DER FALL X701 - Bernard Knowles

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Percy Lister
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DER FALL X701 - Bernard Knowles

Beitrag von Percy Lister »

"Der Fall X 701" (Frozen Alive) (Deutschland 1964)
mit: Mark Stevens, Marianne Koch, Delphi Lawrence, Joachim Hansen, Walter Rilla, Helmut Weiss, John Longden, Wolfgang Lukschy, Sigurd Lohde, Wolfgang Gunther, Albert Bessler u.a. | Drehbuch: Evelyn Frazer | Regie: Bernard Knowles

Der amerikanische Wissenschaftler Dr. Overton und seine deutsche Kollegin Dr. Helen Wieland forschen an der Möglichkeit, Lebewesen für einen längeren Zeitraum einzufrieren, um dadurch Krankheiten besser behandeln zu können. Bisher führten sie ihre Experimente an Schimpansen durch, bald soll der erste Versuch an einem Menschen erfolgen. Overtons Frau Joan hat seit längerer Zeit ein Verhältnis mit dem Journalisten Stein und sieht sich durch den Vorschlag ihres Mannes, aufs Land zu ziehen, in die Enge getrieben. Der Wissenschaftler, der den Einspruch des Instituts fürchtet, entschließt sich, das Experiment an sich selbst vorzunehmen. Währenddessen erhält seine Kollegin die Nachricht, dass Overtons Frau erschossen aufgefunden wurde....

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Ebenso ambitioniert wie die Arbeit der beiden Wissenschaftler präsentiert sich die relativ unbekannte deutsche Produktion "Der Fall X701", die zwar in englischer Sprache und mit internationaler Besetzung gedreht wurde, jedoch keine Co-Produktion darstellt, wie oft vermerkt wird. Die oft kritisierte gefühlte Langeweile resultiert in den Augen des unzufriedenen Betrachters wohl aus der Mischung von Science-Fiction-Elementen, Ehedrama und Krimiversatzstücken, die in ihrer Zusammensetzung nicht immer überzeugen. So liegt der Fokus streckenweise auf dem Katz- und Mausspiel, das die Gattin des Wissenschaftlers treibt. Der Film schweift zu oft zu Mrs. Overtons Eskapaden ab, betont ihre emotionale Desorientierung und verharrt lange auf ihren peinlichen Ausfällen, die viel Energie binden, die der Stoff an anderer Stelle nötig hätte. Das lebensgefährliche Experiment, auf welches das Publikum lange warten muss, läuft erst in der letzten Viertelstunde zur Höchstform auf und treibt die Spannung ins Unermessliche. Die Idee, durch längerfristiges Herunterfahren aller Körperfunktionen mittels Einfrieren des Subjekts, medizinische Fortschritte zu erlangen, ist kühn, jedoch nicht abwegig, wird allerdings dramatisch unzureichend inszeniert. Die statische Darbietung am "gläsernen Sarg", in den sich Dr. Overton freiwillig einschließen lässt, ist wohl im Sinne der Wissenschaft um Korrektheit bemüht, versäumt es jedoch, durch spannungsfördernde Schnitte bzw. den Einsatz von dynamischer Musik Intensität zu vermitteln. Immer, wenn die Atmosphäre sich zuspitzt, wird sie durch melodramatische Szenen aus dem privaten Bereich des Forschers unterbrochen.

Wie bei vielen anderen Filmen auch, sind es hier vor allem die Schauspieler, deren kontrastreiche Performance einen Blick lohnen. Marianne Koch überzeugt einmal mehr durch ihre patente und zielstrebige Darstellung einer Medizinerin, eine Rolle, die ihr bis zum heutigen Tage am Herzen liegt. Die Anlage ihrer Rolle als handfeste, positive Figur steht von Beginn an im Gegensatz zur extravaganten Forschergattin, wie sie Delphi Lawrence verkörpert. Hochprozentiges in der einen, Zigarette in der anderen Hand, trägt sie eine kultivierte Gleichgültigkeit zur Schau, die nur Fassade ist. Das betont lebhafte Spiel von Marianne Koch hebt sich damit von der sich zunächst unnahbar gebenden Delphi Lawrence ab. Letztendlich schließt sich hier der Kreis, denn Mark Stevens als Dr. Overton erträgt die hitzigen Diskussionen und schroffen Einwände seiner Frau schon länger nicht mehr und fühlt sich in Gegenwart seiner gleichgesinnten Kollegin weitaus entspannter. Die Vertrauensbasis zwischen den beiden ist so groß, dass Overton sich unbesorgt auf das Experiment einlässt, bei dem sich Helen beinahe zur Herrin über Leben und Tod erhebt, als einer der Beamten voreilig von einem Strafmaß spricht, das irreversibel ist und den Dilettantismus betont, mit dem "Der Fall X 701" nur halbherzig zum Kriminalfall gemacht wird. Das Drehbuch will sich nicht festlegen, in welche Richtung die Reise gehen soll. Der Zuschauer sollte sich deshalb keinen Kriminalfall erwarten, sondern eine Mischung aus verschiedenen Genres, wie es bei den späten Dr.-Mabuse-Filmen der Fall ist. Man merkt den Reichtum an Einfällen, doch ist es am Ende stets ein Wagnis, alles unter einen Hut bringen zu wollen, ohne dabei Teile der Handlung zu vernachlässigen.

Mark Stevens spielt solide und pragmatisch, ein unauffälliger Held der Geschichte, der gelernt hat, anderen das Rampenlicht zu überlassen. Er nimmt sich in seinem Spiel zurück und inszeniert seinen Wissenschaftler nicht als ehrgeizigen Draufgänger, sondern als Beauftragten der Forschung, der sein Bestes gibt, um Ergebnisse zu liefern. Walter Rilla, auf dessen markantes Timbre man leider in der deutschen Fassung verzichten muss, zeigt erneut eine Interpretation zwischen kühler Beherrschung, höflicher Aufmerksamkeit und rigorosem Widerstand gegen unliebsame Abweichungen von seinem Standpunkt. Da man seine teuflische Interpretation des Professor Pohland kennt, kreisen die Gedanken unwillkürlich um die Frage, welchen Fanatismus er wohl in der Rolle des Dr. Overton zu Tage gefördert hätte und inwiefern sich das Kräftemessen mit den Erwartungen der Öffentlichkeit und der Zurückhaltung der Institutsleitung zu einem psychologisch spannenden Duell entwickelt hätte. Wolfgang Lukschys Auftritt ist zu kurz, um sich zu profilieren. Sein Polizeibeamter ist barsch, routiniert und ohne besondere Kennzeichen. Er kommt erst sehr spät zum Einsatz, wie generell der Mordfall erst gegen Ende dramatisch ausgewertet wird. Albert Bessler gibt sich emotionslos wie immer und assistiert den Forschern ohne den feierlichen Ernst seiner ähnlich gelagerten Rollenauftritte - etwa innerhalb der Mabuse-Reihe. Joachim Hansen fügt sich gelungen in die aufgescheuchte Umgebung der Mrs. Overton, er bringt sowohl die Voraussetzung mit, ihr ein charmanter Begleiter zu sein, als auch überzeugend rabiat zu werden, wenn ihre Eskapaden Überhand nehmen.

FAZIT: Paraderolle für Marianne Koch in einem Konglomerat aus Zukunftsfantasie, Drama und Kriminalgeschichte. Mutige Ansätze münden in konventionelle Lösungen, machen den Film aber wegen der bekannten Darsteller durchaus unterhaltsam.

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Prisma
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Re: DER FALL X701 - Bernard Knowles

Beitrag von Prisma »



Es heißt, Bernard Knowles "Der Fall X701" sei einer der am wenigsten gezeigten deutschen Filme der 60er-Jahre gewesen, was nicht unbedingt oder vollkommen nachvollziehbar erscheint, immerhin gab es Geschichten, die wesentlich weniger zu bieten hatten. Betrachtet man den Film nicht vergleichsweise, so konfrontiert der Verlauf das Publikum mit einer eigenartigen - dem kryptischen Titel der Produktion entgegengesetzten - Langeweile und zahlreichen Versatzstücken aus dem kurz zuvor entstandenen "Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse". So sind gleiche Sets und Requisiten zu sehen oder Walter Rilla, außerdem hört man dieselbe Musik. Es dauert sehr lange, bis man erste Anzeichen spektakulärer Beteuerungen angedeutet bekommt, zuvor wird überwiegend Wert auf ausgiebige Vorstellungen der Personen und deren private Verstrickungen gelegt, was die relativ kurze Laufzeit tatsächlich sehr lang erscheinen lässt. Vieles hier wirkt statisch und unbeweglich, und damit ist nicht nur das Auge der Kamera gemeint, doch man fängt tatsächlich an, hier einiges zu verzeihen, da zahlreiche beliebte Schauspieler zu sehen sind, die die Produktion mit ihrer bloßen Präsenz aufwerten. Eine Entscheidung über eine klassische Genre-Zugehörigkeit wird von der Regie nicht gefällt, und es kommt zu sich immer wieder gegenseitig aufhebenden Angeboten, die zwar für eine gewisse Abwechslung sorgen, das Szenario jedoch nicht gerade mit Spannung und Thrill überfluten. Die prominente und gute Besetzung kann somit nichts gegen die mageren Grundvoraussetzungen ausrichten und es bleibt ein zurecht in Vergessenheit geratener Film, der für sich nicht den Anspruch erhebt, kurzweilig sein zu müssen. Die Regie gibt sich übrigens derselben Strategie hin.

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