DIE WEIẞE SPINNE - Harald Reinl

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DIE WEIẞE SPINNE - Harald Reinl

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● DIE WEIẞE SPINNE (D|1963)
mit Joachim Fuchsberger, Karin Dor, Dieter Eppler, Horst Frank, Werner Peters, Mady Rahl, Friedrich Schoenfelder,
Paul Klinger, Lotte Brackebusch, Gerhard Frickhöffer, Fritz Eberth, Lotti Alberti, Erik Radolf sowie Chris Howland
eine Produktion der Arca Winston Films Corp. | im Constantin Filmverleih
ein Film von Harald Reinl

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»Nein, nein, du sollst meinen Namen vergessen, für immer vergessen!«


Muriel Irvine (Karin Dor) steht mit dem Rücken zur Wand, da ihr Ehemann Richard tödlich mit seinem Wagen verunglückt und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt ist. Lediglich durch dessen Talisman, in Form einer kleinen weißen Spinne aus Glas, konnte der Tote identifiziert werden. Die Lebensversicherung weigert sich, der Witwe die vereinbarte Summe auszuzahlen, die vor kurzer Zeit signifikant erhöht wurde, bis Mrs. Irvine schließlich selbst in den Kreis der Verdächtigen gerückt wird, da immer mehr Tote mit einer gläsernen Spinne auftauchen. Da die Todesfälle wie bestellt wirken, nimmt Inspektor Dawson (Paul Klinger) die Ermittlungen auf, der wenig später ermordet aufgefunden wird. Von nun an scheint klar zu sein, dass London es mit einer Verbrecher-Organisation zu tun hat, die sich auf rücksichtslose Auftragsmorde spezialisiert hat. Scotland Yard greift auf einen weltberühmten Kriminalisten zurück, dessen Identität jedoch unter Verschluss gehalten wird...

"Die weiße Spinne" bietet eine interessante Alternative im Bereich des Whodunit-Schemas an. Obwohl die Geschichte ihre größten Geheimnisse nicht bis zum Ende aufrecht erhalten kann, bleibt sie aufgrund der routinierten Kniffe von Regisseur Harald Reinl bis zum packenden Finale dennoch sehr spannend. Der deutsche Kriminalfilm hat über die Jahre viele unterschiedliche Maskeraden gesehen, sicherlich wesentlich ausgefeiltere als in dieser Produktion, aber auch definitiv schlechtere. Die Geschichte rund um das für den Titel Pate stehende Verbrechersyndikat ist flüssig und überaus eingängig erzählt, wartet außerdem mit einigen Szenen auf, die nicht zuletzt wegen ihrer auffälligen Brutalität bei den Mordszenen für Aufsehen sorgen können. Unbequeme und vorzugsweise wohlhabende Leute werden per Auftragsmord ins Jenseits befördert. In diesem Zusammenhang zeigen sich diverse Handlungsstränge, die sehr geschickt miteinander verknüpft sind und den Verlauf frisch und abwechslungsreich halten. Seinerzeit liefen bereits mehrere erfolgreiche Kriminal-Reihen, wie etwa alles was Wallace hieß oder beispielsweise Doktor Mabuse, sodass dem Empfinden nach immer mehrere Versuche hinzu kamen, etwas von dem immer noch garantierten Erfolg abhaben zu können. Diese Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Roman des Autors Louis Weinert-Wilton, der seinen Namen für drei weitere, mehr oder minder gelungene Filme hergeben sollte. Das große Plus dieser Produktion ist und bleibt die sichere Hand der Regie, außerdem tummelt sich das Who's Who des deutschen Kriminalfilms innerhalb dieser düsteren Angelegenheit, welches sich durchgehend keine Blöße erlaubt und für einen nicht zu unterschätzenden Wiedererkennungswert sorgen kann, der beim treuen Publikum naturgemäß dankend angenommen wird.

"Die weiße Spinne" bedient sich bewährter Modelle, die in derartigen Produktionen Einsatz fanden, und eines von ihnen stellt das Duo Joachim Fuchsberger und Karin Dor innerhalb einer dramaturgischen Modifikation dar, die im Grunde genommen aber keine ist. Als Ralph Hubbard agiert Fuchsberger glücklicherweise nicht nur routiniert, sondern auch selbstbewusst und immer bereit, seine Agilität unter Beweis zu stellen. Die Konstellation mit Karin Dor hat sich unter denkbar widrigen Umständen zu finden, immerhin handelt es sich um einen entlassenen Sträfling und die Witwe eines einschlägig bekannten Spielers, die plötzlich mit dem Schlagwort Mordverdacht zu kämpfen hat. Die beiden Stars des deutschen Kriminalfilms bilden wie immer eine perfekte Einheit, auch wenn es anfangs gar nicht so aussehen soll, und überzeugen das Publikum mit sympathischen und vor allem stichhaltigen Darbietungen. Zu Karin Dors Leistung lässt sich vielleicht sogar sagen, dass es sich hier um eine ihrer besten Interpretationen und interessantesten Charaktere dieser Zeit handelt. Unterstützung liefern unlängst bekannte Gesichter im Dunstkreis zwischen Gut und Böse, wie beispielsweise Werner Peters, Dieter Eppler, Mady Rahl, Gerhard Frickhöffer oder Horst Frank, die sich für den Zuschauer ganz klar positionieren, aber auch für Zweifel und Misstrauen sorgen. Der Film fällt mit einer harten Gangart und einer ungewöhnlich plastisch geschilderten Brutalität auf, was von Regisseur Harald Reinl in den richtigen Momenten immer wieder mithilfe beunruhigender Drahtschlingen forciert wird. Die drakonisch wirkenden Ermordungsszenen sind von Erbarmungslosigkeit geprägt, die man 1:1 auf die Mentalität des Kopfes der Verbrecherorganisation übertragen wird und gleichzeitig auf seine ausführende rechte Hand.

Konträr zu dieser Marschrichtung werden humorige Akzente durch Chris Howland gesetzt, die in dieser Fasson gar nicht einmal so deplatziert wirken, wie es andernorts häufiger der Fall war. So lebt dieser gut strukturierte und durchgehend ansprechende Film von einer bemerkenswert präzise aufspielenden Entourage, die perfekt abgestimmte Leistungen präsentiert. Alle überdurchschnittlichen Eindrücke und Grundvoraussetzungen werden vielleicht etwas durch die Tatsache ausgebremst, dass die gleichnamige Organisation im Rahmen ihrer Maskerade hin und wieder schwächelt, was nicht wortwörtlich zu nehmen ist, denn die Maske hat eine annehmbare Arbeit abgeliefert. Dennoch ist der Täter auch ohne größere Erhebungen leicht auszumachen, was als Kritikpunkt zwar immer wieder zu vernehmen ist, dem Spaß an dieser spannenden und turbulenten Geschichte aber keinen Abbruch tut. Als besonderes Extra gibt es eines von Peter Thomas' eingängigen Musikthemen, und überhaupt sind gerade im handwerklichen und technischen Bereich sehr ansprechende Angebote und Lösungen zu finden. Veredelt durch ein besonders stichhaltig wirkendes Duo namens Joachim Fuchsberger und Karin Dor, entstehen spannende und mitreißende Momente, die vielleicht nicht unbedingt aufs Glatteis führen, dafür aber unbedingt in die gewollte Richtung. Bis Harald Reinls Verwirrspiel gelöst ist, werden viele Köpfe rollen müssen. "Die weiße Spinne" verfügt insgesamt über eine besonders mysteriöse Atmosphäre, die lange nicht beseitigt werden kann, auch wenn es zahlreiche Vorahnungen des Publikums in gleich mehrere Richtungen gibt. Auf der anderen Seite werden allerdings auch Überraschungen und waschechte Schocks geliefert, die diesen unter Louis Weinert-Wilton laufenden Film zu einem besonders gelungenen Exemplar machen, auch Banner übergreifend.

Percy Lister
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Re: DIE WEIẞE SPINNE - Harald Reinl

Beitrag von Percy Lister »

Prisma hat geschrieben: So lebt dieser gut strukturierte und durchgehend ansprechende Film von einer bemerkenswert präzise aufspielenden Entourage...
Hier zeigt sich in der Tat, wie wichtig eine gute Schauspielerführung ist. Jede/r ist diszipliniert am richtigen Ort und vermeidet es, in schrulliger Exaltiertheit oder durch vage Charakterzeichnung ihre oder seine Rolle zu verwässern. "Die weiße Spinne" wartet mit liebevollen Details auf, die den Film schon in den ersten Minuten unverkennbar und originell machen. Das Maskottchen des besessenen Spielers, die kleine weiße Spinne aus Glas, die sich im Vorspann zur Zeichnung vor dunkelgrauem Hintergrund wandelt und mit ihrem Netz die Leinwand überzieht; die griffige Musik von Peter Thomas, die aufgeregt und listig zugleich Unheil und Spannung heraufbeschwört; die betroffen und schockiert in die Kamera blickende Karin Dor und das Geheimnis eines zweifelhaften Todes, der nur vermeintlich den Schlusspunkt unter die Ereignisse im "Club 55" setzt. Der Ablauf ist gut strukturiert und vermeidet Längen wie im ähnlich konzipierten "Das Wirtshaus von Dartmoor". Man merkt, dass mit Harald Reinl ein Routinier - im besten Sinne - am Werk ist und die Spannung durch verschiedene Rätsel, die erst spät gelöst werden, gehalten wird. Im Umfeld der Spielclubs bewegen sich kauzige und unheimliche Figuren. Er ist als Sammelplatz für Entscheidungen ein wichtiger Treffpunkt. Gleichzeitig sorgen das verschlossene Zimmer im Yard, die Unterkunft von Ralph Hubbard, die elegante Wohnung von Muriel Irvine und das heruntergekommene "Hotel Falk" für angenehme Abwechslung. Wieder einmal fällt ins Auge, dass die Schauspieler außerhalb der so populären Edgar-Wallace-Reihe weitere Akzente setzen können und eine fast unnahbare, zeitlose Stilsicherheit in Aussehen und Auftreten zeigen, die ihre Präsenz noch bemerkenswerter und angenehmer für den Zuschauer macht.

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Prisma
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Re: DIE WEIẞE SPINNE - Harald Reinl

Beitrag von Prisma »

Percy Lister hat geschrieben:
Sa., 20.03.2021 23:44
Hier zeigt sich in der Tat, wie wichtig eine gute Schauspielerführung ist.

Schauspielerführung und Harald Reinl sind für mich tatsächlich so gut wie immer in einem Atemzug zu nennen, denn da kann ich mich kaum daran erinnern, dass ein Ensemble mal unrund gewirkt oder chaotische Eindrücke hinterlassen hat. Für mich persönlich sind Reinls Filme dadurch auch immer interessant, da ich mich von ihm als Regisseur sehr gut abgeholt fühle. Unter Reinl funktioniert irgendwie fast jeder, so zumindest der Eindruck. "Die weiße Spinne" ist in diesem Zusammenhang ein Paradebeispiel geworden. Alles wirkt symbiotisch und passt sich den Gegebenheiten perfekt an.

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Count Yorga
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Re: DIE WEIẞE SPINNE - Harald Reinl

Beitrag von Count Yorga »

IFB-Filmprogramm
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:hut:

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Prisma
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Re: DIE WEIẞE SPINNE - Harald Reinl

Beitrag von Prisma »



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● HORST FRANK als JOE "KIDDIE" PHELIPS in
DIE WEIẞE SPINNE (D|1963)



»Nanu Puppe, du bist ja neu hier!« Beinahe gelangweilt nimmt Kiddie Phelips die Sekretärin des Hilfsvereins ins Visier, stellt sich praktischerweise in ungehobelter Manier selbst vor und will seine Stütze so unkompliziert und schnell wie möglich, vor allem aber ohne die üblichen Formalitäten ausgezahlt bekommen. Bei Hauptdarstellerin Karin Dor scheint er jedoch an der falschen Adresse zu sein, der es letztlich obliegt, ihre vom rechten Wege abgekommenen Klienten unter a wie asozial, oder b für besserungsfähig einzustufen. Horst Frank war zu jener Zeit schon längst als überzeugender Bösewicht etabliert und auch hier gibt er eine Rolle zum Besten, die geprägt ist von Brutalität und Kaltblütigkeit. Retrospektiv betrachtet ist es ein wenig verwunderlich, dass Horst Frank nur in wenigen Epigonen zu sehen war und keinen einzigen Auftritt in der Edgar-Wallace-Reihe vorzuweisen hat, die er zweifellos mit seiner Unruhe stiftenden Art bereichert hätte. In Harald Reinls Louis-Weinert-Wilton-Adaption ist Frank wie so häufig als ausführender Arm der Ungerechtigkeit zu sehen, der im Dienst der Unterweltorganisation, der sogenannten "weißen Spinne", steht. Zu seinem Repertoire gehören rücksichtsloser Mord aus dem Hinterhalt und dass er keine unnötigen Fragen stellt, solange der Preis stimmt. Im Zuchthaus gesessen hat der »gute«, »nette« oder »brave« Kiddie, wie er sich selbst gerne in der dritten Person nennt, wegen Sittlichkeitsverbrechen an Minderjährigen, was ihn nur noch unbequemer und schmieriger erscheinen lässt. Horst Frank zeigt in dieser Produktion eine seiner leichtesten Fingerübungen, was überhaupt nicht heißen soll, dass nur etwas Gewöhnliches abgespult wird. Ganz im Gegenteil, denn er baut eine hohe Durchschlagskraft auf, trägt zu einer guten Portion Unbehagen und Spannung bei, da er herumschleicht wie ein hungriges Raubtier, das jederzeit aus dem Hinterhalt zuschlagen könnte.

In diesem Zusammenhang erlaubt sich die Geschichte zwar kaum praktische Veranschaulichungen, aber Hemmungslosigkeit und Skrupellosigkeit werden absolut deutlich, als er eine reiche, alte Dame in ihrem Badezimmer ermordet, dabei alles so aussehen lässt, als sei es ein bedauernswerter Unfall gewesen. Die Geschichte schlägt hierbei lediglich gedankliche Brücken zu erwähnten Morden aus der Vergangenheit, für die er zumindest verantwortlich sein könnte. Nicht nur Karin Dor wird von ihm wenig galant angepackt, sondern es bahnt sich auch ein Clash mit Joachim Fuchsberger an, was Horst Franks eigentlich ziemlich übersichtliche Rolle wesentlich mehr an Präsenz gewinnen lässt. Mit seiner beinahe singenden Stimme entstehen ziemlich unbequeme Intervalle, die durch seine hervorragende Interpretationsgabe für klassisch dichte Krimi-Momente sorgen. Die Frage, was ihn eigentlich antreibt, ist ziemlich schnell nach dem ersten Treffen mit seinem Chef beantwortet, denn über allem steht ausschließlich der Profit. Für einen Bruchteil des Erfolgshonorars für die "weiße Spinne" spielt er den verlängernden und eiskalten Arm des Todes und es ist nur zu erahnen, wie vielen Opfern er bereits das Licht ausgeknipst hat. Insgesamt kann gesagt werden, dass sich Horst Frank zwar innerhalb einer bestimmten Schublade bewegt, dies aber in vollkommen überzeugender Art und Weise. Mit eiskalter Erscheinung und rücksichtsloser Aggressivität stellt er genau einen der Typen dar, die eine solche Geschichte für ihre Glaubwürdigkeit und letztlich auch Spannung nötig hat. Gewürzt mit zynischen Gebärden und Dialogen, entstehen beachtliche Momente, da es zu etlichen Szenen kommt, die hochqualifiziert skizziert werden. Bei einer derart eindeutig gebrandmarkten Figur bleibt zwar keinerlei Spielraum für Sympathie, aber er bleibt gerade wegen der übermäßigen Bedrohlichkeit nachhaltig in diesem ohnehin sehr unterhaltsamen Krimi in Erinnerung.



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Prisma
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Re: DIE WEIẞE SPINNE - Harald Reinl

Beitrag von Prisma »



Und hier noch der verlockende deutsche Trailer. Aber Vorsicht: er spoilert an manchen Stellen ein bisschen! ;)



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