RUF DER WILDGÄNSE - Hans Heinrich

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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RUF DER WILDGÄNSE - Hans Heinrich

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RUF DER WILDGÄNSE


● RUF DER WILDGÄNSE (A|1961)
mit Ewald Balser, Heidemarie Hatheyer, Marisa Mell, Gertraud Jesserer, Hans H. Neubert, Horst Janson und Brigitte Horney
eine Produktion der Deutsche London Film | Wiener Mundus Film | im Verleih der Ufa Film Hansa
ein Film von Hans Heinrich

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»Ja Kinder, da heißt es doppelt fleißig sein!«


Der kanadische Farmer und Großgrundbesitzer Caleb Gare (Ewald Balser) ist gefürchtet für seine rücksichtslose Art Geschäfte zu machen. Um Besitz und Reichtum immer größer werden zu lassen, treibt er viele Existenzen in den Ruin, da er seine Pächter und Schuldner immer gnadenloser auspresst, unerfüllbare Bedingungen stellt und hohe Zinsen verlangt. Auch innerhalb seiner eigenen Familie gibt er sich als Tyrann: Seine Töchter Judith (Marisa Mell) und Ellen (Gertraud Jesserer) müssen sich unter seinem Regiment die Finger wund arbeiten und werden in jeder Beziehung unterdrückt. Calebs Frau Amelia (Heidemarie Hatheyer) hat nicht die Kraft sich gegen ihren Mann aufzulehnen, da er sie wegen eines dunklen Geheimnisses in der Hand hat. Einst nahm er sie als Magd bei sich auf, da sie als verurteilte Sünderin auf der Flucht war. Auch nach über zwanzig Jahren Ehe behandelt er seine Frau nur wie eine Arbeiterin und ruft ihr die Vergangenheit ins Gedächtnis, wo er nur kann. Eines Tages taucht ein junger Landvermesser namens Mark Jordan (Hans H. Neubert) in dieser Gegend auf, der sich in Judith verliebt. Nur zwei Personen sind sich über dessen Herkunft und Identität bewusst, bis es schließlich zu einer dramatischen Eskalation kommt...

Bei Hans Heinrichs "Ruf der Wildgänse" handelt es sich um einen klassischen Heimatfilm, der allerdings leicht von handelsüblichen Schablonen abweicht, wofür schon alleine die Schauplätze verantwortlich sind. Die Geschichte ist mit ausreichend Dramatik und wunderbaren Landschaftsaufnahmen ausgestattet, spricht sein Zielpublikum mit wirksamen Zutaten aus den Bereichen Dramatik und Emotionen an. Alleine die Besetzung spricht hier in eindeutiger Manierfür sich, denn man bekommt hervorragende schauspielerische Leistungen von etablierten Stars und frischen Gesichtern geboten, die über die zum Teil etwas allzu glatte und ausladende Inszenierung hinwegtrösten können. Hans Heinrich war für geradlinige und gut abgestimmte Arbeiten bekannt, was sich hier ebenfalls nach kürzester Zeit herausstellt. Im Gegensatz zu vom Prinzip her ähnlichen Produktionen, wie beispielsweise "Und ewig singen die Wälder", kann dieser Film von 1961, bei dem die Außenaufnahmen in Kanada stattgefunden haben, allerdings bei Weitem nicht mithalten. Trotz seiner bewährten Zutaten bleibt "Ruf der Wildgänse" eher ein Versuch, sich an großen Vorbildern zu messen, wenngleich er weitgehend über eine eigene Identität und sehr gute Momente verfügt. Dieser Film wird insbesondere von seinen Schauspielern getragen, und hierbei ist zunächst Ewald Balser hervorzuheben, der genauso spielt, wie man es sich im Vorfeld denken konnte. So geht er glaubhaft und präzise in seiner Rolle auf. Zu sehen ist ein Tyrann, der alle Personen seines Umfeldes im Würgegriff hält, aber Caleb ist kein Choleriker, der unbedacht handeln würde.

Er verleiht dieser Person eine perfide Note, weil er im Grunde zynisch ist, sein Vorgehen als angeblich gottesfürchtiger Mann jedoch stets mit Bibelzitaten untermauert und dementsprechend rechtfertigt. Hinzu kommt, dass er seine Angelegenheiten stets um den heißen Brei herum umschreibt, diese also nie direkt beim Namen nennt. Er bleibt in jeder noch so unbequemen Situation ruhig und es bereitet ihm Vergnügen, seine Untergebenen zu brüskieren und sie sogar indirekt zu quälen. Dabei macht er keinen Unterschied, ob es sich nur um einen Schuldner oder sogar um seine eigene Familie handelt. Geschickt schwätzt er anderen Farmern ihr gesamtes Hab und Gut ab, geht seinen Geschäften dabei stets zielstrebig und unnachgiebig nach. Er ist ein Geizhals aus dem Bilderbuch, der nicht nur berüchtigt, sondern vor allem verhasst ist. Daher hat er keine Freunde oder Vertraute mehr und ist ein zutiefst einsamer Mann geworden. Heidemarie Hatheyer wirkt wie immer überzeugend, vor allem, weil der dramatisch angehauchte Heimatfilm mit den Jahren zu ihrer Domäne geworden war. Zu sehen ist eine unterdrückte und verängstigte Frau, bei der sich Resignation breit gemacht hat und die nur noch für ihre Töchter und die tägliche Arbeit lebt. Besonders gut funktioniert hier das Zusammenspiel mit Partner Ewald Balser, der sie gerne mit Geschichten aus der Vergangenheit terrorisiert. Ein sehr schönes Wiedersehen gibt es mit Brigitte Horney, die in diesem Szenario in einer ihr auf den Leib geschneiderten Rolle zu sehen ist. Die verwitwete Lehrerin Mrs. Sandbo ist die gute Seele der Gemeinde, die für Vertrauen und Aufrichtigkeit steht.

Dabei sieht man eine Dame, die verhältnismäßig progressive Ansichten für damalige Verhältnisse vertritt und stets mit gutem Rat und starker Schulter zur Seite steht. Marisa Mell ist hier in ihrem ersten Farbfilm zu sehen, und stand mit Anfang 20 noch am Anfang ihrer turbulenten Karriere, was ihre Leistung naturgemäß in einem dynamischen und angenehm unverbrauchten Licht strahlen lässt. Mell spielt die ältere Tochter des Farmers, die ihren Vater verabscheut und hasst. Sie möchte raus aus dieser Hölle und träumt unabhängig von materiellen Dingen von einem besseren Leben. Sie und Mrs. Sandbos Sohn Sven, der seit mehreren Monaten unterwegs ist, sind ein Liebespaar. Der Gedanke an eine gemeinsame Zukunft lässt Judith alles ertragen, bis sich herausstellt, dass ihr Vater das Verhältnis hintertrieben hat. Diese Rolle ist ein weiterer Beweis dafür, wie schnell sich Schauspieler allgemein in bestimmten Schubladen wiederfinden. Bei Marisa Mell war es der Typ Frau mit eigenwilligem Kopf und unbändigem Temperament, der sich hinlänglich etablieren sollte. In Regisseur Heinrichs Film sind unterm Strich sicherlich und vor allem die markanten schauspielerischen Leistungen anzuerkennen, die dieser Geschichte Feuer und Intensität verleihen, auch wenn es hin und wieder zu gediegen zugeht. Sehr gut dabei eingefangen sind die Schauplätze und die vielen eingängigen Landschaftsaufnahmen, was ein nötiges Flair kreieren kann. Musikalisch begleitet von einer einer klassischen, sehnsüchtigen und hoffnungsvollen Musik, kann "Ruf der Wildgänse" als Gesamtereignis überzeugen, bei dem es vor allem die Schauspieler bleiben, die zu Hochtouren auflaufen.

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