TEUFEL IM FLEISCH - Hermann Wallbrück

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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TEUFEL IM FLEISCH - Hermann Wallbrück

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TEUFEL IM FLEISCH


● TEUFEL IM FLEISCH / SCHLEICHENDES GIFT (D|CH|1964)
mit Aleksandar Gavric, Ruth Gassmann, Peter Heim, Manrik Schumacher, Ingrid Boyer, Maria Rohm und Dunja Rajter
eine Produktion der Rewa-Films | im Gloria Verleih
ein Film von Hermann Wallbrück

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» +++ hob die Polizei ein Liebesnest verwilderter Dirnen aus +++ «


Dieser Film, der unter Inanspruchnahme wissenschaftlicher und statistischer Unterlagen der Weltgesundheitsorganisation in Genf (WHO) und unter Beratung namhafter Ärzte und Soziologen entstand, greift erneut ein ernstes Problem auf, von dem man bis vor wenigen Jahren annahm, dass es mithilfe neu entdeckter Medikamente endgültig erledigt wäre. Syphilis und Gonorrhoe schienen durch Salvarsan und Penicillin besiegt. Da kommt aus aller Welt die Kunde, dass sich die Krankheiten erneut rasch ausbreiten. 76 von 106 Ländern, die der Weltgesundheitsorganisation angehören, registrieren eine rasche Zunahme der Infektionen. Nach Ansicht der Ärzte eine Folge der fortschreitenden Immunisierung der Erreger gegen die neuen Mittel und der Unkenntnis der Gefährdeten den Erscheinungsformen und Übertragungsarten.

Diese Einführung ist gleich zu Beginn dieses sich selbst ausweisenden Aufklärungsfilms vernehmen, doch es stellt sich in Windeseile heraus, dass es sich sogar um eine Art Rechtfertigung in Richtung des Publikums handeln muss, da in diesem schnipselartig aneinandergereihten Beitrag nur zutage kommt, dass es sich um eine unappetitliche Prozedur handelt. Derartig aufgebaute Reißer mit Dokumentarcharakter, zwischen den überaus laienhaft dargebotenen Sequenzen der brüskierten Schauspieler, schmücken sich ja mitunter gerne mit einer fadenscheinigen, oder besser gesagt mutmaßlichen Evaluierung von angeblichen Tatsachenberichten, die sich auch noch auf gewisse Expertisen obskurer Koryphäen stützen sollen. Der wenig erbauliche Charakter von Hermann Wallbrücks Film entlarvt sich aber gleich durch den verheißungsvollen Titel, und es handelt sich lediglich um einen Beitrag der seine (vor allem damaligen) Zuschauer unter dem Deckmantel der Medizin mal ordentlich spannen lassen konnte, ohne dass die Gefahr bestand, sich ertappt zu fühlen. Zu diesem Zweck ist allerhand brisantes Archivmaterial einkopiert, das die Folgen ausgiebig ausgeschlachteter Geschlechtskrankheiten markiert, aber der erhobene Zeigefinger ist leider ebenso von einschlägig bekannten Krankheiten wie Scheinheiligkeit und Verlogenheit hinsichtlich des Großthemas Sexualität befallen. Wer es also unappetitlich und widerwärtig mag, ist in diesem absolut konturlos wirkenden und trostlosen Produkt genau richtig und kann ein paar Blicke auf die von Krankheiten gezeichneten und zerschundenen Körper der Personen werfen, gynäkologische Untersuchungen mit ansehen, zwischen Schenkel starren, oder was sonst noch so auf dem Plan steht. Der Verlauf suggeriert, dass die schrecklichen Gefahren des Geschlechtsverkehrs ganz einfach eingedämmt werden können: Finger weg von »verwilderten Dirnen« und schmutzigen Matrosen, außerdem unbekannten Herren. Man hat jemand anständigen kennen zu lernen, am besten außerhalb halbseidener Bars, verkommener Absteigen und Hurenfenstern, es folgt erst die Heirat und dann kann man vielleicht irgendwann einmal weiter gehen, falls man sich denn des Risikos aussetzen möchte - um es ein bisschen überspitzt zu formulieren.

Filtert man hier einmal die echten Schauspieler-Fragmente heraus, würden sich ganz brauchbare Szenen für einen Milieu-Reißer ergeben, aber die biedere und gleichzeitig ziemlich geschmacklose Handhabe der Regie macht hier leider wirklich alles im auto-aggressivsten Sinne zunichte. Die Ärzte-Clique, deren Schilderungen zu ihrem persönlichen Schicksal einen nach kürzester Zeit nicht mehr die Bohne interessieren, wirkt in deren Darstellung weitgehend uninteressant, außerdem ist die Selbst-Glorifizierung spätestens nach einer halben Stunde kaum mehr zu ertragen. Sie haben Ideale, sie wollen die Welt nicht nur verbessern, sondern gleich retten und ihre unermüdliche Arbeit im Kampf gegen Seuchen wird ausschließlich anhand der fatalen Spätfolgen geschildert. Prävention - nie gehört. Man reist auf einem Schiff um die halbe Welt und bekommt bei dieser Gelegenheit eben die Geschichten der Protagonisten aufgetischt. Der Stopp in Afrika suggeriert auf ungünstige Art und Weise, dass Erkrankungen aller Couleur möglicherweise von dort eingeschleppt wurden, und irgendwann hofft man auf ein baldiges Ende dieser Veranstaltung. Im Bereich der Dialoge gibt es gleich mehrere fatale Fehler, denn das Szenario wird hauptsächlich von den jeweiligen Erzählern aus dem Off getragen, während man die agierenden Personen zwar beim Sprechen sieht, aber nichts verstehen kann. Falls man sie dann doch hören kann, gibt es nur triviale Kost geboten, außerdem stimmen die synchronisierten Passagen nicht mit den Bildern überein, wie beispielsweise auch diverse Geräuschkulissen. Der Film erlaubt sich also den zweifelhaften Luxus, auf handwerklicher Ebene zu versagen, da er sich ausschließlich auf die Illustration der zugegebenermaßen teils drastischen, aber im Endeffekt abstoßenden Bilder aus dem Schulmedizin-Archiv verlässt. Summa summarum hat man es bei "Teufel im Fleisch" mit nichts anderem als schwerfälligster Kolportage zu tun, deren Sensationsgier nur auf einen möglichen kommerziellen Erfolg abgerichtet zu sein scheint, als dass tatsächlich sinnvolle Aufklärung betrieben wurde. Ob man Hermann Wallbrücks Beitrag 1964 komplett anders aufgefasst haben mag, ist zwar vorstellbar, aber aus heutiger Sicht wirkt er spießig und verzerrt. Sollte man vielleicht keinmal gesehen haben.

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