Im laizistischen Osten ist freilich auch von der Kirche keine Hilfe zu erwarten: der katholische Pfarrer ist schnell überfordert, wenn er sich der Lebensbeichte eines gestrauchelten Mitbürgers annehmen soll. Insgesamt wirkt der DDR-Kriminalfilm sehr ansprechend und verfügt durch diverse Elemente über Spitzen von ironischem Humor, wobei sich die Ermittlungsarbeit von Hauptmann Lohm wie ein frischer roter Lebensfaden durch die Handlung zieht. Der Hüne mit der markanten Stimme ist eine wichtige Identifikationsfigur und bringt Struktur und Beharrlichkeit in die Polizeiarbeit, ohne an Paragrafen und Dienstvorschriften zu kleben. Die Schauplätze warten mit einer angenehmen Mischung aus grüner Seenlandschaft und Großstadtmilieu auf, wobei jede Örtlichkeit eine tiefere Bedeutung hat und nicht der reinen Zierde dient. Wer vorurteilsfrei einen guten Krimi sehen möchte, sollte "Für Mord kein Beweis" eine Chance geben.

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